9. Januar 2009

The Godfather: Part III

Just when I thought I was out… they pulled me back in.

“I totally resisted the thought of there being a third one”, erklärte Regisseur Francis Ford Coppola im Audiokommentar zu The Godfather: Part II. Nichtsdestotrotz kam es 1990 zum Abschluss der Familientrilogie rund um Michael Corleone. Was war passiert? Obschon die Fortsetzung des Meisterwerkes von 1972 an den Kinokassen nicht ansatzweise so erfolgreich war wie ihr Vorgänger, war The Godfather weiter ein enorm reizvolles Produkt für die Paramount. Nachdem man Coppolas Wunschprojekt Tucker: The Man and His Dream über dessen persönlichen Helden Preston Tucker finanziert hatte, erhoffte sich Paramount vom Regisseur eine Bringschuld. Zudem erhöhte man den Anreiz für den Italo-Amerikaner, indem man ihm fünf Millionen Dollar Gage und eine 15-prozentige Gewinnbeteiligung versprach. Für Coppola, der sich damals in Rom aufhielt und an seinem scheinbar unverfilmbaren Projekt Megalopolis arbeitete, war dies die Wende.

Wahrscheinlich die beste Lösung für alle Beteiligten, stand zeitweise doch im Raum, Sylvester Stallone nicht nur eine Rolle im Film zu geben, sondern ihm sogar die Regie anzuvertrauen. Doch bevor man Coppola an die Arbeit ließ, äußerte das Studio zwei unveränderbare Anforderungen. Die erste war, dass der Film Weihnachten 1990 in die Kinos kommen sollte. Weniger als Analogie zum Start-Termin des zweiten Teils, sondern damit Paramount noch einen Hit für ihren 1990er Aktienkurs generieren konnte. Die andere Forderung wird ein Regisseur in Hollywood weder damals noch heute besonders oft zu Ohren bekommen haben: der fertige Film dürfe nicht weniger als 140 Minuten Laufzeit haben. In Zeiten wo Ridley Scott seine fertigen Schnitte stets nur auf DVD rausbringen darf, mutet dies fast wie eine Legende an. Obschon Coppolas Name Coppolas durch seine Filme der 80er etwas gelitten hat, lockte The Godfather weiterhin eine Vielzahl von Hollywoods Schauspielern.

Als Wunschbesetzung für die Rolle von Mary Corleone hatte Coppola stets Julia Roberts im Blick. Zweimal wurde Roberts der Part angeboten – beide Male war sie anderweitig beschäftigt. Stattdessen wurde Winona Ryder engagiert, ehe das eintrat, was dem Film das Genick brechen sollte. Ryder sagte ihr Engagement für Edward Scissorhands ab – nur 24 Stunden vor ihrem ersten Drehtag. Statt auf vom Studio favorisierte Darstellerinnen wie Madeline Stowe auszuweichen, besetzte Coppola die Rolle von Michael Corleones Tochter mit der besten Schauspielerin, die er sich denken konnte (O-Ton Coppola): seiner Tochter Sofia. Die heutige Oscarpreisträgerin für ihr Drehbuch zu Lost in Translation war keine ausgebildete Schauspielerin und ihre Besetzung für die Medien ein mittlerer Skandal. Auch Al Pacino und Diane Keaton äußerten ihren Missmut und was folgte, bezeichnet Regisseur Coppola im Nachhinein als „Verschwörung“ gegen seine Person.

Die attraktivste Rolle neben der von Al Pacino war Vincent Mancini, Sonnys unehelicher Sohn und neuer Protege des Don. Unter anderem Alec Baldwin, Charlie Sheen und Val Kilmer hatten für die Rolle vorgesprochen, die letztlich an Andy Garcia ging. In Nebenrollen sind außerdem Bridget Fonda und Eli Wallach zu sehen. Aufgrund finanzieller Differenzen wurde Robert Duvall aus dem Drehbuch geschrieben, da er dieselbe Gage wie Al Pacino gefordert hatte. Innerhalb von sechs Wochen schrieb Coppola mit Mario Puzo das Drehbuch und nach vier Monaten Drehzeit war der dritte Teil der Trilogie im Kasten. The Godfather: Part III spielte in den USA gerade einmal seine Kosten wieder ein, weltweit waren es 130 Millionen Dollar. Kein finanzieller Reinfall, aber nicht der erhoffte Blockbuster. Obschon die Kritiker den Film geißelten, erhielt er im Jahr darauf sieben Oscarnominierungen, darunter als bester Film sowie für Regie und Drehbuch – er ging jedoch leer aus.

