4. November 2009

Moon

Perhaps you’re imagining things.

Der Weltraum. Unendliche Weiten, wie es so schön in Gene Roddenberrys Kultserie Star Trek hieß. Als Mutter aller Weltraumfilme gilt im Grunde Ridley Scotts Alien mit dem plakativen Untertitel, dass einen im Weltraum keiner Schreien hören könne. Nun gibt es mit Alien Filme, die ganz neue Grenzen unseres Universum ausloten, aber auch Filme wie Event Horizon oder 2001: A Space Odyssey, die sich mit Reisen zu unseren Gasriesen begnügen. Während Danny Boyle in Sunshine vor zwei Jahren eine Mission gen Sonne schickte, beschränkt sich der britische Regisseur Duncan Jones dieses Jahr auf den Erdtrabanten. Warum in die Ferne schweifen? - scheint das Motto hier gewesen zu sein. War der Mond zuvor hauptsächlich zum Zielobjekt für Filme über die Apollo-Missionen geeignet, etabliert Jones mit Moon nun seine eigene kleine persönliche Hommage an die Science-Fiction-Filme seiner Jugend auf dem Trabanten. Dabei finden sich viele Referenzen zu Genrekollegen wie 2001, Outland oder Silent Running.

Nun sollte man auf dem Mond allerdings keinen Luna-Park erwarten, wie man ihn in Matt Groenings Futurama beobachten konnte. Der Trabant ist und bleibt eine ziemlich trostlose Umgebung, die für die Erde den einzigen Zweck hat, das Energieprodukt H3 abzubauen. Passender- bzw. etwas überraschenderweise langt für dessen Abbau eine einzige Person, was bei einer Mondfläche von beinahe 38 Millionen km² doch verwundert. So verkommt Sam Bell (Sam Rockwell) zum Mann im bzw. auf dem Mond, der die letzten Wochen seines Drei-Jahres-Vertrags zu überstehen versucht, ehe er zurück zu Frau und Kind auf die Erde darf. Sams Arbeit ist einfach, muss er doch lediglich gelegentlich raus zu den „Erntefahrzeugen“ fahren, um dort die H3-Behälter einzusammeln und von seiner Basis aus nach Hause zu schicken. Doch in den letzten zwei Wochen stellen sich leichte körperliche Beschwerden bei Sam ein, die schließlich in einen Unfall im Mondbuggy münden. Als er in seiner Basis erwacht und sich zurück an die Unfallstelle bemüht, trifft er auf einen weiteren Verletzten, der nicht nur genauso aussieht wie Sam selbst, sondern auch Sam zu sein scheint.

Im Folgenden gilt es für die beiden Sams jeweils zu begreifen, was genau vor sieht geht und wie es sein kann, dass das, was passiert, auch tatsächlich passiert. Ist einer der beiden eine Manifestation des Anderen und wenn dem so ist, wer manifestiert dann wen? Auch die künstliche Intelligenz GERTY (gesprochen von Kevin Spacey) kann oder will nicht wirklich weiterhelfen, was die Lage für Sam und Sam nicht verbessert. Was Moon nun von einem Film wie Sunshine unterscheidet, ist dass Jones gar nicht erst versucht, großartig das Thriller-Element in seine Handlung zu integrieren. Bereits nach einem Drittel des Filmes mehren sich die Verdachtsmomente, die schließlich zehn Minuten später fast von GERTY verifiziert werden. “Here, talking to a clone. That's slightly troubling”, meint einer der Sams, um vom anderen entgegnet zu bekommen: “I'm not a clone. I'm not a clone. You're the clone.” Wo sich ein anderer Regisseur dafür entschieden hätte, das mindfuck-Moment (Klon? Manifestation?) stärker zu gewichten, beschränkt sich Jones darauf, die Realisierung der Identität der Sams in den Vordergrund zu stellen.

Insofern verfügt Moon über keinen wirklichen Spannungsbogen, da es nicht gilt von einem Ereignis A zu einem Ereignis B zu gelangen. Stattdessen fängt Jones, studierter Philosoph, ausschließlich die Reaktion zweier Menschen ein, die feststellen, dass ihr ganzes Leben eine Lüge ist. Gerade die vielfältigen Analogien zu den oben genannten SF-Werken, aber auch literarischen Vorvätern wie Philip K. Dick, lassen das Herz eines jeden SF-Fans aufgehen. Jones, der nicht müde wird im Bonusmaterial und den beiden Audiokommentaren (die teilweise aufeinander verweisen, ohne dann die jeweiligen Stellen zu füllen, stattdessen meist deckungsgleich sind) zu erwähnen, dass Moon lediglich fünf Millionen Dollar verschlungen hat. Und damit zehn Mal weniger als Sunshine, der von vielen als Independent-Sci-Fi angesehen wird. Den einzigen Aspekt, den Jones noch öfters betont, ist Sam Rockwell, dem das Drehbuch auf den Leib geschrieben wurde. Insofern sind die Audiokommentare, das Making-Of und die Q&A's zwar inhaltlich leichte Zeitverschwendung, lassen Jones jedoch dennoch als sympathischen Menschen rüberkommen.

Clint Mansell untermalt hierbei die Bilder fast schon erstaunlich ruhig mit spielerischen Klängen, die sich gerade in der Exposition mit den wunderbar photographierten Bildern der Mondoberfläche verbinden. Jones ist ein überzeugender SF-Film gelungen, der durchgehend die nötige Weltraumatmosphäre - weniger in Bezug auf den Weltraum, denn auf das Genre - zu erzeugen weiß. Schauspielerisch überzeugt auch Sam Rockwell in seiner Doppelrolle, selbst wenn die euphorischen Bekundungen im Trailer etwas über das Ziel hinausschießen. Heimlicher Star ist zudem Spacey, der den gerade in der zweiten Hälfte sympathisch verunsicherten GERTY mit entsprechendem Leben einhaucht. Erfreulich ist auch, dass Moon durchweg seinen ruhigen und besonnen Charakter beibehält, ohne wie Sunshine in seinem Finale in ein Horror-Schema zu verfallen. Im Gegenteil, Jones inszeniert als wäre dies alles, aber nicht sein Spielfilmdebüt. Und insofern ist sein Debütfilm nicht nur ein viel versprechender Start in eine hoffentlich erfolgreiche Karriere, sondern auch einer der stärksten Beitrage innerhalb seines Genres.

8.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision

4 Kommentare:

  1. Klingt sehr gut. Freue mich drauf!

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  2. Wie würdest du ihn einordnen? Puristischer Sci-Fi? Oder Genre-Mix??

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  3. Ach, und ich würde vehemment dagegensteuern, wenn du wirklich behauptet, "2001" "begnüge sich mit der Reise zu den Gasriesen".

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  4. Sai-Fai Psycho-Drama, würde ich sagen. Manch einer könnte es auch Thriller nennen. Und das mit 2001 und den Gasriesen war ja keine Inhaltsangabe, sondern eine Routenberechnung wenn man den so will.

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