4. Februar 2008

Casino Royale

Does it look like we need the money?

Sechs Worte, zwei Sätze und schon hat man Filmgeschichte greifbar nahe. Doch mit ebenjenen sechs Worten hat Daniel Craig in Casino Royale noch relativ wenig am Hut, denn die Hauptfigur ist per se nicht wirklich James Bond, sonder lediglich ein Jason Bourne-Verschnitt ohne Manieren. Das 21. Bond-Abenteuer stellt vielmehr etwas Neues dar, verkörpert durch die Besetzung mit Daniel Craig, in Großbritannien auf der Überholspur dank Filmen wie Layer Cake, in Hollywood noch auf Nebenrolle in Road to Perdition oder Lara Croft beschränkt. Viel wurde zuvor spekuliert, von Ewan McGregor über Hugh Jackman bis hin zu Robbie Williams zog man alle „britischen“ Mimen zwischen 25 und 45 in Erwägung, sogar der Kroate Goran Visnjic (ER) soll bis unter die letzten drei gekommen sein.

Mancher einer hatte sich den Wandel noch drastischer gewünscht, wie Ex-Bond Roger Moore, der Oscarpreisträger Cuba Gooding Jr. ins Spiel gebracht hat. Und vielleicht wäre ein so krasser Wandel auch recht interessant geworden, auch wenn man mit einem Chiwetel Ejiofur besser bedient gewesen wäre, aber ein farbiger Bond – warum nicht? Unter den Fans gab es eigentlich fast nur einen akzeptablen Anwärter für die Rolle des Spions ihrer Majestät: Clive Owen. Gutaussehend, smart und charmant, konnte er in Sin City beweisen, dass Action für ihn kein Hindernis darstellt. Doch es wurde weder ein farbiger Bond, noch der smarte Owen, Daniel Craig machte das Rennen und geht als erster blonder Bond in die Geschichte ein - was die Fans gegen ihn aufbrachte.

In Prag will sich ein Mann in seinem Büro mit seinem Kontaktmann treffen, doch dort wartet stattdessen ein britischer MI6-Agent namens James Bond (Daniel Craig). Dieser schaltet den Geschäftsmann aus und verdient sich damit seinen Status als Doppelnull ihrer Majestät. Bei seinem nächsten Einsatz in Madagascar kommt es dann nach einem halsbrecherischen Parkour-Lauf zu der öffentlichen Exekution eines Gefangen, was Bond bei seiner Vorgesetzten M (Judi Dench) starke Kritik einbringt. Während er vorerst beurlaubt wird, macht sich Bond auf zu den Bahamas, um dort seine Kontakte weiterzuverfolgen. Er stößt auf ein internationales Komplott einer geheimen Organisation, deren Terroranschlag er im letzten Moment verhindern kann, dabei seine Lizenz zum Töten freigiebig ausnutzend.

Wie sich herausstellt, hingen beide Aktionen, sowohl der versuchte Terroranschlag, als auch Madagascar, mit einem gewissen Le Chiffre (Mads Mikkelsen) zusammen, der als Buchhalter für die Terroristen dieser Welt arbeitet. Der MI6 will Le Chiffre als Zeugen vernehmen und plant ihn gegenüber seinen Arbeitgebern in die Ecke zu treiben. Bei einem Pokerturnier im Casino Royale in Montenegro soll Bond für den britischen Geheimdienst am grünen Tisch sitzen und Le Chiffre sein Terrorgeld abluchsen. Bereitgestellt wird Bond das Geld voms Schatzamt in Person der hinreizenden Vesper Lynd (Eva Green), in die sich Bond schneller als ihm lieb ist verguckt, während das Turnier gegen Le Chiffre nicht ganz die Wendungen nimmt, wie es sich der smarte Brite gewünscht hatte.

Für den neuerlichen Neuanfang entledigte man sich alter Gesichter, hieß jedoch auch Bekannte zurück. Wie bereits vor zehn Jahren mit Goldeneye oblag es erneut Martin Campbell, einen neuen Bond und mit ihm eine neue Reihe einzuführen. Verzichtet wurde dagegen auf Moneypenny sowie Q, und damit auch auf die für Bond-Filme üblich gewordenen Gadget. Alles was Bond jetzt noch bleibt ist ein handtaschengroßes Reanimationsset, den Rest erledigt er mit bloßen Fäusten. Denn auch wenn Die Another Day der erfolgreichste Bond aller Zeiten war, wurde der Ire Brosnan für zu alt befunden, um die Bourne-Groupies zu befriedigen. Stattdessen nun also Daniel Craig, der sich zu Beginn von Casino Royale sogleich in bester Bourne-Manier an einer Parcour-Verfolgungsjagd versuchen darf.

