18. Juli 2009

Harry Potter and the Half-Blood Prince

Why is it when something happens it is always you three?

Nach dem umfangreichen Harry Potter and the Order of the Phoenix schraubte Joanne K. Rowling ihre Bemühungen etwas zurück und veröffentlichte einen etwas schlankeren sechsten Band. Dabei wurde Harry Potter and the Half-Blood Prince letztlich nicht mehr als eine sechshundert Seiten lange Einführung für den finalen Band. Bedenkt man, dass aufgrund der gewichtigen Handlung von Harry Potter and the Deathly Hallows beschlossen wurde, das siebte Buch in zwei Filmen zu adaptieren, müsste das Fanherz bei den Aussichten auf eine um die sieben Stunden lange Geschichte eigentlich schneller schlagen. Immerhin stellte Order of the Phoenix die wahrscheinlich gelungenste Adaption der Reihe dar und dies auch noch beim umfangreichsten Band. Dass Produzent David Heyman dennoch Drehbuchautor Michael Goldenberg anschließend wieder fallen ließ, um zu Steve Kloves zurück zu kehren (neither can live while the other survives?), sollte die Reihe jedoch wieder zurück auf das Niveau von Harry Potter and the Goblet of Fire heben.

Diesmal ist alles anders und doch irgendwie gleich. Voldemort ist zurück und dies ganz offiziell. Seine Anhänger, zuvorderst Bellatrix Lestrange (Helena Bonham Carter) und Fenrir Greyback (Dave Legeno) treiben ihr Unwesen auch jenseits der eigenen magischen Grenzen. Unsichere Zeiten also, wenn Zauberer und Hexen nicht mehr voreinander sicher sind. Das erklären auch Ron (Rupert Grint) und Hermione (Emma Watson), als Harry (Daniel Radcliffe) bei ihnen eintrifft. Über Schulabbruch wurde im Hause Weasley philosophiert, weil die Kinder gefährdet seien. Interessanterweise scheint dies jedoch sonst niemanden zu stören. Harry selbst treibt sich im Sommer ungestört in London herum, wo er in U-Bahn-Bistros Kellnerinnen anbaggert, während er später unbekümmert mit seinen Freunden durch Diagon Alley schreitet, die weniger Tage zuvor noch Opfer einer Attacke war. Dieses Bäumchen-wechsel-dich-Spiel wird anschließend fortgesetzt, wenn zwar einerseits Hogwarts von Ministeriumsbeamten beschützt wird, die Zugfahrt dorthin selbst allerdings nicht.

Die Bedrohung der Zauberer untereinander und die Gefahr, die dadurch auch für Harry und seine Freunde ausgeht, werden innerhalb des Filmes oft konterkariert. Dass Harry im Sommer auf eigene Faust durch London wandert muss etwas verwirren, wenn er anschließend im Winter im Beisein von erwachsenen Zauberern angegriffen wird. Im Falle vergangener Filme widersprechen also Kloves' eigene Ideen nicht nur der ursprünglichen Geschichte von Rowling, sondern sogar die meiste Zeit sich selbst. Schon in den ersten zehn Minuten wird die Anpassung der im Grunde doch sehr düsteren Geschichte an die hollywoodsche Norm überdeutlich: Heyman und Co. wollten keine Geschichte erzählen, die im Nachhinein nur der Aufhänger für das Finale ist. Die zahlreichen Rückblenden in Voldemorts Vergangenheit werden bis auf zwei Ausnahmen herausgestrichen. Eine verständliche Entscheidung, schweift insbesondere die Nebenhandlung um dessen Großvater zu sehr ab. Ob sich die Entfernung der Rückblenden eventuell rächen könnte, wird sich zeigen.

Eine Kürzung der Handlung ist folglich bei Harry Potter stets unumgänglich, will man die Laufzeit auf zweieinhalb Stunden begrenzen. Wo und wie man kürzt, hatte Goldenberg beim Vorgänger gezeigt. Kloves hat damit jedoch bekanntlich größere Probleme. Im weitesten Sinne beinhaltet Half-Blood Prince drei Handlungsstränge, welche die Geschichte ausmachen. Es ist bezeichnend, dass sich Kloves auf den unbedeutenderen der drei Erzählstränge fokussiert hat. Im Folgenden ist der Film durchzogen von romantischen Beziehungsentwicklungen, die zum einen als comic relief und zum anderen als zentrale Unterhaltungsform gedacht sind. Dabei schreiten Yates und Kloves ziemlich harsch voran, fehlt doch gerade der plötzlich hereinbrechenden Romanze zwischen Harry und Ginny (Bonnie Wright) jegliches Fundament. Etwas geschickter, da sorgsamer, wird das Ganze bei Hermione und Ron inszeniert, die neben ihrer Annäherung auch über die vergangenen vier Filme eine Basis hatten, auf der ihre Gefühle füreinander behutsam aufgebaut wurden.

