15. Februar 2014

State of Play vs. State of Play

Das Remake gehört wohl zu Hollywood wie das Ei zur Henne. Schließlich hat auch Originalität ihre Grenzen. Daher nutzt die Traumfabrik gerne eigene Filme – insofern genug Zeit verstrichen ist, damit das Original bei der Zielgruppe nicht zu präsent wirkt – oder Werke aus dem Ausland, die von Erfolg gekrönt waren, als Ausgangsmaterial für ihre eigenen Produktionen. So auch vor etwa fünf Jahren, als Universal mit State of Play eine zweistündige Adaption der gleichnamigen fünfeinhalbstündigen BBC-Serie von 2003 in die Kinos brachte. Ein Trend, den zuletzt David Fincher mit House of Cards und demnächst Utopia weiterführt. Nur eben mit namhaften Schauspielern, die das Publikum auch sehen möchte.

So waren für State of Play zunächst Brad Pitt und Edward Norton in den Hauptrollen geplant, ehe Meinungsverschiedenheiten und Verzögerungen kurzfristig Russell Crowe und Ben Affleck ans Set von Kevin Macdonald spülten. Und obschon seine weniger als halb so lange Version von David Yates’ Serie nach Drehbuch von Paul Abbott bei den Kritikern gut ankam, floppte der Film sowohl in den USA als auch international an den Kinokassen (trotz fehlender Konkurrenz). Dabei macht Macdonalds Remake vieles – wenn leider auch nicht alles – richtig. Aber welche Version ist nun besser oder gut? An dieser Stelle soll wieder mal ein Head-to-Head feststellen, welche Geschichte in den Druck gehen darf.

The Reporter

Das Erbe von Woodward und Bernstein tritt in Paul Abbotts Geschichte der Reporter Cal McAffrey an, in der BBC-Version von John Simm (höchstens Doctor Who-Fans hierzulande ein Begriff) gespielt. Eher klein und schmächtig ist er bemüht, seinem alten Kumpel Stephen Collins, für den er einst Wahlkampf machte, über den plötzlichen Tod seiner Geliebten zu helfen. Nur um selbst mit Collins’ entfremdeter Gattin zu korpulieren. Was mehr Zeit beansprucht, als es sollte. Wenig nuanciert wird man mit Simm nicht so recht warm, auch nicht als investigativer Journalist. Das mag auch daran liegen, dass er diesen Job mit James McAvoy – dessen Figur im Remake ausgespart wurde – teilen muss. Günter-Wallraff-Faktor: 45%

Man kann verstehen, wieso fürs Remake zuerst an Brad Pitt gedacht wurde. Stattdessen gab kurzfristig dann ein löwenmähniger Russell Crowe den Schnüffler von der Zeitung, eingeführt als sich im Auto mit Junk Food vollstopfender Radio-Gröler. Immerhin sehen wir Crowes McAffrey weitaus mehr „Investigation“ betreiben, auch der Tatsache geschuldet, dass er mit Polizeiermittler Bell (hier: Harry Lennix) bekannt ist. Wenn Crowes Figur den Killer auf sich lenkt, dann nicht, während er sich gerade verlustiert. Insofern darf dieser Cal McAffrey ein glaubwürdigerer Journalist sein als sein britischer Kollege, eben weil er – wenn auch nicht unbedingt äußerlich – mehr dessen Bild entsprechen mag. Günter-Wallraff-Faktor: 55%

The Girl

Unfairerweise verdient sich Kelly Macdonalds Version der naseweisen Della schon allein deshalb einen Sonderpunkt, weil ihr schottischer Akzent im britischen Original ein Highlight für sich ist (nie klang das Wort “murder” schöner). Allerdings erfährt die Figur – wenn auch nachvollziehbar – einen leicht extremen Wandel von der selbstbewussten Schnüfflerin zur eingeschüchterten Petze, als ihr Leben während der Recherche in Gefahr gerät. Zwar fängt sich die Figur gegen Ende wieder etwas, doch da ist der „Vertrauensbruch“ bereits geschehen. Die zudem im Verlauf verstärkt subtil angedeutete sexuelle Spannung zwischen Della und Polizeichef Bell hilft dem Ganzen auch nicht wirklich. Tamara-Dewe-Faktor: 50%

