1. Mai 2008

Raiders of the Lost Ark

It’s not the years, it’s the mileage.

Das Kennedy Center benennt ihn als den erfolgreichsten Regisseur unserer Zeit und beschreibt ihn als einen Regisseur, der die Zuschauer amüsiert und erstaunt, sie zum Lachen und zum Weinen bringt. Das TIME Magazin nannte ihn die einflussreichste Person seiner Generation Ende des 20. Jahrhunderts. Die Rede ist von Steven Spielberg, dem Mainstream-Regisseur schlechthin, der es sogar schafft aus dem Holocaust einen Blockbuster zu machen. Als 28-Jähriger lieferte er mit The Sugarland Express seinen ersten Kinofilm ab und gelangte ein Jahr später mit Jaws bereits zu Ruhm. Es folgte 1977 in Close Encounters of the Third Kind seine erste Auseinandersetzung mit einem seiner Lieblingsthemen, ehe er sich 1979 zum ersten Mal einem anderen Lieblingsthema widmete: dem Zweiten Weltkrieg. Doch seine Satire 1941 enttäuschte die Erwartungen der Produzenten, sodass Spielbergs nächstes Projekt, das ihm endgültig die Herzen der Zuschauer sichern würde, in eine unklare Zukunft blickte.

Produzent George Lucas hatte große Probleme ein Studio als Finanzier für den neuen Film zu gewinnen, seiner Aussage nach wurde das Skript von allen abgelehnt, ehe Paramount gewonnen werden konnte. Was ursprünglich als Low-Budget-Produktion geplant war, verdreifachte seine Kosten zu der endgültigen Summe von 20 Millionen Dollar, welche in ihrer Summe von Paramount getragen wurden. Zudem sicherte Lucas sich 40 Prozent des Filmgewinns, ein ungewöhnlicher Deal, der dem bärtigen Mann zusammen mit seinem Star Wars-Franchise einen ungemeinen Reichtum sichern sollte. Spielbergs und Lucas’ Film, Raiders of the Lost Ark, avancierte problemlos zum ertragsreichsten Film des Jahres 1981, mit einem weltweiten Einspiel von 384 Millionen Dollar. Allein 60 Prozent spielte der Film in den Vereinigten Staaten ein, was ebenfalls ungewöhnlich ist und ihn zu einem durch und durch US-amerikanischen Produkt macht. Ein US-amerikanischer Held für das US-amerikanische Volk.

Das American Film Institute platziert Raiders of the Lost Ark auf Platz 60 der 100 besten Filme des 20. Jahrhunderts, die Academy ehrte ihn 1982 mit acht Oscarnominierungen, darunter auch als bester Film und für die beste Regie. Am Ende gewann er vier der Trophäen, für Ausstattung, Ton, Effekte und Schnitt. In der IMDb hält er eine 8.7 Bewertung und ist damit aktuell der 27. bestbewertete Film, bei Rotten Tomatoes erhielt er sogar 94%. Entertainment Weekly wählte die Figur des Indiana Jones zum drittbesten Actionhelden, lediglich von Ellen Ripley und John McClane übertroffen. Vielmehr als die beiden ist Indiana Jones jedoch zu einer Kultfigur aufgestiegen, die ihre Anfänge bereits 1973 hat. Denn Lucas schrieb neben Star Wars eine andere Adaption berühmter Kurzgeschichten aus den 1930er Jahren: einen Abenteuerhelden namens Indiana Smith. Pate für den Vornamen seines Helden stand Lucas’ eigener Hund, eine Anekdote, die es in Indiana Jones and the Last Crusade schaffte.