Immerhin muss man gestehen, dass die Intention des comic relief aufgeht und die meisten Szenen funktionieren. Ohnehin ist es der Humor, der Half-Blood Prince am besten auszeichnet, allen voran die Einstellungen mit Radcliffe und Grint. Man merkt es dem Jungdarstellertrio an, dass nach fünf Filmen die Chemie in vollem Umfang stimmt. Ginny wirkt dagegen ob ihrer forcierten Integration eher wie ein Fremdkörper und Kloves macht sich nicht einmal die Mühe, zu erläutern, wieso sie plötzlich so viel mit dem Trio abhängt. Geschweige denn, wie sie im Quidditch-Team gelandet ist, wo sie auf einmal Mitglied ist, während andere sich erst in dieses Spielen müssen. Die Quidditch-Szenen selbst sind wie bereits früher relativ unerheblich und dienen ausschließlich der Auflockerung der restlichen Handlung. Da jedoch die düsteren Szenen um Voldemorts Vergangenheit, sowie die spannenden Szenen rund um Malfoy (Tom Felton) und seine Agenda im Film selbst keine bedeutsame Rolle spielen, geraten die Beziehungsdramen zum Mittelpunkt des Geschehens.

Hinsichtlich der anderen Erzählstränge tut sich Kloves ebenfalls  keinen Gefallen. Auf der einen Seite präsentiert er Dumbledore (Michael Gambon), der versucht Harry auf den neuen Zaubertrank-Dozenten Horace Slughorn (Jim Broadbent) anzusetzen. Es obliegt nun Harry, aus diesem ein zentrales Geheimnis bezüglich Voldemort zu entlocken, welches mit dem weiteren Verlauf der Handlung zusammenhängt. Wirkliche Vorwürfe kann man hierbei nun weder Kloves, noch Yates machen. Sie erzählen soviel, wie sie zu erzählen haben, damit man der Geschichte und speziell dem Finale des Filmes folgen kann. Anders verhält es sich jedoch mit der Nebenhandlung, die sie bezüglich Tom Feltons Figur übernehmen. Sieht man einmal davon ab, dass man glaubte, der Verständigkeit halber dessen Agenda bereits relativ früh zu offenbaren, führen Heyman und Co. durch ihre Abwandlung zum Roman den ganzen Handlungsstrang ad absurdum. Denn Sinn und Zweck hat das Geschehen nicht und dient wohl erneut nur der Anpassung an die Normen Hollywood.

Hinzu kommt, dass Kloves wie bereits im vierten Teil Erklärungen ausspart, sodass zahlreiche Handlungsbögen entweder aus dem Nichts entstehen, in dieses verlaufen oder im besten Falle beides auf einmal. Andere Kleinigkeiten, die bereits seit Cuarón der Reihe innewohnen, bilden dabei nur das Tüpfelchen auf dem I. Addierte der Mexikaner seiner Zeit zwei weitere Jungen in Harry Jahrgang und Gryffindor, so platzierte Newell schließlich die Patil-Zwillinge in ein und dasselbe Haus. Hatte Yates letztere Tradition übernommen, versucht er nunmehr es auch Cuarón nachzutun. Die Mädchen von Gryffindor werden nun um zwei Schülerinnen erweitert. Neben den Patil-Zwillingen, Hermione und Lavender (Jessie Cave) werden auch Katie Bell (Georgina Leonidas), ihre Freundin Leanne und Romilda Vane (Anna Shaffer) ins sechste Jahr von Gryffindor sortiert. Das führt zu dem sehr amüsanten Szenario, dass nicht nur alle zehn Gryffindors die NEWT-Zaubertrank-Klasse weiterführen, sondern auch die neuen Schülerinnen (im Endeffekt also mehr Gryffindors als Slytherins).

