18. Juni 2008

Batman Begins

It’s not who you are underneath, it’s what you do that defines you.

Im Jahre 1934 wurde die Firma National Allied Publications gegründet, die zwei Jahre später Detective Comics heißen sollte, bekannter unter ihrer Abkürzung DC Comics. Es sollten zwei weitere Jahre vergehen, ehe DC Comics mit Superman seine stilbildende Superheldenfigur erschaffen sollte. Im Mai 1939 kam dann die zweite weltberühmte Figur hinzu: Batman. Gezeichnet von Bob Kane und betextet von Bill Finger war Batman vollkommen anders, wie sein ein Jahr älterer Superhelden-Kollege. Während Superman alias Clark Kent als Außerirdischer auf der Erde einzigartig ist und dem Wohl der Menschheit beziehungsweise Amerika dient, ist Batman alias Bruce Wayne nichts weiter als ein solcher, normaler Mensch. Batman verfügt über keine übernatürlichen Fähigkeiten, ist nicht Opfer einer (nuklearen) Mutation. Es handelt sich bei ihm, ähnlich wie bei Tony Stark als/in Iron Man, um einen normalen Menschen.

Wayne beherrscht verschiedene Kampfkünste und kann sich dank seines finanziellen Status’ viele Spielzeuge wie das Batmobil leisten, die ihm bei seiner Verbrechensbekämpfung unterstützen. In einer Zeit, als Marvels Helden im Kino praktisch nicht existent waren, dominierte DC Comics in den 1980ern mit der Superman-Reihe um Christopher Reeve und in den 1990ern mit den vier Batman-Teilen (die ersten beiden entstanden unter der Regie von Tim Burton) die Leinwände. Nachdem Joel Schumacher zweiter trashiger Ausflug in die Serie, Batman & Robin, gefloppt war, wurde Batman erst einmal begraben, obschon sich viele verschiedene Projekte im Untergrund in Entwicklung befanden, darunter Wolfgang Petersens Batman vs. Superman. Anfang des 21. Jahrhunderts, sicher mitbegründet durch den Erfolg von Marvels Spider-Man-Verfilmung, plante Warner Bros. die Rückkehr des dunklen Ritters in die Lichtspielhäuser.

Einen großen Einfluss auf die Rückkehr von Batman übte Frank Millers Batman: Year One aus. Millers Comic sollte die Grundlage für einen Film von Darren Aronofsky werden, doch die angestrebten Storyelemente (darunter Alfred als afroamerikanischer Mechaniker und Bruce Wayne als Obdachloser) widerstrebten der Warner. Man trat an die Gebrüder Wachowski heran, die aber zu Gunsten ihrer Matrix-Sequels ablehnten, weshalb die Wahl schlussendlich auf Christopher Nolan fiel. Gemeinsam mit seinem Bruder Jonathan hatte sich Nolan durch Memento einen Namen gemacht und sollte nunmehr das Batman-Franchise wiederbeleben. Für das Drehbuch wurde David S. Goyer engagiert, der bereits Marvel’s Blade in einer Trilogie zum Leben erweckte. So kam es, dass für das fünfte Abenteuer des dunklen Ritters weder Millers gerühmter Batman: Year One noch sein bahnbrechender The Dark Knight Returns adaptiert wurde.

Vielmehr fanden The Man Who Falls, Dark Victory und The Long Halloween starken Einzug in die Story. Und entgegen dem Comic-Kanon entwarf Nolan mit Rachel Dawes eine neue Figur, die quasi zur Mary Jane für Bruce Wayne werden sollte und für Katie Holmes geschrieben wurde. Nunmehr musste nur noch ein neuer Batman gefunden werden, ein glaubwürdiger Batman. Waren Val Kilmer und George Clooney zuvor an den Fußstapfen von Michael Keaton gescheitert, standen Hugh Dancy, Ashton Kutcher oder Jake Gyllenhaal im Raum. Beim Vorsprechen konnte jedoch Christian Bale entsprechenden Eindruck auf Nolan und Goyer machen, sodass er letztlich die Rolle bekam. Ironischerweise hatte Bale einst bei Batman & Robin für den Part von Robin vorgesprochen. Für die Nebenrollen von James Gordon wurden unter anderem Kurt Russell und Dennis Quaid angesprochen, während es bei Ra’s al Ghul Daniel Day-Lewis und Viggo Mortensen waren.

