21. November 2012

Head Games

You’re playing Russian roulette with their future.

Es dürfte wohl für die meisten Menschen kein Schock sein, zu erfahren, dass man sich bei körperkontaktbetonten Sportarten verletzen kann. Womöglich sogar unwiderruflich. Insofern ist der Einstieg zu Steve James’ Dokumentation Head Games für Europäer etwas überraschend. “It’s been known for a long time that banging your head over and over again can be a bad thing”, sagt Alan Schwarz, Reporter der New York Times, zu Beginn. Was nicht gerade eine Offenbarung ist. Angesichts der Reaktionen und Entwicklungen, die James in den folgenden anderthalb Stunden zeigt, scheint dies in den USA jedoch durchaus eine solche gewesen zu sein.

In seinem jüngsten Film thematisiert James den Zusammenhang zwischen gewissen Sportarten wie Football, Basketball, Eishockey oder Fußball und dem Auftreten von chronisch traumatischer Enzephalopathie (CTE) nach erlittenen Gehirnerschütterungen. Im Mittelpunkt des Films steht dabei Chris Nowinski, ehemaliger College-Football-Spieler und WWE-Wrestler, der nach einer Gehirnerschütterung den Profi-Sport aufgab, ein Buch über die Risiken im Football schrieb und seither als Ansprechpartner für CTE-Gefahren gilt. “I loved the violence”, sagt er rückblickend über seine Zeit beim Football, den in den USA einer aus acht Jungen praktiziert.

Es sei “the closest thing of being a war hero without actually going to war”, sagt Nowinski. Seine Sportanalogie deckt sich mit Beschreibungen einiger anderer interviewter Sportler. Dies trifft aber auch auf ihre Krankenakte zu. Jeder zweite Spieler hat schon Symptome einer Gehirnerschütterung gehabt, in Head Games treffen wir auf Fußballerinnen, die von mehreren Gehirnerschütterungen berichten, genauso wie einen Teenager, der bisher drei davon erlitten hat. Auswechseln lassen wollen sich die meisten von ihnen während einer Partie jedoch nicht. Für Profis der NFL gehören Schädel-Hirn-Tramata (SHT) nach eigener Aussage sogar zum Sport dazu.

“In most other sports the chance of injury in incidental”, sagt der Sportjournalist Bob Costas. “In football, the chance of injury and long term serious effects is fundamental.” Und CTE sei dabei die größte Gefahr, die nicht nur zu früher Demenz führen kann, sondern viele Betroffene auch in den Selbstmord treibt. Steve James begleitet einen Ex-Football-Profi zum Neurologen, wo dieser nicht einmal mehr die Monate zwischen Januar und Juni aufzählen konnte. Ingesamt gaben 1,9 Prozent der Ex-Profis zwischen 30 und 49 Jahren an, mit einer Demenzerkrankung diagnostiziert worden zu sein. In der normalen Bevölkerung sind nur 0,1 Prozent betroffen.

Somit stellt sich die Frage, ob diese Sportarten im Allgemeinen und Football im Speziellen für Kinder geeignet sind. “You’re playing Russian roulette with their future”, findet Nowinski. Auch andere Eltern äußern Bedenken, stellen diese jedoch hinter die Liebe ihrer Kinder zu der jeweiligen Sportart zurück. So berichtet auch Chayse Primeau, Sohn von Ex-NHL-Spieler Keith Primeau, davon, einmal mehrere Minuten bewusstlos gewesen zu sein. Seinem Vater war einst nach seiner vierten Gehirnerschütterung von seinem Klub nahegelegt worden, seine Karriere zu beenden. “I was relieved”, gesteht Primeau seine erste Reaktion.

Was genau passiert, wenn wir eine Gehirnerschütterung erleiden, zeigt Steve James anfangs ebenso ausführlich wie die Neurologin Ann McKee ihre Forschung. Grandios gerät dabei eine Szene, in der sie ein Gehirn wie ein Laib Brot zerschneidet, um die Folgen von CTE zu zeigen. Wie gesagt ist es wenig überraschend, dass Profi-Sportarten mit viel Körperkontakt gesundheitliche Risiken bergen. Insofern vermag Head Games einen nicht vom Hocker zu hauen. Aber es gelingt Steve James gut, die Hintergründe etwas eingehender zu beleuchten und auf etwas aufmerksam zu machen, was zumindest in den USA weniger bekannt war als es hätte sein sollen.

7.5/10

3 Kommentare:

  1. Gerade weil es so offensichtlich sein sollte, hat mich der Trailer zu Head Games doch sehr gewundert. Dadurch hat sich in mir direkt Desinteresse entwickelt. Bestimmt ganz nett, aber fast schon 'unnötig'. Wenn es dennoch den Amerikanern die Augen etwas mehr öffnet, dann hat der Film aber dennoch was gutes an sich =)

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    1. Die Doku hat auch noch etwas mehr zu bieten, klar, Gehirnerschütterungen sind nicht gesund, soviel weiß man, aber wie oft es zu Gehirnerschütterungen kommt, was die kurz- und langfristigen Folgen sind, derlei Sachen arbeitet der Film schon gut heraus.

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    2. Hmja, das hast du ja geschrieben. Dennoch ein nicht allzu packendes Thema, was in einer TV-Infosendung besser aufgehoben wäre (wobei es da auch fraglich ist, ob es dann größeren Anklang findet..). ^^

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