Da stört es im Grunde auch nicht, dass der Film, obschon er Harry mit dem Halbblut-Prinzen assoziiert, auf diesen eigentlich gar nicht eingeht. Dient er im ersten Akt als Basis für einen der drei Handlungsstränge, scheint die zweite Szene im dritten Akt lediglich ein Alibi zu sein, um den Filmtitel zu rechtfertigen. Im Endeffekt hat Harry Potter and the Half-Blood Prince aber nichts mit jenem Prinzen zu tun, sodass dessen finale Auflösung eigentlich das Unwichtigste in der gesamten Geschichte darstellt. Dabei hätte der sechste Film aufgrund seiner subtilen Düsternis sehr viel Potential gehabt, was aufgrund des starken Fokus’ auf die Beziehungsdramen im fertigen Ergebnis ziemlich verloren geht. Ausschlaggebend für das Versagen des Filmes ist die Tatsache, dass Kloves, Yates und Heyman sich durch ihre Abänderungen die meiste Zeit selbst widersprechen und/oder Handlungen konterkarieren, die sie zuvor entweder lang oder auch nur kurz eingeführt haben. Weitaus dramatischer dürften die Aussparungen ausfallen, die die Basis für die Deathly-Hallows-Filme darstellen.

Diesbezüglich deutet sich an, dass die bedeutsame Nebenhandlung um Severus Snape (Alan Rickman) wohl weitestgehend unter den Tisch fällt. Alles andere würde aufgrund der bisher mangelhaften Vorbereitung seit dem Vorgänger überraschen. Es ist durchaus schade, wie wenig aus jenem Subplot gemacht wird, der sich doch als Spiegelbild zu Harry und Voldemort selbst lesen lässt. Rickman selbst ist auch hier dank seiner gedehnten Artikulation wieder eines der Highlights des Filmes, leidet aber erneut unter seiner fehlenden Präsenz. Felton wiederum nutzt die zusätzlichen Minuten, die seine gesamte Anwesenheit in den vergangenen drei Filmen aufwiegen. Während Grint erneut sein komödiantisches Potential ausschöpfen kann, meistert Watson sowohl die charmanten als auch die melancholischen Szenen wie gewohnt sehr gekonnt. Radcliffe wiederum hat gerade im Finale wie immer seine Probleme mit emotional-dramatischen Szenen, was insofern entschuldbar ist, da er im sechsten Film weitestgehend sein komödiantisches Talent ausspielen kann.

Dagegen spielt Michael Gambon so schlecht wie eh und je. Dass er weiterhin vollends an der Figur des Dumbledore vorbeispielt, scheint daran zu liegen, dass sich der Ire nie die Mühe machte, eines der Bücher zu lesen (und Kloves es wiederum  nicht für nötig erachtete, die Figur im Drehbuch entsprechend zu charakterisieren). Auch die neuen Darsteller sind allesamt eine Enttäuschung. Jim Broadbent gibt Slughorn als verpeilten Naivling (wieso man nicht Bob Hoskins genommen hat, bleibt offen), während beide Jungdarsteller für Voldemort jegliches schauspielerische Talent vermissen lassen. Kauft man Ralph Fiennes’ Neffen sein unsympathisches Spiel noch ab (der Junge versagt dafür bei allem anderen), ist es Stephen Dillanes Sohn, der keine Unze Charisma (was hinsichtlich der Wandlung seiner Figur von Nöten ist) zu versprühen vermag. In die schlechten Darbietungen reiht sich nach dem Vorgänger erneut auch Helena Bonham Carter ein, deren overacting inzwischen zu ihrem Markenzeichen geworden zu sein scheint.

Auch die vielgelobte Kameraarbeit von Bruno Delbonnel kann sich nicht wirklich auszeichnen, wirken die Bilder doch oft dunkler, als der Inhalt letztlich selbst. An die schönen Bilder von Michael Seresin aus Harry Potter and the Prisoner of Azkaban vermag somit weder die Kameraarbeit, noch die Inszenierung selbst heranzureichen. Des Weiteren wollen eigentlich alle filmischen Referenzen von Yates nicht wirklich gefallen. Sei es die Höhle im Finale, die an Supermans Fortress of Solitude erinnert oder die relativ offensichtlichen Zitate zu The Two Towers oder The Godfather, Part II. Nichts davon will wirklich ins Potterverse passen und bedenkt man die Zielgruppe, dürften die wenigsten die Superman- oder Godfather-Filme überhaupt gesehen haben. Ingesamt ist die sechste Harry-Potter-Adaption zwar eine solide Vorstellung, verdankt dieses milde Urteil jedoch hauptsächlich dem pubertären Charme der Beziehungsszenen (primär von Hermione und Ron, denn Harry und Ginny) und dem merklichen Humor. Eine wirkliche Auszeichnung ist dies jedoch nur bedingt.

6/10


Szenenbilder Harry Potter and the Half-Blood Prince © Warner Bros. Pictures. All Rights Reserved.

6 Kommentare:

  1. Schade, ich hatte aufgrund des Trailers gedacht, dass der Film richtig gut sein könnte. Ich habe die Bücher als einer der wenigen nie gelesen. Die bisherigen Filme waren für mich immer guter Durchschnitt.