Wo die Vorgänger der Batman-Serie zumindest innerhalb ihrer Regie jeweils bei Tim Burton und Joel Schumacher chronologisch waren, versucht Batman Begins neue Wege zu beschreiten. Wie der Titel sagt, geht es um Batmans Genese. Dabei dürfen natürlich die essentiellen Erlebnisse des jungen Bruce Wayne nicht fehlen: der Höhlensturz mit Fledermaus-Begegnung, sowie die Ermordung der Eltern. Jene erste Erlebnis beginnt den Film und führt sogleich Rachel Dawes ein. Kurz nach dem Sturz wird Nolan dann in die Gegenwart überleiten, zu einem bärtigen Bruce Wayne (Christian Bale) inmitten eines chinesischen Gefängnisses. Dort gerät er aus scheinbar nichtigen Gründen in eine Massenschlägerei, nimmt es problemlos mit sechs Männern auf und landet dann in Einzelhaft. Hier tritt der ominöse Henri Ducard (Liam Neeson) an Wayne heran, wirbt um ihn und lockt ihn zu einer Herausforderung für Körper und Geist.

Es wird klar: Wayne ist noch nicht Batman, er ist ein untrainierter Ausreißer in einer fremden Welt. Woher er das Vermögen besitzt, es mit sechs Männern gleichzeitig aufzunehmen, zeigen Nolan und Goyer dem Publikum nicht. Doch was macht Bruce Wayne in China? Die nächste Rückblende bringt Aufschlüsse. Als Achtjähriger geht mit seinen Eltern in die Oper, wird dort aber so verstört, dass seine Eltern diese vorzeitig verlassen. Wieso und weshalb die Waynes die Oper durch einen Hinterausgang in eine Seitengasse verlassen, bleibt ebenfalls das Geheimnis der Produzenten, genauso die Reaktion von Thomas Wayne gegenüber seinem Mörder. Wer Tim Burtons Charakterisierung dieses Ereignisses aus Batman (1989) kennt – ungeachtet der Tatsache, dass hier der Joker miteingewoben wird – kann für diese hier gezeigte, unglaubwürdige Porträtierung nur ein müdes Lächeln übrig haben.

Als nächstes wartet eines der krudesten Hollywood-Klischees: Alter Schauspieler spielt junge Version seiner Figur indem man Haare in die Stirn wischt. Ein scheinbar gerade volljähriger Bruce Wayne, möchte Rache an dem Mörder seiner Eltern nehmen. Dem steht Freigang bevor, da er gegen Untergrundboss Carmine Falcone (Tom Wilkinson) aussagen will. Doch Falcone kommt Wayne zuvor, seine Rache verpufft im Ansatz. Gotham City ist verkommen, korrupt, manipuliert und schmutzig – eben so wie Gotham immer schon war, weshalb auch ein Batman aus ihr heraus entstand. Von der düsteren und unheimlichen Stadt eines Tim Burton bleibt aber bei Nolan nicht viel übrig, vielmehr orientiert er sich an einer semi-futuristischen Version von New York City und einer optischen Orientierung an Ridley Scotts Blade Runner. Das Letzterer durch eine düstere Hoffnungslosigkeit beeindruckte, scheint Nolan entgangen zu sein.

Wayne jedenfalls wird nach einem Treffen mit Falconi bewusst, dass er so das Unrecht in der Stadt nicht bekämpfen kann. Sieben Jahre lang wird er sich fortan auf dem asiatischen Kontinent herumschlagen und seine eigene Firma bestehlen, ehe er in jenem Gefängnis zu Filmbeginn landen wird. Jetzt kann die Katharsis des Bruce Wayne beginnen. Im hohen Norden Tibets wird er unter Henri Ducard und Ra’s al Ghul (Ken Watanabe) zum Allround-Kämpfer für die League of Shadows ausgebildet. Als Wayne erfährt, dass die allerdings Gotham City aufgrund ihres maroden Zustands auslöschen will, versucht der junge Milliardär dies zu verhindern. Nach Hause zurückgekehrt, will er es gemeinsam mit seinem loyalen Butler Alfred (Michael Caine) mit Falcone und Co. aufnehmen. Damit dies gelingt, bedarf er jedoch der Hilfe einiger unkorrupter Personen, wie Staatsanwaltsgehilfin Rachel oder Polizist James Gordon (Gary Oldman).

