13. April 2018

Roman J. Israel, Esq.

Doing the impossible for the ungrateful.

Es heißt ja, der erste Schritt sei immer der Schwerste. Gerade für Regisseure ließe sich aber fast sagen, dass ihr 2. Film oft weitaus diffiziler ist. So mancher Debütfilm legt die Messlatte schon ziemlich hoch, mit denen der ein oder andere Regisseur daraufhin zu kämpfen hat. Zwar war Richard Kellys Southland Tales ein kongenialer Nachfolger seines Kultfilms Donnie Darko, floppte jedoch aufgrund seiner Kreativität sowohl finanziell wie im Feuilleton. Mit The Box versuchte es Kelly im Anschluss nochmals, scheiterte aber erneut. Seither ist es still geworden um das einstige Talent. Und auch Dan Gilroy, der vor ein paar Jahren mit dem Satire-Thriller Nightcrawler ein wahres Brett als Debüt rausgehauen hat, steht nun in dessen Schatten.

Überaus ambitioniert ist es da, mit Roman J. Israel, Esq. ausgerechnet ein Justiz-Drama ins Rennen zu schicken. In diesem wird der Rechtsbeistand Roman J. Israel (Denzel Washington) mit dem schweren Krankheitsfall seines Kanzlei-Partners konfrontiert. Das gemeinsame Büro muss aus finanziellen Gründen schließen und auch wenn Roman in der renommierten Kanzlei von George Pierce (Colin Farrell) unterkommt, tut sich der exzentrische Bürgerrechtsaktivist dort merklich schwer und eckt mit seinen sozialen Ticks und Störungen bei den Kollegen an. Roman hadert mit seinen politischen Idealen von einst, die heute nicht mehr gefragt scheinen – nicht einmal in einer entsprechenden Organisation wie der von Maya (Carmen Ejogo).

“Hope don’t get the job done”, ist eine jener betrüblichen Erkenntnisse ihres Justizsystems, die drohen, engagierte Charaktere wie Roman und Maya mental zu brechen. Die Entschlossenheit der Hauptfigur eint sie dabei in gewisser Weise mit Jake Gyllenhaals Louis Bloom aus Gilroys Debütwerk. Wo dieser aber sein Glück selbst in die Hand nahm, ist Roman weitaus lethargischer. “My lack of success is self-imposed”, weiß er sehr wohl. Sieht sich jedoch – potentiell – in einer Reihe mit Bürgerrechts-Größen wie Bayard Rustin. Seit vielen Jahren arbeitet Roman an einer Mandats-Reform für das im US-Justizsystem populäre Strafmilderungsverfahren, für dessen Abschluss er aber scheinbar weder seinen alten Partner noch Pierce gewinnen kann.

Wie ein Relikt aus alten Zeiten inszeniert Gilroy auch seinen Protagonisten. Der echauffiert sich, wieso Männer nicht stehenden Damen ihren Platz anbieten, nutzt noch ein Klapphandy und trägt alte Anzüge auf. Während sein Kanzlei-Partner nach außen das Gesicht des Büros war und die Verfahren leitete, war Roman im stillen Kämmerlein für deren Vorbereitung zuständig. Was er an sozialen Schwächen mitbrachte, wurde so wohl nur noch verstärkt. “I can always count on you to say the utterly inappropriate thing”, wirft ihm da eingangs nach einem verbalen Fauxpas die Sekretärin vor. Die Ideale von Roman und seinem Partner sind überholt in einer Welt, die auf Effizienz und Gewinn ausgelegt ist, statt auf Moral und Ethik.

“This place runs more like a charity service than a law firm”, kritisiert Lynn (Amanda Warren), die Tochter von Romans Partner. Und erklärt so das aufgehäufte finanzielle Defizit, das zur Schließung führt. Entgegen dieser Beschreibungen ist Roman J. Israel, Esq. aber nicht an einem Gegenüber von Damals und Heute interessiert. Ebenso wenig wie an jenem Mandat, das Roman seit jeher vorbereitet. Im Grunde wird der Zuschauer etwas im Stich gelassen – womöglich analog wie manche von Romans Klienten selbst vom Justizsystem –, was nun die Geschichte einem eigentlich erzählen will. Vom Scheitern eines Idealisten? Nur bedingt, dafür wird das Engagement zu wenig angerissen, als dass sich ein Bild inklusive Rahmen dazu ergibt.

Statt an einem Thema oder einer spezifischen Handlung hängt Gilroy seinen zweiten Spielfilm an seiner Hauptfigur und ihrer Faszination auf. Diese erstreckt sich dabei auf die anderen Charaktere fast eher als auf das Publikum. Sowohl Pierce als auch Maya entwickeln ihre ganz eigenen Beziehungen zu Roman, der in ihnen eher unwillkürlich – obschon gewollt – eine Art neues Feuer des Aktivismus entfacht. Ganz im Gegensatz zur Figur selbst, die im Verlauf ob der Widrigkeiten bei einem Mordfall gegen seinen Klienten Ellerbee (DeRon Horton), eher desillusionierter gerät. Was in anderen Justiz-Filmen nun der Auftakt für ein kathartisches Hauruck wäre, avanciert hier eher zum halbgaren Blick in den moralischen Abgrund.

Roman J. Israel, Esq. fehlt ein wenig der Fokus – sei es auf einen konkreten Fall, ein alles übergreifendes Thema oder die inneren Mechanismen seiner Figur. So ist der Film am Ende von allem etwas, aber eben nichts davon wirklich oder genug. Geschultert von einer soliden und erfreulicherweise weitestgehend zurückgenommenen Darbietung von Denzel Washington, findet sich nicht wirklich ein Zugang zu dem, was Dan Gilroy hier versucht, zu erzählen. Roman mag zwar seine sozialen Ticks haben, ist aber keineswegs so charismatisch wie der soziopathisch veranlagte Louis Bloom. Wo Nightcrawler eine Botschaft transportierte (stellenweise sicher mit dem Holzhammer), mäandert Roman J. Israel, Esq. zu sehr im Nichts.

Von verschenktem Potential kann man im Fall von Roman J. Israel, Esq. dabei nicht mal reden. Die Zahl der mitreißenden und aussagekräftigen Justiz-Filme ist überschaubar und Gilroys Werk keines, das dem Genre sonderlich viel hinzuzufügen hat. Gut möglich, dass es der Kohärenz der Geschichte in die Parade fuhr, dass Gilroy nach eigenen Aussagen Washington zu viel Einfluss auf die Gestaltung schenkte, sodass eine leichte Fehlharmonie entstand. Oder es ist schlicht die Erwartungshaltung Schuld: Wer nach einem starken Debütfilm ebenso überzeugend im Nachfolger an den Zuschauer liefern soll, kann vielleicht nur scheitern. Oder wie es Roman J. Israel selbst im Film sagt: “Doing the impossible for the ungrateful.”

5/10

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