Seine Trilogie bezeichnet Coppola selbst als zwei Filme und einen Epilog. Dementsprechend beginnt dann auch der dritte Teil, den der Regisseur nie The Godfather: Part III sondern lieber The Death of Michael Corleone nennen wollte. Das alte Anwesen am Lake Tahoe ist überflutet, die Corleones wohnen längst nicht mehr hier. “The only wealth in this world is children”, erklärt Michael (Al Pacino) aus dem Off, während man auf einem Foto seine Kinder sieht. Dann folgt ein Schnitt und der Film beginnt zu sein, was er im Grunde ist: ein Remake. Eine religiöse Prozession bildet den Auftakt für das Geschehen, in New York erhält Michael das St. Sebastians-Kreuz vom Vatikan. Die Zeremonie wird in das Loft der Familie verlegt. Zu den Klängen einer italienischen Tarantella empfängt Michael verschiedene Bittsteller und Geschäftspartner. Darunter auch der langjährige Familienfreund Don Altobello (Eli Wallach), aber auch Straßenganove Joey Zasa (Joe Mantegna).

Zasa ereifert sich gegenüber Michael bezüglich dessen Neffe Vincent Mancini (Andy Garcia), der aus der Liaison zwischen Sonny und der Brautjungfer seiner Schwester hervorgegangen ist (obschon dies chronologisch laut Puzo nicht möglich ist). Die Animositäten zwischen allen Beteiligten werden offensichtlich und des Nachts wartet auf Vincent auch schon ein Mordkommando zu Hause. Dem kann er zwar entgehen, doch der Konflikt ist noch nicht begraben. Als Michael das Familiengeschäft endlich legitim machen will, eröffnet er Erzbischof Gilday (Donal Donnelly) seine Offerte von 600 Millionen Dollar um der finanzschwachen Vatikanbank und deren Unternehmen Immobiliare auf die Beine zu helfen. Als er seinen Mafiakollegen das Stück vom Kuchen versagen will, insbesondere Zasa, kommt es zum Eklat. Zwar überlebt der Pate das Attentat auf seine Person, doch der Niedergang aller Beteiligten hat hier erst seinen Anfang gefunden.

Der Film selbst ist, wie es Gabriele Weyand treffend schreibt, „eine Wiederholung bereits gesehener Ereignisse“ (vgl. Weyand, S. 201). Noch weitaus offensichtlicher als bereits The Godfather: Part II kopiert Coppola die Handlung des Originals. „Der Film quillt über vor inhaltlichen Entsprechungen mit den vorhergehenden Teilen“, resümiert Weyand (ebd.). Dies fängt an beim Beginn der italienisch geprägten Zeremonie mit Geschäftsterminen und mündet im Familienfoto, das erst geschossen wird, als der „alte“ Don den designierten Don hinzuholt. Während Pacino den Part von Marlon Brando aus dem ersten Teil übernimmt, schlüpft Garcia in die Rolle von Pacino. Die bewusste Kopie des Originals geht sogar so weit, dass Coppola den Mord von Vincent an Zasa genau an dieselbe (zeitliche) Stelle setzt, wie Michaels Ermordung von Sollozzo in The Godfather. Jene Mordszene wiederum findet ihren Ursprung im zweiten Teil, wenn Zasa wie einst Don Fanucci bei einer religiösen Festivität in seinem eigenen Viertel erschossen wird.

Auch die Bittsteller der Bewohner des Viertels an Vito im zweiten Teil finden ihr Echo, wenn Martin Scorseses Mutter auf Vincent zugeht und sich über den Zustand in der Nachbarschaft beklagt. Andere Parallelen wie Vincents Rachemord für den Anschlag auf den Paten und die Verstimmung des Paten auf jene von ihm nicht bewilligte Tat sind ebenso augenscheinlich. Dass im Finale die obligatorische Montageszene der zahlreichen Liquidierungen nicht fehlen darf, versteht sich bei den vorangegangen Ausführungen von selbst. Coppola und Puzo waren nicht in der Lage, mit einem neuen Grundgerüst aufzuwarten, weder für den zweiten noch für den dritten Teil – ein Zeichen der Schwäche der Fortsetzungen gegenüber dem Original. Zwar lobt Tookey, dass der dritte Film “plotwise, the most grandiose of the Godfather trilogy” sei (vgl. Tookey, S. 307), jedoch trifft dies nur dahingehend zu, dass man sich nicht in etwaigen parallelen Erzählsträngen zu verlieren droht.