Nolans Auffassung nach überwiegte in früheren Batman-Filme der Style vor Substance. Ebenjene wollte Nolan in seinem Reboot in den Fokus rücken, dabei ist seine Rückschau der wayneschen Erlebnisse relativ unnötig. Insbesondere, da man sich der Szenen nur als Mittel zum Zweck bedient und so an Glaubwürdigkeit einbüßt. Der aus dem Verlust resultierende Hass und Durst nach Rache soll Bruce Wayne letztlich zu Batman werden lassen, dabei ist dies nicht der Fall. Denn eigentlich wird Wayne zu Batman, um Gotham zu retten, selbst als die ursprüngliche Gefahr durch die League of Shadows ausgeräumt scheint. Somit ist Nolans Batman kein Ebenbild des verbitterten dunklen Ritters eines Frank Miller, dabei wäre eine getreue The Dark Knight Returns-Adaption so interessant wie konsequent gewesen. Dies scheint heutzutage, wo selbst John McClane und Indiana Jones junge Sidekicks erhalten, nicht umsetzbar zu sein.

Ein 50-jähriger Batman, welcher Jugendliche hätte sich dafür interessiert? Dabei war Batman Begins trotz seines überschwänglichen Lobes nicht mal sonderlich erfolgreich, spielte „lediglich“ das Doppelte seiner Kosten ein. Dies mag auch mit der Wahl der Antagonisten zu tun haben, zählen Figuren wie Scarecrow (Cillian Murphy) doch nicht zur Elite unter Batmans Feinden. Angesichts des Hypes, der seit Monaten im Netz um die Fortsetzung The Dark Knight herrscht und seit Heath Ledgers Tod noch verstärkt wurde, verspricht das Sequel kommerziell erfolgreicher als der Vorgänger zu werden. Der Grund dürfte auch die Wahl des Jokers als Antagonist sein, ist und bleibt er doch Batmans Nemesis schlechthin, (die zudem noch Unterstützung von Two-Face erhält). Ob dagegen Christian Bales schauspielerische drei Gesichtsausdrücke ausreichen werden,  um die innere Zerrissenheit seiner Figur darzustellen, bleibt abzuwarten.

Michael Caine und Gary Oldman hingegen können gemeinsam mit Murphy überzeugen, während sich die restlichen Darsteller in ihren Figuren nicht viel nehmen. Das musikalische Thema von Hans Zimmer und James Newton Howard ist durchaus gelungen, der Score allgemein bewegt sich jedoch eher im Hintergrund. Der große Vorwurf den man Nolans Film machen muss, ist, dass er – um es auf den Punkt zu bringen - eine langatmige Exposition geworden ist, die zu keinem Zeitpunkt wirklich im Stande ist, richtig Spannung aufzubauen. Viel mehr als eine fast zweieinhalbstündige Vorgeschichte zur Fortsetzung ist das Ganze nicht und hierbei bisweilen auch leidlich unterhaltsam. Die ersten Ausflüge im Batsuit sind ebenso wenig dramatisch, wie die krude Flucht im unglaublich hässlichen Tumbler, in dem sich Batman zigmal in Position und wieder zurück schieben muss, nur um letztlich in ein Waldstück zu rasen.

Wie er dabei bei seinen Aktionen halb Gotham zerstört, dürfte selbst einen Hancock in den Schatten stellen. Das Finale, auf welches mühsam hingearbeitet wurde, fällt dann noch mal in ein extremes Loch und avanciert zur wilden Mixtur aus Speed und Spider-Man. Was Nolan hier versucht hat, war keine Weitererzählung einer Figur, sondern eine Neuerfindung. Diese ist zwar technisch durchaus gelungen, kann jedoch inhaltlich nicht vollends überzeugen. Weshalb Bruce Wayne es mit sechs Männern aufnehmen oder in seiner Bathöhle alleine in kürzester Zeit allerlei Equipment installieren kann, verwirrt. Und auch die Fokussierung auf den Vater-Plot – die Mutter darf in den Rückblenden lediglich einen Satz sagen und scheint keine Beziehung zum Sohn zu haben –, der auf die Figuren von Alfred, Gordon, Ducard und Lucius Fox (Morgan Freeman) ausgeweitet wird, stört hier ebenso, wie in anderen Hollywood-Filmen.

