14. Oktober 2007

Snow Cake

Have you ever had an orgasm?

Mal wieder ein Film, denn ich gerne im Kino gesehen hätte, aber nicht konnte, da er kaum - und wenn, dann nicht lange - lief. Aber das ist meistens das Schicksal der guten Filme. Je besser der Film, desto weniger Leute wollen ihn sehen. Der Mensch ist ein anspruchsloses Wesen und will ebenso anspruchslos unterhalten werden (zum Glück gibt es für solche Menschen Personen wie Michael Bay). Vor allem in Amerika wissen Menschen gute Filme nicht zu schätzen, da ist es wahrhaft erschreckend, dass Snow Cake in den USA nicht einmal zwei Prozent seines Gesamteinspiels (lächerliche $25,000) erwirtschaften konnte. Und beinah noch erschreckender ist, dass es weltweit keine anderthalb Millionen waren. Eine schallende Ohrfeige für die Macher dieses bezaubernden kleinen Films mit seinen exzellenten Darstellern. Bedauerlich, dass Filmen um kämpfende Roboter das Geld in den Rachen geschmissen wird, während wirklich gute Filme Existenzkämpfe führen müssen. Auch wenn das internationale Einspiel genauso enttäuschend ist, beweist Snow Cake, dass Nichtamerikaner 50 Mal mehr Geschmack haben als Amerikaner.

Der introvertierte Alex (Alan Rickman), frisch aus dem Gefängnis wegen Mordes entlassen, trifft in einem Diner in Kanada auf die quasselige Vivienne (Emily Hampshire), welche in den beschaulichen Ort Wawa mitgenommen werden möchte. Alex zeigt zuerst keinerlei Interesse an dem jungen Ally-Sheedy-Verschnitt, erklärt sich anschließend jedoch bereit, sie auf seinem Weg nach Winnipeg mitzunehmen. Das Eis bricht bald und beide verstehen sich immer besser - bis kurz vor der Ankunft in Wawa Alex’ Wagen von einem Laster gerammt wird. Während er ohne Kratzer davon kommt, erliegt Vivienne ihren Verletzungen. Von Schuldgefühlen geplagt will Alex Viviennes Mutter Linda (Sigourney Weaver) seine Mitleidsbekundungen ausdrücken. Nur um festzustellen, dass es sich bei Linda um seine allein lebende Autistin handelt. Da Vivienne ihr im Haushalt geholfen hat und Alex von Gram erfüllt ist, erklärt er sich bereit, Linda wenige Tage beizustehen, um das Begräbnis auszurichten und den Müll rauszubringen. Dabei lernt Alex dann Lindas Nachbarin Maggie (Carrie-Anne Moss) kennen und wenig später lieben.

Wenn die Leute Autismus hören, dann denken viele wohl direkt an Rain Man. Ironischerweise referiert auch eine Figur in Snow Cake diesen Film, wenn sie Alex gegenüber erwähnt, dass sie alles über Autismus weiß, schließlich habe sie diesen speziellen Film gesehen. Und in der Tat kommt Linda im Film so daher, wie man es aus Rain Man gewohnt ist, denn sie ist ein Ordnungsfanatiker. Die Schuhe müssen ausgezogen und parallel zueinander an einer bestimmten Stelle aufgestellt sein, bei Umarmungen ist das Berühren durch Hände verboten und in die Küche darf keiner, da Linda jedes Detail überprüfen muss, egal ob sie selbst in der Küche war oder nicht. Zudem ist sie in alles Glitzernde vernarrt, ebenso wie in den Schnee und ihr heiß geliebtes Trampolin. Als Alex mit all dem zum ersten Mal konfrontiert wird, hält er es für eine Schockreaktion, verursacht durch den Tod der Tochter. Unsicher wie er reagieren soll, will Alex Linda unterstützen und ihr zur Hand gehen, so gut er kann. Das es sich hierbei um seine Schuldgefühle handelt, wird besonders später, wenn sein Geheimnis gelüftet wird, zumindest für seine Figur essentiell sein.

Snow Cake ist eine Geschichte von Akzeptanz - um die von Personen, Verlust, Schuldgefühlen, Eigenschaften und mehr. Drehbuchautorin Angela Pell hat Aspekte der Handlung der Beziehung zu ihrem eigenen autistischen Sohn nachempfunden und die Figur des Alex Alan Rickman auf den Leib geschrieben. Dieser ging mit dem Drehbuch bei seiner Galaxy Quest-Partnerin Sigourney Weaver hausieren und gewann sie für die Rolle der Linda – beides eine hervorragende Wahl. Der ohnehin brillante Rickman geht in der Rolle des zurückgezogenen Alex auf und Weaver verleiht der Autistin Linda die nötige Wärme und Magie. Snow Cake ist eine ruhige, bewegende Geschichte mit vielen äußerst liebenswerten Szenen, welche mitunter einen wirklich guten Film auszeichnen. Einziger Störfaktor ist Alex’ Beziehung zur Dorfmatratze Maggie, da diese für die Handlung nicht unbedingt wichtig ist, da was sich aus ihr ergibt sowie ihre ganze Konstellation dem Ganzen einen unglaubwürdigeren Touch verleiht (auch wenn Moss ihre Rolle ebenfalls überzeugend ausfüllt). Snow Cake ist ein wunderschöner kleiner Film, bestens geeignet für verschneite Sonntage.

7/10

2 Kommentare:

  1. Krass, ich nehme mir 2 Wochen vor, den mal schauen zu wollen, da ich ihn seinerzeit auf der Berlinale völlig übersehen und dann vergessen hatte. Ich habe den Text mal NOCH nicht gelesen, werde das aber nachholen. Die Wertung klingt ja schonmal gut.

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  2. kann mich der wertung anschliessen, ich fand "snow cake" auch sehr sehenswert, alan rickman sowieso. und gerade gegen ende des films wurde ein paarmal musik einfach wunderbar eingesetzt. sowas ist bei mir ja immer ein sehr großes plus.

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