14. September 2008

Shuttle

If you ever wanna see your family again, you better grow some balls.

Alles was sie wollten, war in einem Stück zu Hause anzukommen. So reißerisch beginnt der Trailer zu Shuttle, dem Regiedebüt von Edward Anderson und lässt zugleich vermuten, dass es im Film keine Selbstverständlichkeit werden wird, in einem Stück zu Hause anzukommen. Wenn zwei Freundinnen nach einem Wochenende in Mexiko vom LAX einfach nur nach Hause wollen, könnte das um zwei Uhr Nachts schon ein Problem werden. Oder nicht? So leer hat man den Flughafen von Los Angeles jedenfalls noch nie gesehen, auch nicht um zwei Uhr nachts. Dank strömendem Regen wollen die beiden Freundinnen Mel (Peyton List) und Jules (Cameron Goodman) sich mit einem Shuttlebus Downtown begeben. Nur sind jene Shuttles auch komischerweise rar gesät, den einen Bus, denn sie hatten, verlieren sie dann auch wieder. Ein anderer Fahrer (Tony Curran) bietet ihn an für die Hälfte des Geldes die gleiche Strecke zu fahren. Wie sich das für Opfer in Horrorfilmen gehört, fällt hier noch nicht der Groschen. Auch nicht als der Fahrer zwei andere Jugendliche abschmettern will, da seine Politik es nur sei drei Gäste mitzunehmen. Da sich die vier jungen Menschen jedoch zuvor bereits flüchtig kennengelernt haben, dürfen Seth (James Snyder) und Matt (Dave Power) doch noch mit in den Bus. Die Fahrt beginnt und endet schon bald in einem Umweg durch das Ghetto. Als dann auch noch ein Reifen platzt, geht der Horror los.

Anderson macht es sich einfach, indem er seinen Horror die meiste Zeit auf den Innenraum des Shuttlebuses beschränkt. Dass sich der Fahrer zum Antagonisten wandelt dürfte lediglich die Filmopfer überraschen. Was sich zuerst wie ein Raubüberfall anmutet, entpuppt sich dann jedoch als mehr. Der Fahrer hat eine Agenda, will sie seinen Opfern jedoch nicht verraten. Der verschüchterte Familienvater Andy (Cullen Douglas) glaubt jedenfalls, dass ihnen allen nichts passieren wird. Eine These, die er alleine teilt. Immer wieder bleibt der Bus stehen, während die Jugendlichen versuchen eine Fluchtmöglichkeit zu finden. Was wie eine willkürliche Fahrtroute wirkt, entpuppt sich im Nachhinein sehr viel geordneter, als es der Moment vermuten lässt. Interessanterweise findet in Shuttle eine gewisse Umkehr statt. Während der Licht durchflutete Innenraum des Shuttles den „Horror“ birgt, lauert außerhalb im Dunkel des Ghettos die eigentliche Freiheit. Doch die Chancen zur Flucht verpuffen alle, doch es gibt sie. Wie sich das gehört, für einen ordentlichen Horrorfilm. Anderson bedient hier alle Klischees des Genres und arbeitet dessen Konventionen systematisch ab. Stück für Stück. Da darf natürlich auch die klassische Szene nicht fehlen, in welcher das Opfer kurzzeitig die Kontrolle gewinnt und seinen Peiniger in Gewahrsam hat. Es muss hier natürlich an seiner Moralität scheitern. Wieso auch einen Soziopathen erschießen oder zumindest anschießen? Oder ihn aus dem Bus schmeißen? Oder überhaupt etwas tun, was nur halbwegs logisch wäre? Das wäre natürlich zu einfach, dann wäre der Film ja schon vorbei. Zudem liegt hier ja das Spannungsmoment. Opfer erhält die Überhand. Opfer verliert die Überhand. Und das ganze Spiel geht dann noch ein-, zweimal so weiter.