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  2. Na das klingt ja mal wieder nicht sonderlich gut. Ich freue mich dennoch auf den Film. In Sachen Adaption brauche ich auch keine sonderlich große Angst haben, da ich die Handlung aus dem Roman beinahe eh schon wieder komplett vergessen habe - und zumindest die noch bekannten "major plot points" dürften ja abgehandelt werden... ;)

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  3. Schade, dass es grade bei diesem Film so sein muss, aber: Ich stimme dir im Grunde in (fast) allen Punkten zu. Mehr dann in meiner Kritik, spätestens Montag abend...

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  4. Weiohwei. 4 1/2 von 10. Hatte ich befürchtet, schon weil ich den zugrunde liegenden Band, den ich persönlich als den besten sehe, eigentlich für unverfilmbar halte.
    Denn das Buch verstößt permanent und mit voller Absicht gegen die übliche Bestseller-Formatvorlage: Action auf jeder dritten Seite, höher, weiter, schneller, und zum Schluß irgendwas mit Verschwörung, Papst und Antimaterie.
    Dafür hat Rowling endlich überzeugend, wie ich finde, zu dem in Grundzügen vorbereiteten
    eigentlichen Thema der Bücher gefunden (Das Trauma des begabten Kindes), und das, imo, hervorragend durchgespielt an den drei nur vordergründig verschiedenen Charakteren Potter, Snape und Riddle.
    Die sind sich in ihren zentralen Nöten und Sehnsüchten (Liebe finden, verlieren, erzwingen) letztlich doch sehr ähnlich. Untertitel: Es kommt halt darauf an, was man daraus macht.

    Besonders gefällt mir die Konstruktion um das seltsame "Kochbuch" des unbekannten Halbblut-Prinzen ("Könnte doch auch ein Mädchen sein!" *lol*), und aber genau das war sicher ein Alptraum für Autor und Regie. Literatur eben, und kein Film.

    Der Schlußakt allerdings: Halbkrank mit verbrutzelter Tatze in die Höhle, schwimmend(!) im Buch (DAS hätt' ich gern gesehen), übelsten magischen Brottrunk auspicheln müssen, auch noch vermeintlich für die Katz', halbtot zurückrasen, und voll in die Falle, ja, das ist schon fast ein Thriller geworden, für Rowlings Verhältnisse.
    Zum ersten Mal ist ihr da auch ein klassischer Cliffhanger geglückt, mit schlau entwickelten offenen Fragen, auf deren (sehr zufriedenstellende) Antworten ich damals gern gewartet habe.
    Wenn ich jetzt überall lese, dass sie das versemmelt haben, traue ich mich eigentlich gar nicht ins Kino.

    Ein bißchen vom Fach, hätte ich mir von vorherein einen fähigen Creative Producer auf dem Gesamtprojekt gewünscht, der nicht nur auf die schnelle Mark schaut, sondern die komplette
    Erzähllinie im Blick behält (wenn er sie denn verstanden hat). Dann wäre der ... ähm, diskussionswürdige Einfluß der Regie eventuell auch nicht ganz so, ähm, diskussionswürdig, wie er von Anfang an (Ausnahme: Cuarón) zu beobachten war.
    Schade.

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  5. @Papity: Hört, hört. Aber ins Kino kannst du dennoch gehen. Schon alleine wegen der tollen Emma Watson und Rickmans wunderbarem Zitat, in dem er jede Silbe wie gewohnt minutiös betont ;)

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  6. @Flo: Da hast Du ganz richtig die zentralen Benefits der Filme genannt. Besonders Alan "goosebumps" Rickman: Jeder Satz ein Fest.

    Aber ich mag auch, gegen die riesige Mehrheit, den Gambon-Dumbledore. Ich würde sogar vorsichtig wiedersprechen: Er spielt nicht schlecht, er wird schlecht geführt/gebrieft. (okay, er sagt, er hätte die Bücher nicht gelesen. Nicht so professionell ... hat Rickman aber auch nicht. Den fährt die Regie bestimmt als nächsten gegen die Wand. Seufz)

    Und dass ein Schauspieler mit Gambons Biografie, allein gelassen, tut, was er für richtig hält, kann ich ihm nicht verdenken.

    Analog wurde ja auch Harris in den ersten beiden Filmen nicht kontrolliert. Ob dem dann später die Entwicklung zum nachdenklich-doppelbödigen D. der letzten beiden Bücher gelungen wär', who knows...

    Mein Favorit war immer O'Toole. Schon wegen der Augen. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert.

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