Dabei ist von allen Godfather-Teilen der dritte sicher der Persönlichste des Regisseurs. “I at this point was very much like Michael Corleone”, gesteht Coppola im Audiokommentar. Und zumindest die familiären Parallelen sind unübersehbar. Nicht nur wird Michaels Tochter Mary Corleone von Coppolas eigener Tochter Sofia gespielt, sondern Michael Schwester Connie wird erneut von Coppolas wirklicher Schwester Talia Shire portraitiert. Somit übernimmt Michael quasi den Part, den Coppola für sich selbst vorbehalten hatte. Ohnehin hatte dieser die Godfather-Werke stets als Filme von einer Familie über eine Familie angesehen. Die Inspiration für die verbotene Liebesbeziehung zwischen Mary und Vincent findet ihren Ursprung somit selbstverständlich auch im Stammbaum der Coppolas. Seine Urgroßmutter hatte sich einst ihre Nase beim Stricken infiziert, weil sie sich mit der Häkelnadel zu kratzen pflegte. Als die Nase amputiert werden musste, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihren Cousin zu heiraten (was seine Ursache im traditionellen maritimen Familienbrauch im 20. Jahrhundert findet).

Das erklärt, wieso Coppola wenig missbilligend diese „verruchte“ Affäre bewertet. Auch Michaels Diabetes ist kein zufälliger Aspekt, sondern an die Erkrankung von Augusto Coppola angelehnt, Francis’ Großvater, der dadurch schließlich erblindete. Zum letzten Mal komponierte Carmine Coppola für The Godfather: Part III die Musik, ehe er an einem Herzinfarkt verstarb. Coppola zufolge sei dies während der Oscarverleihung 1991 geschehen, als Carmine bei der Auszeichnung übergangen wurde. Die letzte tragische Analogie findet sich im Finale des Films, wenn Michael vor dem toten Körper seiner Tochter ausharrt und vor seelischen Schmerzen schreit. Vier Jahre zuvor hatte Coppola seinen ältesten Sohn Gian-Carlo bei einem Motorboot-Unfall verloren. Der stolze und bisweilen narzisstische Italo-Amerikaner nutzt somit – wie so oft – seine Filme für eine Art innerliche „Beichte“ oder Bewältigung.

Den Großteil der Kritik entfiel auf Coppolas Besetzung seiner eigenen Tochter. Ganz speziell erregte dies die Gemüter, da Sofia Coppola keine ausgebildete Schauspielerin war. Dass sie Coppola als Inspiration für die Figur der Mary Corleone gedient hatte, ändert an ihrem nicht vorhandenen Talent wenig. “It’s a decision that I never regret”, blickt der Regisseur auf seine Entscheidung damals zurück. Diese lässt sich, wie all sein Lob für seine Tochter im Audiokommentar zweifelsohne auf die Liebe eines Vaters für sein Kind zurückführen. Eine rationale Bewertung scheint ihm hier nicht möglich. Den Film jedoch aufgrund von Sofias Leistung schlecht zu reden und ihr zwei Goldene Himbeeren zu verleihen, ist des Missmuts etwas zu viel. Tookey erkennt zurecht, dass das große Problem weniger in ihrem Schauspiel liegt, als daran, dass ihre Figur “grievously undercharacterized” ist (vgl. Tookey, S. 307). Während ihr Bruder Anthony (Franc D’Ambrosio) seinen Unmut gegenüber den Geschäften seines Vaters zum Ausdruck bringt, erfährt man von Mary nicht, was sie über dessen Mafia-Aktivitäten denkt.

Weitaus gravierender ist da nur noch die Tatsache, dass der Zuschauer nicht erklärt bekommt, was Mary eigentlich zum rabiaten Vincent hinzieht. Die Affinität scheint einfach da zu sein und führt schließlich zu jener Konstellation, die für alle Beteiligten ein dramatisches Ausmaß erreicht. Wie erwähnt trifft es dabei durchaus zu, dass Sofia Coppola in den meisten Szenen offen an den Tag legt, dass sie kein Talent für die Schauspielerei besitzt, jedoch ist ihre Rolle für den Grundgehalt des Films so minimalistisch und unbedeutend – Vincent und Michael nehmen den Großteil der Handlung in Anspruch –, dass der Film selbst nicht an ihr scheitern könnte. Es war sicherlich das Beste für die Kinolandschaft, dass Sofia Coppola keine Schauspielkarriere anstrebte, wer sein Urteil über den Film jedoch anhand ihrer Darstellung fällt, tut niemandem einen Gefallen.

