24. September 2007

True Romance

I like you, Clarence. Always have. Always will.

Manchmal sieht man einen Film und obwohl man weiß von wem er ist, besteht dennoch kein Zweifel, dass selbst wenn man es nicht wüsste, man es dennoch erkennen würde. Wenn die Filme die Handschrift ihrer „Väter“ so sehr tragen, dass sie an sich von niemand anderem sein können, als ebenjener Person. In True Romance schreit jede Szene und jeder einzelne Satz „Tarantino!“, immer wieder „Tarantino!“ – daher verwundert es auch nicht, dass das Drehbuch tatsächlich von Tarantino stammt. Das Drehbuch schrieb Quentin Tarantino damals um seinen eigenen Film Reservoir Dogs zu finanzieren, welcher ein Jahr vor True Romance in die Kinos kam. Tarantino bekam damals das Mindestsalär von $50,000 ausbezahlt und ursprünglich bestand True Romance aus einem sehr viel längeren Skript, dessen andere Hälfte schließlich in den Film Natural Born Killers eingearbeitet wurde, der wenige Jahre später von Oliver Stone inszeniert worden ist. Es verwundert also nicht, wenn es zwischen True Romance und Reservoir Dogs Querverweise gibt.

Clarence (Christian Slater) ist ein Tunichtgut, der Comics verkauft, mit Elvis redet und an seinem Geburtstag ein Kung-Fu-Triple-Feature ansieht. Bei ebenjenem Sonny-Chiba-Triple-Feature lernt Clarence dann die Hure Alabama (Patricia Arquette) kennen, dabei ist Alabama eher ein Call-Girl als eine Hure. Obschon sie eigentlich nur für Clarence als Geburtstagsgeschenk engagiert wurde, verlieben sich beide unsterblich ineinander und heiraten am Morgen danach. Jetzt muss Clarence allerdings noch mit Alabamas Zuhälter Drexl (Gary Oldman) ein Wörtchen reden und ehe er sich versieht ist Drexl tot und Clarence hat dessen Kokain in Wert von einer halben Million Dollar bei sich. Ebenjenes Koks will er dann in Kalifornien verkaufen, während hinter ihm und seiner hübschen Frau fortan die sizilianische Mafia (Christopher Walken, James Gandolfini) her ist, die ihre Drogen wiederhaben will.

Ein Attribut das sicherlich auf True Romance – und auf viele andere Tony Scott Filme – zutrifft, ist: durchgeknallt. Clarence, dem Elvis nicht nur Mentor ist, sondern der mit diesem auch Sex haben würde, sollte dies je von ihm verlangt werden, lebt ebenso wie Alabama in seiner eigenen kleinen Welt, in der alles so ablaufen kann, wie er sich das vorstellt. Hier gibt es keine Regeln und manchmal auch keine Logik. Ein erstaunlicher Goof ist es daher, dass die Polizei zwar Clarence nicht des Mordes an Drexl verdächtigt, die Mafia ihn aber aufgrund seines Führerscheins in der Hand des Toten ausfindig macht. Solche Diskrepanzen nimmt man der Handlung jedoch nicht krumm, dafür ist sie viel zu liebenswürdig. Dies rührt insbesondere durch Hans Zimmers „Musica Poetica“ her, welches die einzige musikalische Untermalung darstellt und den meisten auf Terrence Malick’s Badlands bekannt sein dürfte (dieser war wiederum Tarantinos Inspiration zu Natural Born Killers). Ohnehin sind sowieso alle Charaktere hier sympathisch, selbst die unsympathischen wie der Killer Virgil (James Gandolfini), Cop Nicholson (Tom Sizemore) oder Produzent Lee (Saul Rubinek).

Dies ist auch ein weiterer Faktor, welcher den Film so kultig macht: sein Starensemble. Damals, als Christian Slater noch angesagt war, als man noch keine Ahnung hatte, wer Brad Pitt eigentlich ist. Da tauchen Stars wie Val Kilmer oder Christopher Walken in kleinen Nebenrollen auf, ebenso wie der leider verstorbene Chris Penn oder Samuel L. Jackson (auch wenn letzterer in der Mehrheit aller Hollywood-Filme mitspielt). Aber bereits hier lässt sich die erstaunliche Tendenz der Stars feststellen, auf Tarantinoschen Stoff abzufahren. Dieser wollte ursprünglich selber Regie führen, durfte jedoch nicht. Interessanterweise wollte auch Regisseur Tony Scott sowohl hier als auch bei Reservoir Dogs Regie führen, doch auch er durfte nicht. Eine entscheidende Abwandlung machte Scott jedoch insofern, als dass er Tarantinos unchronologische Erzählstruktur aufbrach und den Film linear erzählte, damit der Zuschauer weniger irritiert wäre. Vielleicht das gröbste Manko, denn dies hätte True Romance sicherlich noch einen Extratouch, bzw. einen tieferen Tarantino-Touch verliehen.

Mit den Jahren hat True Romance einige Abnutzungserscheinungen hinter sich und wirkt zu meinem eigenen Erstaunen relativ ruhig über weite Strecken, besonders zu Anfang, insofern ist er also doch weniger ein Action-, wie ein Liebesfilm und erinnert teilweise an David Lynch’s Wild At Heart. Besonders das Finale des Films (obschon von Tarantino geschrieben) trägt wieder die eindeutige Handschrift von Scott, der seine Affinität zu kräftigen Shoot-Outs auszuleben sucht, wie auch in Enemy of the State oder Domino zu sehen ist. Natürlich ist True Romance ohne Frage Kult, aber im Vergleich zu anderen Scott Filmen ist er erstaunlich ruhig und weißt nichts von seiner trashigen Seite wie in Domino auf, tendiert also doch sehr stark in Richtung Tarantino und dessen Dialoggeschwängerten Filmen. Ansonsten wird jedoch geballert und gevögelt was das Zeug hält, immer untermalt von Zimmers schönem Theme und untermalt von irgendeinem Hollywoodstar.

8.5/10

2 Kommentare:

  1. Ich glaube so oft wie "True Romance" habe ich in meiner Jugend keinen Film gesehen. Nicht einmal "Pulp Fiction" oder "From Dusk Till Dawn". Für mich einer der persönlichen Klassiker schlechthin. Ich liebe den Soundtrack, den Score von Zimmer und die Darsteller.

    Sollte ich auch einmal wieder einlegen.

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  2. Neben The Last Boy Scout das Beste, was Tony Scott jemals gedreht hat. Allerdings geht bei beiden Filmen ein erheblicher Anteil des Erfolges an den jeweiligen Drehbuchautor. Und in der Tat wäre der Film in der von Tarantino vorgesehenen unchronologischen Abfolge noch interessanter. Wenn ich mich recht erinnere, hat sich Tarantino distanziert von TR (wie auch von NBK): Die Filme hätten nur noch wenig mit dem zu tun, was er sich vorgestellt hatte...

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