Dass das unglaubwürdig wirkt, wissen auch die Macher und lassen Bond hin und wieder straucheln, wenn er den Parcour-Mitbegründer Sebastien Foucan verfolgt. Nichtsdestotrotz fragt man sich hinterher, warum die beiden eigentlich bis auf den Kran hochklettern mussten, nur um anschließend wieder herunter zu springen. Aber irgendwie gehört das auch zu einem Bond-Film dazu, bedenkt man einen in der Antarktis Paragleitenden Brosnan. Der James Bond dieser Anfangssequenz ist wild und hart, rücksichtslos und unbarmherzig, wie ein aggressiver Rottweiler stürmt Craig herum und ist im Prinzip das, als was er später von seiner Vorgesetzten charakterisiert wird: eine stumpfes Werkzeug, gedacht und entwickelt zum Töten. Auch wenn Bond den 007-Status besitzt, ist er noch nicht 007, die Rolle scheint ihm augenblicklich noch zu groß zu sein.

Das scheint auch Vesper Lynd zu merken, die äußerst sexy von Eva Green dargestellt wird. Bond neckt sie zu Beginn wie ein kleiner Junge früher auf dem Pausenhof, Vesper lässt sich später schließlich auf dieses Spiel ein und so steigert sich das eine Weile, bis es von einem lebensgefährlichen Moment abgelöst wird. Ebenjener Moment - sehr viel besser geraten als die Actionszenen zu Beginn und zum Schluss des Filmes - zeigt auch Bond endlich, dass die Zeit Spielchen zu spielen vorbei ist. Dass es nunmehr nicht nur um die 150 Millionen, sondern auch um Leben und Tod geht. Bonds Beziehung sowohl zu seiner Aufgabe, als auch zu Vesper nimmt nun einen ernsteren Ton an und der Geheimagent beginnt seine ersten eigenen Schritte zu machen, wenn auch noch auf wackeligen Beinen.

Die Mitte von Casino Royale ist dabei ziemlich antiklimatisch gehalten, konzentriert sich das Geschehen schließlich lange auf das Pokerturnier, welches ausschließlich zwischen Bond und Le Chiffre stattzufinden scheint. Sehr nett geraten und besonders in einer Zeit wo man sich vor Poker kaum retten kann gut situiert, wird es in seinem Finale dann doch etwas übertrieben, wenn sich vier Spieler mit allesamt großartigen Händen begegnen, dabei die nächste immer noch den einen Tick besser als die vorherige. Da ohnehin nur Bond und sein Gegenüber beim Spielen gezeigt werden, ist dieser „Vierkampf“ sehr unnötig, zudem äußerst theatralisch geraten (denn wie hoch die Chancen sind, dass bei zwei Händen Full House und einem Flush dann auch noch ein Straight herausspringt...).

Doch auch das ist irgendwie Bond und in Bond-Filmen, die fernab jeglicher konventionellen Logik (siehe Parcour-Szene) spielen, nimmt man so etwas auch nicht allzu übel. Ebenjenes Mittelstück des Filmes, das in Montenegro spielt, ist auch am besten geraten, während die actionreichen Szenen zu Beginn und zum Ende etwas stören und eben allein für das Mainstreampublikum akzentuiert wurden. Was aus dem Film hätte werden können, hätte man ein Psychoduell am Tisch mit Ejiofur und Mikkelsen inszeniert, man will es sich gar nicht vorstellen und ist sich dann doch mit dem Gezeigten zufrieden. An und für sich ist Oscarpreisträger Paul Haggis jedoch ein durchaus passables Drehbuch gelungen, dass ein Die Another Day problemlos überflügelt. Interessant wird sein zu sehen wie Haggis seine Geschichte in Quantum of Solace weitererzählen wird.

Ohnehin hat man lange nicht mehr einen so guten Bond-Bösewicht gesehen, wie hier vom dänischen Star Mads Mikkelsen portraitiert. Dagegen verkommen ein Rupert Graves, Jonathan Pryce oder Robert Carlyle zu bloßen Witzfiguren, grandioser Höhepunkt vom Mikkelsenschen Schauspiel stellt dabei die Folterszene dar. Craig kann hier schauspielerisch zwar nicht mithalten, aber das wird von ihm als Bond auch nicht erwartet. Auch wenn Craig den Film die meiste Zeit alleine Schultern muss, da Haggis und Campbell den anderen Figuren, vielleicht abgesehen von Vesper, nicht sonderlich viel Raum zuordnen. M taucht lediglich hier und da sehr kurz auf und auch von Mikkelsen oder dem von Jeffrey Wright dargestellten Felix Leiter sieht man relativ wenig.