Beginnt Shuttle durchaus gut und ist in seiner ersten halben Stunde von einer gewissen Intensität geprägt, so beginnt der Film mit dem geplatzten Reifen im Ghetto selbst ins Straucheln zu geraten. Fortan gelingt ihm etwas, was selten ist im Filmgeschäft. Er wird kontinuierlich schlechter. Nicht auf einmal, sondern peu a peu, mit jeder Minute ein bisschen mehr. Der Spannungsaufbau lässt nach, was unter anderem dadurch geschuldet ist, da man merkt, dass insbesondere Mel strunzdoof ist und sich erahnen lässt, dass ihr Schicksal zu diesem Zeitpunkt bereits besiegelt ist. Und wenn man es mit so dummen Figuren zu tun hat, fällt es einem schwer wirklich mit ihnen mitzuleiden. Löblich, dass Anderson wie andere seiner Kollegen (z.B. Jonathan Levine in All the Boys Love Mandy Lane) versucht bei seinem ersten Kinofilm ja nichts falsch zu machen, indem er alles so macht, wie hunderte seiner Kollegen zuvor. Dann darf er jedoch auch nicht erwarten, dass sein Film wirklich gelingt. Denn leider geht Shuttle jegliche Innovation ab, hier finden sich keine eigenständigen neuen Ideen, nichts was man lobenswert auf Andersons Seite niederschlagen könnte. Ohnehin scheint das innovative Horrorkino in einer Ebbe zu liegen, da auch jene Wendungen, die Shuttle einschlägt, in dieser Form bereits haufenweise dagewesen sind. Man entlarvt Andersons Werk somit relativ früh, auch wenn das finale Motiv lange Zeit nicht wirklich absehbar ist – was es jedoch keine Spur kreativer macht. Dass es in den letzten Jahren an ideenreichen Horrorfilmen fehlt, merkt man auch an der neuen Welle des Gewaltkinos aus Frankreich, die sich jedes Jahr (À l’intérieur, Martyrs) versuchen in ihrer expliziten Brutalität nochmals zu überbieten.

Da Anderson durch seine Geschichte keinen Preis gewinnen kann, muss sein Film auf anderer Ebene punkten, doch auch im technischen Bereich beeindruckt der Newcomer durch Eindruckslosigkeit. Die Einstellungen, in denen er sich oft der Nahaufnahme bedarf, sind meist nicht unbedingt günstig gewählt um die Stimmung im Shuttlebus zu transferieren. Hier merkt man, dass der Amerikaner noch nicht viel Erfahrung hinter der Kamera hat. Dabei ist ihm seine Besetzung der Figuren immerhin relativ gut gelungen. Hier hebt sich besonders Cameron Goodman hervor, die sich im Laufe des Filmes vom klassischen blonden Dummchen doch relativ tough entwickelt. Zumindest ist sie sich der Situation mehr bewusst als ihre intellektuellere Freundin Mel, die jedoch von Peyton List entgegen den Schwächen der Figur überzeugend verkörpert wird. Selbiges gilt auch für Cullen Douglas und Tony Curran, die ihre etwas eindimensionalen Figuren mit ihrer schauspielerischen Erfahrung ohne Probleme zu beherrschen wissen. Herzstück von Shuttle soll dann seine Auflösung sein, die sich erst in den letzten zehn Minuten offenbart und sich letztlich in der finalen Einstellung preisgibt. Über dieses Motiv ließe sich natürlich auch streiten, da es in der gezeigten Form nicht unbedingt plausibel und weit weniger ein „Schlag in die Magengrube“ ist, wie es die Macher zuvor angekündigt haben. Doch zu diesem Zeitpunkt, nach über neunzig Minuten, ist man schon froh, dass dieser Film endlich sein Ende gefunden hat, und jede Person das bekommen hat, was sie ihrem Verhalten zuvor nach im Grunde auch verdient hat. Vielleicht gelingt es Anderson ja bei seinem zweiten Film ein bisschen kreativer zu sein.

3.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen