24. März 2011

Butch Cassidy and the Sundance Kid

For a moment there I thought we were in trouble.

Im Western gibt es keine Mimosen. Es ist ein hartes Genre voller harter Kerle. Karge Landschaften, verlorene Käffer und Schießduelle bei Sonnenuntergang. So kennt man das Westerngenre von Sergio Leone mit Clint Eastwood oder in den Filmen von John Ford mit John Wayne. Unzählige seiner Helden wurden auf Zelluloid gebannt, von Wyatt Earp bis hin zu Jesse James. Nur zweier Figuren hatte sich bis 1969 niemand in Hollywood angenommen. Diese Männer hießen Robert LeRoy Parker und Harry Longabaugh, besser bekannt als Butch Cassidy und The Sundance Kid. Dass es Butch Cassidy zuvor nie in einen Film geschafft hat, hat einen Grund, wie Hermann Understöger von der Süddeutschen Zeitung weiß: „Butch tat etwas, das Westernhelden nun mal nicht tun - er rannte davon“.

Für den Durchschnittamerikaner repräsentiert vermutlich John Wayne den Cowboy schlechthin. “And John Wayne don’t run“, resümiert Schriftsteller William Goldman die Krux des Genres. Nun war Butch Cassidy nicht zwingend ein Feigling oder jemand, dem die Menschen mit Zweifeln begegneten. Im Gegenteil, Butch war ”this weird popular figure. People liked him”, verrät das Bonusmaterial von George Roy Hills Butch Cassidy and the Sundance Kid. Wenn Butch nach einem Verbrechen auf der Flucht war und bei Menschen an die Tür klopfte, versteckte man ihn bereitwillig und zwanglos in seinem Haus. Als der Gesetzlose jedoch einen Geldzug zu viel überfiel, hetzte ihm dessen Besitzer eine Handvoll der härtesten Gesetzeshüter des Landes auf den Hals - und Butch floh nach Südamerika.

Dieser Bruch mit den Konventionen schien kein Filmmaterial zu sein und doch stürzten sich die Studios schließlich auf William Goldmans Drehbuch, nachdem dieser sich des Stoffes aus privatem Interesse angenommen hat. Letztlich zahlte 20th Century Fox $400.000 für das Skript und damit mehr als je zuvor für ein Drehbuch bezahlt worden war. Dieses hieß damals noch The Sundance Kid and Butch Cassidy und sollte Paul Newman als Ersteren und Jack Lemmon als Letzteren präsentieren. Doch Lemmon lehnte den Part ab, wie es im Folgenden auch Steve McQueen, Warren Beatty und Marlon Brando tun würden. George Roy Hill, selbst nicht der Wunschregisseur der Produzenten, setzte sich für den wenig bekannten Robert Redford ein und katapultierte ihn damit zum Hollywood-Star.

Don Reeves, Kurator eines Westernmuseums, bezeichnete 1969 als “pivotal year for the western film genre“. Denn laut Richard D. Zanuck, damals Präsident der Fox, gab es in jenem Jahr “different takes on the western“, war vier Monate zuvor doch The Wild Bunch von Sam Packinpah angelaufen. Und eines stand nach dem Start von Butch Cassidy and the Sundance Kid fest: einen Western wie diesen, hatte es zuvor noch nie gegeben. Traditionelle Elemente des Genres wurden mit modernem Humor gemischt. “A brand new thing“, nannte es Drehbuchautor Lawrence Kasdan rückblickend und Hauptdarsteller Paul Newman war sicher: “That’s what made the movie, I think, it’s complete unconventionality”. Die Filmkritiker verzogen ihre Münder, die Zuschauer stürmten dagegen die Kinos.

Dass es dem Film gelang, ein damals bemerkenswertes Einspiel von über 100 Millionen Dollar zu erzielen, ist so seltsam wie verständlich. Denn in der Tat weist Hills Werk wenig von einem 0815-Western auf. Angefangen mit einem humoristischem Stummfilm-Intro über die ungewöhnliche Musiksequenz von Burt Bacharans „Raindrops Keep Fallin’ on My Head“ bis hin zu minutenlangen Inserts und einer fast halbstündigen Verfolgungsjagd im Mittelteil. So hätte sich niemand vorstellen können, dass der Duke zu einem Pop-Song Kasperletheater auf einem Fahrrad vollführt oder den gesamten zweiten Akt hindurch von einem unsichtbaren Gegner verfolgt wird. In „diesem heitersten aller heiteren Western“ (Hermann Unterstöger) faszinierte folglich etwas anderes, Revolutionäres, das Publikum.

”I think it was probably one of the first buddy movies“, mutmaßte Robert Redford. Die Entscheidung, den namenlosen Broadway-Darsteller an die Seite von Superstar Paul Newman zu besetzen, stellte sich als goldrichtig heraus. Denn was Butch Cassidy and the Sundance Kid auszeichnet, ist die Beziehung der beiden Figuren zueinander. Newman und Redford freundeten sich während der Dreharbeiten an und harmonierten so gut miteinander, dass man sie nicht nur mit dem Leinwandpaar Spencer Tracy und Katharine Hepburn verglich, sondern von George Roy Hill vier Jahre später erneut zusammen in The Sting besetzt wurden. Während Redford den coolen Revolverhelden mimt, ist es Newmans kalauernde Einzeiler-Maschine, die dem Film seinen unvergleichlichen Charme verleiht.

Speziell durch den Charakter von Butch verlässt der Film meist die Breitengrade des Western und taucht tiefer ein in die Gefilde einer Komödie, weshalb der Film eher eine Western-Komödie darstellt und diesbezüglich auch bestens funktioniert. Denn schon allein das actionreiche und historisch-logistisch unmögliche (und in der Tat verfälschte) Finale bietet Butch und Sundance Raum für Dialogkomik, wenn sie in San Vincente, einem kleinen bolivianischen Dörfchen, von dutzenden Polizisten belagert werden. Es sind mindestens 17, was sich deswegen feststellen lässt, da Sundance allein 14 von ihnen erschießt. Da die beiden Bankräuber in Wirklichkeit vermutlich schwerverwundet Suizid begingen, darf das Finale als das wohl größte Zugeständnis an Hollywood gelten.

Aber der fast schon größenwahnsinnige Shoot-out wird durch die herrlichen Dialoge von Newman und Redford überschattet. Beispielsweise wenn Butch während der Belagerung Sundance den Vorzug lassen will, sein Leben zu riskieren, um Munition zu holen (“This is no time for bravery. I’ll let ya!”) oder dieser süffisant reagiert, wenn mal wieder einer von Butchs grandiosen Plänen fehlgeschlagen ist (“Don’t you get sick of being right all the time?“). Es sind die Szenen zwischen den Titelfiguren, die im Film am meisten überzeugen und diesen auch auszeichnen. Allerdings können sie nicht vollends die überflüssige Insertmontage und die nur leidlich sinnige Musiksequenz kaschieren, während die 27-minütige Super-Posse-Szene auch ob ihrer Redundanz (“Who are those guys?“) gefällt.

Dabei sind die Figuren nur bedingt ausgearbeitet, zeigt sich Butch doch als Charakter, der relativ erfolglos agiert (er kann nicht mit einem Revolver umgehen und seine Pläne laufen nur bedingt nach Plan), während wenig deutlich wird, was Sundance und ihn zusammenhält außer ihrer grundsätzlichen Sympathie. Auch die Handlung ist weder sonderlich komplex noch qualitativ, erzählt sie lediglich von zwei Gaunern, die unter Druck nach Bolivien flohen, um dort den Tod zu finden. Angesichts der einstigen Kritikerschelte verwundert es daher, dass Butch Cassidy and the Sundance Kid inzwischen vom AFI zum siebtbesten Western und 73. besten Film aller Zeiten gewählt wurde. Letztlich nicht mehr als ein netter Film findet sich hier zumindest der erste Buddy-Film Hollywoods.

7/10

2 Kommentare:

  1. Ich habe den Film nie gesehen. Da ich grundsätzlich keine Texte zu ungesehenen Filmen lese: Findest du ihn denn gut?

    AntwortenLöschen
  2. Mit Abstrichen ja. Im Text sag ich wieso, aber das erübrigt sich ja für dich :) Ist, überspitzt gesagt, das erste "Buddy-Action-Movie" aller Zeiten und allein Newman's und Redford's Beziehung lohnt die Sichtung, auch wenn der Film (im Text angesprochene) Schwachpunkte (für meine Person) hat. Grundsätzlich geb ich dem Ganzen aber 7/10 und würde bedenkenlos eine Sehempfehlung aussprechen.

    AntwortenLöschen