In der US-Version avanciert Della schlauerweise zur Bloggerin der Zeitung, die sich den Respekt von Cal McAffrey erst durch Rechercheerfolge verdienen muss. Insofern nimmt sie eher die Funktion eines “rookies” ein, wenn auch ihre Recherche identisch mit der ihres britischen Pendants ist. So erklärt sich vermutlich, weshalb sie nach dem Krankenhaus-Attentat weniger eingeschüchtert als bestärkt wirkt, was sicherlich dem Film dienlich ist. Zwar nicht ganz so sexy wie Kelly Macdonald überzeugt die Dynamik zwischen McAdams’ Della und McAffrey mehr als in der BBC-Fassung. Selbst wenn ihre Beziehung später fast in romantische Bahnen gelenkt wirkt, was eher verstört. Tamara-Dewe-Faktor: 50%

The Politician

Die Rolle des sichtbar steifen, aber politisch vielversprechenden Regierungsvertreters übernahm in David Yates’ Serie David Morrissey (eher bekannt als “Governor” in The Walking Dead). Hier darf Morrissey noch am ehesten die ganze Palette seiner schauspielerischen Fähigkeiten zeigen, von verunsichert über erzürnt bis am Boden zerstört. Und obschon viel für Sympathiebonus seitens der Zuschauer für ihn spricht (Geliebte und Kind tot, Ehefrau schläft mit bestem Freund), vermag dieser Stephen Collins nie recht seine ihm angeheftete gewisse Durchtriebenheit abzulegen. Dies mag auch am Wissen um Morrisseys Walking Dead-Rolle liegen. Insofern also: politically correct. John Edwards-Faktor: 60%

Wer denkt, David Morrissey ist steif, hat die Rechnung ohne Ben Affleck gemacht. Zwar überzeugt Affleck – enormes Kinn hin oder her – als Kongressabgeordneter, nur vermag sein Spiel sich nie der Figur richtig zu öffnen. Dass er und Russell Crowe Uni-Kumpels sein sollen, erfordert ordentlich “suspension of disbelief”. Immerhin ist Afflecks Stephen Collins im Gegensatz zu seinem britischen Kollegen weitaus weniger präsent im US-Film und wirkt zugleich weitaus unschuldiger beziehungsweise weniger verdächtig. Was dem Twist zum Schluss sicherlich zuträglicher ist. Das fehlende Schauspiel Afflecks ist hierbei allerdings hinderlich, weshalb man mit Ed Norton besser gefahren wäre. John Edwards-Faktor: 40%

The Wife

Die Rolle der betrogenen Anne Collins fiel in der sechsteiligen Serie Polly Walker (bekannt aus der HBO-Serie Rome) zu. Was nicht ohne Probleme ist. Es mag zum Teil an ihrer Frisur liegen, aber Walkers Frau zwischen zwei Männern will in keiner Konstellation so recht überzeugen. Sie passt weder wirklich zu Morrisseys noch zu Simms Figur, was auch daran liegt, dass wir von ihrem Charakter wenig mitbekommen. Umso unerklärlicher ist ihr Wandel im Schlussakt, der sie von der Opferrolle eher in die Bitch-Ecke rückt. Sie ist im Grunde nur da, um als “sexual interest” zu fungieren – was für weibliche Figuren selten positiv endet. Insofern: viel “Screen time” für einen blassen Charakter. Jenny Sanford-Faktor: 40%

