13. März 2017

Taxi Driver

One of these days I’m gonna get organiz-ized!

Ich bin kein Fan von Martin Scorsese. Nicht von seinen vermeintlichen Klassikern und von den Filmen aus diesem Jahrhundert schon gar nicht. Was im Umkehrschluss nicht heißt, dass all seine Werke schlecht sind, nur fehlt mir wohl der rechte Zugang zu ihren Inhalten. So sind die Goodfellas und Co. vielleicht eher auf formaler Ebene die Meisterwerke, als die sie erachtet werden – zu diesen zählt wiederum auch der von Paul Schrader geschriebene Taxi Driver. “One of the best and most powerful of all films”, pries einst Filmkritik-Guru Roger Ebert und hob die Einsamkeit der Figur Travis Bickle, gespielt von Robert De Niro, als Hauptthema des Films hervor. “We have all felt as alone as Travis. Most of us are better at dealing with it”, so Ebert.

Wenn über Taxi Driver gesprochen wird, fällt in der Regel ein Hinweis zum Vietnam-Krieg. Travis hat in ihm gedient und die Narben, um dies zu untermauern. Dies ist abgesehen von einer späteren Szene, in der Travis das Gespräch mit einem Secret Service Agenten sucht aber auch schon der einzige Bezug zum Krieg in Asien. Die Handlung selbst bezieht sich nicht darauf, der zeitliche Kontext allenfalls bedingt. Travis beginnt am Anfang der Geschichte eine Tätigkeit als Taxifahrer. “I just wanna work long hours”, sagt der Veteran. Und erklärt sich bereit “anytime, anywhere” zu fahren. Als Folge deckt er die Stadtteile New Yorks ab, die seine Kollegen gerne meiden. Wo Drogendealer und Prostituierte ihrem nächtlichen Geschäft nachgehen.

“All the animals come out at night”, ätzt Travis und verweist auf die Junkies, Huren und Schwulen in den Straßen. “Some day a real rain will come and wash all this scum of these streets”, hofft er. Die Handlung spielt in einer Phase einer anstehenden Präsidentschaftswahl, New York City ist bepflastert mit Plakaten der Kandidaten Goodwin (mit dem Trumpschen Slogan “A return to greatness”) sowie Senator Palantine (Leonard Harris). Wer auch immer Präsident wird “should clean this city up”, wobei New York wohl pars pro toto für das Post-Vietnam-Amerika stehen soll. Travis’ Interesse an Palantine resultiert aus dem an seiner Wahlkampfhelferin Betsy (Cybill Shepherd), die er kurz darauf zu einem fatalen Pornokino-Date einlädt.

Als eines der Motive des Films wird der Aspekt gesehen, dass Travis es nicht schafft, eine Verbindung zu seiner Umwelt und Mitmenschen aufzubauen. Er ist ein Außenseiter, losgelöst von der übrigen Gesellschaft. Gegenüber Palantine erwähnt Travis, er folge nicht wirklich der Politik, gegenüber Betsy wiederum, er verfolge nicht wirklich Musik. “I believe that someone should become a person like other people”, äußert Travis in einer Szene seine Überzeugung. Vermag ihr jedoch selbst nicht zu folgen. Die Hintergründe bleiben unklar. Travis’ Misanthropie wird von ihm selbst befeuert und zudem nicht einmal wirklich von den Bildern unterfüttert. Inwieweit – und ob überhaupt – New York sein Gesicht gewandelt hat, ist nicht einzuschätzen.

Vielleicht war die Stadt auch schon vor Travis’ Militärdienst so wie sie ist. Drogenkonsum ist wie Prostitution keine Erfindung der 1970er Jahre, zumal die Ablehnung der Figur gegen New York etwas verwundert, da Travis zweifellos in Vietnam schlimmeren Abschaum gesehen haben muss. Von Mord und Vergewaltigung bis hin zur Prostitution in Saigon – wie in nahezu jedem Genrefilm zum Vietnam-Krieg zu sehen. New York muss da nach seiner Rückkehr fast schon geordnet wirken. Auch wenn man sicher argumentieren kann, dass die Erlebnisse in Asien dazu geführt haben, dass die Augen der Figur in der Heimat nun offener für das sind, was wohl schon immer oder zumindest schon länger gegenwärtig war und falsch gelaufen ist.