Großes Lob verdient jedoch die Einbindung des Skandals um die Vatikanbank von 1979 in das Godfather-Universum. Inwieweit hier von Authentizität gesprochen werden kann, sei dahingestellt, seinen Zweck erfüllt die Idee allemal. Nach Vergebung lechzend zeugt es von bitterer Ironie, dass ausgerechnet die Kirche ihm den letzten Schlag versetzen soll, wenn alle Spieler zum Finale hin ihre Position einnehmen. Dass Coppola hierbei erneut den Fehler begeht, Michael durch seine Antagonisten positiver darzustellen als ihm gebührt, trübt jedoch erneut ein wenig das Bild. Immerhin gehen diese beiden Handlungselemente Hand in Hand, sodass ein stimmigeres Bild erzeugt werden kann, als noch beim Vorgänger der Fall. Unterstützt wird dies insbesondere durch die Darstellungen von Donal Donnelly (Gilday), Raf Vallone (Lamberto), Helmut Berger (Keinszig) und Enzo Robutti (Lucchesi).

Wie auch schon in den Vorgängern bekommt auch Diane Keaton ihre Momente, in denen sie ihr Talent abrufen konnte –  allerdings erhält sie hier erneut wenig Leinwandzeit. Al Pacino überzeugt als müder und kränkelnder Don, der des Geschäfts überdrüssig wird, während Eli Wallach und Andy Garcia durch ihr übertriebenes Spiel glänzen. Dies ist im Falle von Wallach noch relativ gemäßigt, nimmt bei Garcia jedoch oft lachhafte Ausmaße an. Der Virgin Film Guide spricht von “one of the most frustrating films of 1990” (vgl. Virgin, S. 292) und vergibt nur die Hälfte der Punktzahl der Vorgänger. Möglich, dass Frustration hier mit Enttäuschung verwechselt wurde, ist The Godfather: Part III per se kein schlechter Film. Schauspielerisch solide und inhaltlich durchaus packend muss man ihm lediglich zum Vorwurf machen, dass er versucht, nichts Neues zu erzählen und stattdessen zu einem „Best Of“ der Vorgänger verkommt. So ist der Abschluss der Trilogie besser als sein Ruf, aber dabei zugleich nicht sonderlich herausragend.

7.5/10


Verwendete Literatur:

• Audiokommentar von Francis Ford Coppola, The Godfather: Part III –The Coppola Restoration, Paramount Pictures 2008.
• o. A.: Artikel “The Godfather, in: The Eighth Virgin Film Guide, London 1999, S. 291.
• Tookey, Christopher: The Critic’s Film Guide, London 1994.
• Weyand, Gabriele: Der Visionär. Francis Ford Coppola und seine Filme, St. Augustin 2000.

5 Kommentare:

  1. Wie schreibst du bei mir immer so schön: "Ich habe jetzt leider keine Zeit zu lesen, aber das ist ja mal wieder eine Menge Holz." :D Ich les das dann heute abend mal in Ruhe, auf den ersten Blick ist mir die Wertung ein wenig zu niedrig...

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  2. So gelesen:

    stand zeitweise doch im Raum, Sylvester Stallone nicht nur eine Rolle im Film zu geben, sondern ihm sogar die Regie anzuvertrauen.

    Das ist doch ein Scherz???

    Den Film jedoch aufgrund von Sofias Leistung schlecht zu reden und ihr zwei Goldene Himbeeren zu verleihen, ist der Missmuts dann etwas zu viel.

    Word!

    Ok, also ich kann dem Ganzen eigentlich noch nicht mal groß wiedersprechen. Ich hätte wohl durchaus noch einen Punkt mehr vergeben, eben weil ich viele der von dir aufgrzählten "Schwächen" nicht ganz so schwer bewerte wie du. Aber ansonsten...

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  3. Das ist doch ein Scherz???

    Seh grad, dass ich den Beleg nicht dazu geschrieben habe. Wäre vielleicht besser gewesen. Das stimmt, man hat zeitweise darüber nachgedacht, ob Stallone das regeln soll. Unglaublich aber wahr :)

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  4. Ich sagte ja schon immer: Fortsetzungen sind überflüssig.;) Auch wenn ich ihn wirklich nicht schlecht finde, gerade die Inszenierung des Finales für besonders gelungen halte, hätte ich ihn sogar noch einen halben Punkt weniger gegeben. Aber das resultiert ja nur aus unseren verschiedenen Bewertungsphilosophien.:D

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  5. Ich habe den Film zwar schon länger nicht mehr gesehen, meine mich aber zu erinnern ihn ähnlich bewertet zu haben. Konnte die teils desaströsen Kritiken auch nie verstehen.

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