Ein richtiger Bond-Film ist Casino Royale aber dann doch nicht. Vielmehr stellt der Film eine Einführung, beziehungsweise Vorgeschichte zu Ian Flemmings legendärer Figur dar. „Wie wurde Bond zu Bond?“, lautet die Frage - mit Campbells Film als Antwort. Eigentlich ist Casino Royale fünfzehn Minuten zu lang geraten und das Finale wäre eine hervorragende Überleitung zum nächsten Film gewesen, doch dann wäre dieser Bond nicht das gewesen, was er nun darstellt: eine Übungseinheit. Am Ende des Filmes trifft M Bond gegenüber ein hartes Urteil: er habe seine Lektion gelernt, auf die er vor seiner Reise nach Montenegro noch angesprochen wurde. Die Erlebnisse würden sehr gut das Verhalten der früheren Bonds erklären und somit ist das Finale, trotz seiner Länge, vertretbar. Casino Royale ist kein Bond-Film, er ist die Vorbereitung auf einen Bond-Film.

Und wenn Craig auch als finale Bemerkung die klassischen sechs Worte sagen darf (“The name’s Bond. James Bond“), ist er noch nicht vollends angelangt, den Gentleman-Spion zu verkörpern, den Bond eigentlich darstellt. Wohl auch noch nicht in Quantum of Solace und fraglich ob es überhaupt geschehen wird, schließlich wollen die Broccolis ja ein hippes Franchise aufrechterhalten und dürfen nicht in alte Muster verfallen. Zudem kauft man dem durchtrainierten Craig den Gentleman nicht wirklich ab, ist der Körper schließlich allein deswegen inszeniert, um als Bestätigung dessen zu dienen, was Bond nunmehr darstellen soll: Jason Bourne mit Identität und englischem Akzent. Craig ist sicher nicht der beste Bond und auch sonst lässt sich Casino Royale schwer in den Kanon einordnen, sodass wohl gilt: James Bond ist tot. Lang lebe James Bond!

8/10

6 Kommentare:

  1. Mich hat vor allem das angeklatschte Ende gestört, dass den Film nach dem zwischenzeitlichen Höhepunkt nur in die Länge zieht und sehr kitschig rüberkommt.

    Aber wie du schon sagst muss man jetzt erstmal abwarten, wie es in Bonds Entwicklung weitergeht - ob er in der Bourne-Schiene bleibt, oder nochmal auf der Gentleman-Schule nachsitzen muss... ;-)

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  2. Ich empfand Casino Royal als guten viel versprechenden Neuanfang. Auch wenn mir die Parcourszene und Venedig weniger gefielen. Im Gegensatz zu Die Another Day mit seinen ganzen Ablenkungsmanövern wie dämlichen Luftkissenfahrzeugen, unsichtbaren Autos, unnützen Madonna Placement und dem Finale im Flugzeug, besinnt sich CR wieder auf die Essenz der Bondwelt. Craig macht seinen Job mehr als ordentlich und hinterläßt eine Spur Connery ohne der Versuchung zu erliegen, den Besten aller Zeiten kopieren zu wollen. Klasse, ich freue mich auf Bond Nr. 22.

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  4. Endlich mal jemand, der Casino Royale nicht in der Luft zerreisst, sondern ihn als das sieht was er ist: als einen Neuanfang, der den Prinzipien der bisherigen Serie in vielerlei Hinsicht eben doch treu bleibt und dennoch an neuen Ufern anlegt.

    Auch wenn für meinen Geschmack ruhig noch ein wenig mehr des alten Bond von Bord geschmissen werden könnte; mir gefiel Daniel Craig ausnehmend gut und die neue Zentrierung des Franchise auch.

    Sie erlauben bitte?

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  5. @knurru: Ich hab bisher noch keinen Verriss gelesen, aber danke für die lobenden Worte ;)

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  6. Also soo viele Verrisse gab es nun wirklich nicht, Knurru. Bis auf sein paar Hardcore-Bondies, die lieber weiter das Schema F gehabt hätten.

    War ja nie ein so großer Bond-Fan und kenne auch die meisten alten Filme nicht, aber im Vergleich zu den Brosnan-Bonds ist Casino Royale ein qualitativer Quantensprung gewesen - in meinen Augen. Was wohl vor allem an dem guten Script lag, mit diesen wunderbaren Dialogen (die ich mal vor allem Paul Haggis anrechne).

    Zudem liebe Daniel Craig seit "Layer Cake" sehr und genau wegen diesem Film habe ich ihn auch für eine perfekte Bond-Besetzung gehalten und bin der Meinung, dass er auch den Gentleman perfekt verkörpern können wird.

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