Noch blasser, wenn auch ansehnlicher, kommt Robin Wright im Spielfilm daher. Zwar hat auch ihre Figur eine Affäre mit McAffrey, immerhin jedoch nur in der Vergangenheit. So wundert man sich zwar, wieso Collins und der Reporter weiterhin befreundet sind, ist aber zugleich dankbar, dass der Film für Bettspiele keine Zeit opfert. Abgesehen von zwei Szenen, in denen auf dieser Affäre rumgekaut wird, hat Anne Collins nichts zu tun. Was sich grundsätzlich dadurch erklärt, dass die UK-Figur nur für Sex existierte und insofern für das Remake in Ordnung geht. Wrights Rolle bleibt ein Nicht-Charakter, aber immerhin einer, der nett aussieht und für den nicht mehr Zeit als nötig aufgewandt wurde. Jenny Sanford-Faktor: 60%

The Editor

Es gibt Schauspieler, die können wenig falsch machen. Der wunderbare Bill Nighy ist einer von ihnen. Denn als scharfzüngiger Herausgeber im BBC-Original ist sein Cameron Foster eher einer von der Truppe – die meist geschlossene Tür seines Büros zum Trotz. Mehr kumpelhaft kommt das Verhältnis mit McAffrey daher, zugleich hält Nighys Chef vom Dienst seiner Truppe den Rücken frei und übernimmt mehrfach aktiv eine Rolle in der Recherche. Hierbei fungiert Cameron durchaus auch als “comic relief” – gerade im Doppel mit Sohnemann Dan –, dennoch nimmt man Nighy seine redaktionelle Kompetenz durchweg ab. Entsprechend ist dies eine absolut atmende dreidimensionale Figur. Ben Bradlee-Faktor: 65%

Im Kinofilm übernimmt Helen Mirren die redaktionelle Aufgabe der Herausgeberin. Darunter leidet am meisten die Beziehung zu ihren Reportern, wirkt Mirrens Cameron doch oftmals wie der Redaktion aufs Auge gedrückt denn als Teil von dieser. Das mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass Cameron im Film weniger direkt in die Recherche eingebunden ist, somit eher eine passive Rolle einnimmt. Der Großteil der Figur wird für den Sub-Plot der heimgesuchten Medienkrise aufgewandt, was zwar seine eigenen Vorzüge hat (s. The Tone), worunter jedoch die Ausarbeitung des Charakters leidet. In ihrer Funktion als Herausgeberin ist Cameron aber durchaus glaubwürdig. Ben Bradlee-Faktor: 35%

The Middleman

Das Zünglein an der Waage in Paul Abbotts Handlung gibt derweil der windige bisexuelle Mittelsmann Dominic Foy, im Original von Marc Warren als blonder Pimp gespielt. Über mehrere Episoden müssen McAffrey, Della und Co. diesen erst in eine Position bringen, in der er die politischen Verwicklungen um Collins’ tote Geliebte aufklärt – ehe dieser ihm den Kiefer zerdeppert. Auch wenn Foy als Witzfigur angelegt ist, will man nicht so recht glauben, welche Rolle der Figur hier zugeschrieben wurde. Was zum Teil auch an Warren selbst liegt. Grundsätzlich wird auf seinen Charakter jedoch, wie auch auf den von Anne Collins, für nur bedingten Erlös generell zu viel Zeit vergeudet. Tirath Khemlani-Faktor: 40%

Weniger wie ein Zuhälter aber nicht minder flamboyant kommt Jason Batemans Interpretation der Rolle daher. Ähnlich wie bei Robin Wright wird für ihn nur wenig Zeit aufgespart. Zwar immer noch mit dem Makel der Witzfigur behaftet, wird sein Dominic Foy zumindest als das behandelt, was er ist: ein Mittel zum Zweck, um die Handlung auf die Zielgerade zu bringen. Dies geschieht zugegeben relativ schnell – und als off-screen eingefangenes Geständnis auf Videoband –, ist jedoch dadurch verzeihbar, dass man so ein wohl bis zu einstündiges Katz-und-Maus-Spiel vermieden hat. Insgesamt kommt dieser schmierige Mittelsmann dennoch kompakter und somit konsequenter daher. Tirath Khemlani-Faktor: 60%