6/10

13 Kommentare:

  1. Schreib doch einfach Nolans Batman ist eine Gurke;)

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  2. "Gurke" find ich ziemlich hart, der Film ist ja ganz in Ordnung, aber jetzt nicht sonderlich herausragend - immer noch besser als IRON MAN, das ist doch schon mal was ;)

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  3. Mir ging die aufgeplusterte Wichtigtuerei des Filmes ohne eigentliche Geschichte richtig auf den Nerv. Aber zur Ehrenrettung sei angemerkt, daß Burtons Batman ohne Nicholson und DeVito auch nur halb so unterhaltend wären. Aber das ist ja grundsätzlich die Crux im Superhelden Kino. Der Gute kann immer nur so gut sein wie der Böse böse gut ist:D

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  4. Mir gefällt Nolans Ansatz, die Reihe neu zu gestalten, gut. Mit Burtons Teilen imho nur schwer zu vergleichen, da sich beide in vielen Punkten unterscheiden und andere Gewichtspunkte besitzen. Mir gefällt Burtons BATMAN aus anderen Grunden mehr als gut, BATMANS RETURN ist eh der beste Teil des Franchise, und dennoch gefällt mir BATMAN BEGINS, zumindest besser als dir, Rudi.

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  5. zumindest besser als dir, Rudi.

    Daran ist ja auch nichts verwerfliches ;)

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  6. Ich glaub ich hab es da richtig gut: Mir sind die Batman Comics nicht bekannt, die anderen Filme kenne ich nur zum Teil und ich mag die auch nicht wirklich. Was daran liegen könnte, dass ich nur mal in diesen Batman mit Arnie reingeschaut habe, der mir viel zu quietschig-bunt ist. Auf gut Deutsch: Ich hab vom Thema nicht wirklich Ahnung.

    Deswegen finde ich "Batman Begins", der für mich somit quasi jungfräulich und völlig frei von Vergleichsmöglicheiten ist ,gar nicht mal schlecht. Ich mag die im Film vermittelte düstere Grundstimmung, auch wenn der Charakter ohne Zweifel, wie du richtig bemerkt hast, in seiner Entwicklung nicht zu 100% stringent ist.

    Auf jeden Fall ein annehmbarer Beginn für die Fortsetzung "The Dark Knight"

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  7. Einige gute Beobachtungen, gelungene Rückschlüsse und ein insgesamt prägnantes Urteil, dem ich zustimmen möchte.

    Wow, bin ich gut drauf heute.

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  8. @MVV: In der Tat, wasch da los, schwächelst du, Rajko? ;)

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  9. Na ja, wenn du mal was gutes schreibst, dann sag' ich das eben auch.

    Ich würde mir aber nach wie vor weniger unnützes Hintergrundbeiwerk wünschen.

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  10. Na ja, wenn du mal was gutes schreibst, dann sag' ich das eben auch.

    Nehme mal an die Betonung liegt hier auf "wenn" *g*

    Ich würde mir aber nach wie vor weniger unnützes Hintergrundbeiwerk wünschen.

    Das Leben ist aber kein Wunschkonzert :P

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  11. Ich schein hier wohl der einzige zu sein, der Nolans Batman gefällt. ;)

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  12. @kaiser:Keineswegs, der Grammaton Cleric hält das Teil für die beste Comicverfilmung aller Zeiten. Da findest du also Unterstützung ;)

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  13. Also ich halte BB auch für einen sehr starken Film würde ihn so 1,5-2 Wertungsstufen über dem Rudi seiner einordnen. Hat mir damals ausgesprochen gut gefallen, die Art und Weise, wie "dramatisch" und ruhig Nolan diese Comicverfilmung angelegt hat. Mich verbindet aber ebenfalls auch eher weniger mit den alten Filmen und schon mal ganz wenig mit den Comics. Aber für eine dezidierte Auseinandersetzung ists dann doch mittlerweile viel zu lang her, dass ich ihn sah...

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