Die Entfernung dieses gesellschaftlichen Geschwürs schreibt sich die Hauptfigur im Verlaufe des Film nun selbst zu. “I got some bad ideas in my head”, gesteht Travis und macht sein Poster-Motto wahr, von dem er eine Stunde zuvor noch Betsy in einem Diner erzählt hat: One of these days I’m gonna get organiz-ized! Der Körper wird gestählt, ein Waffenarsenal besorgt und modifiziert. Es ist aber keineswegs Travis, der seine eigene Forderung (“clean this city up”) in die Tat umsetzt. Auch wenn die Figur später einen Ladenüberfall tödlich beendet. Travis Bickle verkommt nicht zum Rächer der Straße, belässt den Abschaum wo er ist und arbeitet eher auf ein vermeintliches Attentat an Palantine hin. Offen ist, aus welchem Grund.

Sei es eine Art Trotzreaktion auf Betsys Abweisung oder ein Äußern der Unzufriedenheit des Volksvertreters an die zuständige Politik – das Attentat misslingt jedenfalls und die Motivation der Figur verabschiedet sich so schnell wie sie zuvor auftauchte. Es gibt keine Fixierung auf Palantine als Charakter, der Zuschauer lernt den Senator und seine Politik nicht einmal kennen. So amüsant zwar Travis’ Versuche sind, sich mit dem Secret Service Agenten anzufreunden, der Handlungsstrang, eine Art Nachgeburt aus den Avancen gegenüber Betsy, wirkt etwas halbgar. Runder kommt da schon Travis’ anschließendes Bemühen daher, die Kinderprostituierte Iris (Jodie Foster) aus den Fängen ihres Zuhälters ‚Sport‘ (Harvey Keitel) zu retten.

Mit Iris erhält die Handlung einen gewissen Fokus, nicht zuletzt, da sich Travis ihr intensiver widmet, sodass eine Homogenität entsteht. Seine Versuche, dem Mädchen mit Worten zu helfen, wollen nicht fruchten, eine gewalttätige Intervention scheint angesichts der Psyche des Protagonisten unausweichlich. Das Finale ist kurz und schmerzvoll, von Scorsese desaturiert inszeniert, um trotz des dargestellten Gewaltexzesses ein R-Rating zu erhalten. Der visuelle Wechsel ist überraschend, funktioniert aber ganz gut als Repräsentant der explosiven Klimax. Passend, wenn auch nicht wirklich ausgearbeitet, ist da der Epilog, der Travis zum Helden verklärt – ungeachtet ob dies nun Realität ist oder doch nur Fiebertraum der Figur.

Womöglich würde Taxi Driver – zumindest für mich – besser funktionieren, wenn das Iris-Element den Film zu Lasten der Betsy-Palantine-Passagen stärker durchzogen hätte. Oder alternativ jene Passagen etwas tiefer thematisiert worden wären respektive der Niedergang der Stadt (darunter im Cameo des Regisseurs als stalkender Ehemann). Alles zusammen wirkt jedoch nicht vollends rund und gibt wenig Einblicke in die Figur und ihr Handeln – da helfen auch die halbherzigen Voice-Over-Tagebucheinträge wenig bis gar nichts. Dessen ungeachtet will für mich das alles mit Vietnam wenig zu tun haben, bestenfalls mit dem Isolationsfaktor innerhalb der Gesellschaft und den Folgen von missglückten sozialen Interaktionen.

Was diese Thematik angeht, funktioniert ein Film wie Scorseses Bringing Out the Dead sehr viel besser – sowohl in seinen Charakteren, Motivation und Mise en Scène. Laut der letzten Kritikerumfrage von Sight & Sound gibt es nur 30 Filme in der Geschichte des Kinos, die noch besser sein sollen als Taxi Driver – selbst wenn mir seine kulturelle und narrative Signifikanz nicht gewahr wird. Es ist ein solider Film, vielleicht etwas zu lang, aber mit interessanten Ansätzen, die Martin Scorsese nicht vollends zu einem überzeugenden Ganzen verbindet. Makellos ist dafür das Ensemble, die junge Jodie Foster insbesondere sowie Robert De Niro, als er noch engagiert bei der Sache war. Das kann man schätzen, auch wenn man kein Fan ist.

6/10

2 Kommentare:

  1. Ich habe den Film, im Gegensatz zu anderen Scorseses, bisher nur einmal als Teenager gesehen. Fand ihn damals sehr beeindruckend, aber vor allem aufgrund des Rufs, der ihm vorauseilte. Seitdem wollte ich ihn schon immer mal wieder sehen, doch war der Reiz nie wirklich da. Insofern ist es natürlich interessant deine Sicht auf den Film zu lesen, wenngleich ich auch nur wenig dazu beitragen kann. Ist bei mir schließlich schon Jahrzehnte her...

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    1. Ich fand den Film bei der ersten Sichtung als Jugendlicher auch eindrucksvoller. Vielleicht wächst man ja aus dieser Haltung heraus :D

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