The Tone

Ein Merkmal der 2003er BBC-Serie ist nicht nur der heutzutage fast als Standard zu findende Newsroom in der Redaktion, sondern auch die Einbindung von Humor in die Handlung. Dies mag angesichts der politischen Verschwörung und der daraus resultierenden Toten zwar verwundern, ist dennoch aufgrund der Protagonisten wie McAvoys Dan Foster, Rebekah Statons Liz oder Sean Gilders Sergeant ‘Chewy’ Cheweski ganz amüsant. All diese Figuren fehlen natürlich im US-Remake. Von Westminster und der Zeitungslandschaft kriegt der Zuschauer dennoch nur bedingt etwas mit, wenn auch zumindest Vorgehensweisen von Letzterer in der ersten Hälfte eine Rolle spielen. Reality-Check-Faktor: 40%

Zwar ist Humor in Kevin Macdonalds Version kein Fremdkörper, sondern gerade im Zusammenspiel zwischen Russell Crowe und Rachel McAdams ein wiederkehrendes Element, dennoch vergeudet der Film keine Zeit darauf. Erfrischend, wenn auch leicht altbacken, ist der in die Handlung verwobene Subplot der Medienkrise, die sich in Faktoren wie Facelifts für den Zeitungskopf oder Dellas Funktion als Bloggerin niederschlägt. Zum US-Kongress erhalten wir zwar auch hier keinen Einblick, dafür erfährt der Plot mit der Privatisierung durch Sicherheitsunternehmen à la Blackwater wie im Falle der Medienkrise ein zeitgenössisches Update. Eine gelungene Neuausrichtung der Handlung also. Reality-Check-Faktor: 60%

Fazit

Die britische TV-Fassung überzeugt dadurch, dass die Recherche über eine Woche verteilt wird, während die Adaption sie auf zwei Tage komprimiert. Aber dies schien nötig, um dieselbe Geschichte in weniger als der Hälfte der Zeit zu erzählen. Leider ging so manch liebenswerte Figur verloren, glücklicherweise aber auch viel Ballast. Die jeweilige Besetzung nimmt sich nur bedingt etwas, Andrew Macdonalds Film wirkt jedoch aktueller. Wer sich also nur für die Geschichte von State of Play interessiert, darf dem amerikanischen Film-Remake den Vorzug geben. Dieses setzt sich mit 5:3 im Head-to-Head durch. Winner on points: State of Play (US-Film)!

3 Kommentare:

  1. Wieder einmal ein sehr interessant zu lesender Vergleich! Ich kenne bisher ja nur das US-Remake und fand dieses "nur" ganz gut - und eben auch ein wenig gehetzt erzählt. Seitdem mir juliaL49 die Serie stark ans Herz gelegt hat, will ich diese noch sehen, doch ich sehe da irgendwie erst in den 2020er Jahren Platz für... mit viel Glück... ;)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Wie gesagt, da du den Film kennst, brauchst du die weniger gelungene Serie auch nicht anschauen :D Egal was juliaL49 sagt, das ist dieselbe Geschichte nur mit zwei zähen Subplots ;)

      Löschen
  2. Ha, wenn ich hier schon namentlich erwähnt werde, muss ich natürlich auch meinen Senf dazugeben.

    Mir kommt dein Vergleich sehr voreingenommen vor, was ich sagen kann, da ich genau das Gegenteil behaupten würde. Die beiden US-Protagonisten sind absolute Fehlbesetzung, während Simm und Morrissey fantastisch sind. (abgesehen davon, dass letzterer in der 5(?) Folge eine der besten schauspielerischen Leistungen ablegt).

    Ich fand vor allem die Logiklöcher im Film so schlimm, dass ich gar nicht erst positiv eingestellt werden konnte. Der Vorteil der Serie ist ja, dass man Zeit zum Entwickeln der Details hat. Ja, auch die Serie hat zwei Szenen, die man sich kompliziert erklären muss, aber nicht so komplett wie der Film (frag nicht nach Details, es ist Jahre her, dass ich die gesehen habe).

    PS: John Simm kennt man aus Life on Mars auch in D :)

    PPS: Wie soll ich denn bitte hier meine URL angeben?!
    so hier im Text_?!
    49suns.de

    AntwortenLöschen