Im Frühsommer 1977 erholte sich Lucas gemeinsam mit Spielberg auf der hawaiischen Insel Maui und erzählte seinem Freund, der schon immer einen Bond-Film inszenieren wollte, erstmals von seiner Idee eines abenteuerlustigen Archäologen. Das Element des Playboys, welches Lucas in Anlehnung an Bond vorgesehen hatte, fiel allerdings auf Wunsch von Spielberg und Drehbuchautor Lawrence Kasdan weg. Der Regisseur war es dann auch, der Lucas darauf hinwies, dass der Nachname „Smith“ nicht zur Figur passt, die daraufhin in „Jones“ umbenannt wurde. Ironischerweise sollte sich die Bond-Serie in den 1980ern selbst an Indiana Jones orientieren, nachdem man schon in Moonraker versucht hatte, auf den Star Wars-Zug aufzuspringen. Bis heute hat die Indiana Jones-Trilogie weltweit über 1,2 Milliarden US-Dollar eingespielt und fand 2008 fast 20 Jahre später eine nicht wirklich ruhmreiche Fortführung zur Quadrologie, deren vierter Teil problemlos über 700 Millionen US-Dollar einspielte.

Die Anfangssequenz, wie in allen Teilen ein nahtloser Übergang des Paramount-Emblems in die Szenerie, beginnt in einem südamerikanischen Dschungel und zeigt uns Indiana Jones (Harrison Ford) zuerst nur von hinten. Unerschrocken schreitet er voran und lässt seine eigentlichen indigenen Führer stückweise hinter sich, bis am Ende nur noch einer von ihnen (Alfred Molina in seiner ersten Rolle) übrig ist. Gemeinsam mit Jones betritt er eine Höhle voller Trickfallen, die bereits einen Kollegen das Leben kostete, von unserem Helden jedoch ausfindig gemacht werden. Der Auftakt ist teils eine direkte Übernahme des Donald-Duck-Abenteuers The Prize of Pizarro, welches seine Schatten auch in die zwei Fortsetzungen geworfen hat. Berühmt geworden ist hierbei die Flucht vor der riesigen Steinkugel, wie die Auftaktszene allgemein weitaus erinnerungswürdiger und gelungener als das Filmende geraten ist. Im Prolog treffen wir nicht nur erstmalig den Helden, sondern auch den Antagonisten des Films.

Der französische Archäologe Belloq (Paul Freeman) ist im Grunde nur die Karikatur eines Archäologen, wie Spielberg vermehrt in seinem Film veranschaulichen wird. Inkompetent wie Belloq ist, wird er in jeder einzelnen Szene auf Indys Hilfe angewiesen sein, um das zu bekommen, was ihm eigentlich vorschwebt. Seine scheinbare Skrupellosigkeit wird lediglich in den Szenen mit Marion in Frage gestellt, am eindrucksvollsten bei Arnold Tohts (Ronald Lacey) Auftritt in Ägypten. Die Anfangsszene wiederum zeigt auch einen typischen Zug der Jones-Serie, nämlich ein Artefakt, für das der smarte Archäologe sein Leben aufs Spiel setzen wird, ohne dieses am Ende seines Abenteuers mit nach Hause nehmen zu dürfen. Sei es hier der goldene Schädel und die Bundeslade, die mystischen Steine im zweiten oder der Heilige Gral im dritten Teil – alle diese Artefakte, muss Indy nach kurzen Besitz letzten Endes aufgeben und charakterisiert dadurch dennoch einen Sieg selbst in der Niederlage.

Letzteres verstärkt sich auch deshalb, da diese finalen Momente auch immer Jones’ Gegner beinhalten, die im Gegensatz zu ihm nicht von den Objekten lassen wollen und schließlich durch sie ihr Verderben finden. Am deutlichsten wird dies in der Klimax des dritten Teils zu sehen sein und auch das Ende des vierten Teils rund um Cate Blanchetts Agentin Spalko dürfte dies beinhalten – zumindest wenn Spielberg seinem Franchise treu bleibt. Nunmehr hat er seinen Helden installiert, das Publikum weiß, dass Jones ein tougher Kerl ist. Veranschaulicht auch an der Referenz der Macher zu den klassischen Geschichten der 1930er und 1940er, wenn Jones auf seiner gesamten Flucht, inklusive Sprung ins Wasser, seinen Hut nicht verlieren wird. Nach der starken Einleitung präsentiert Spielberg das zweite Gesicht seiner Figur, quasi ihre eigentliche Tarnung, die Clark-Kent-Essenz dieses Superman. Als Dr. Jones unterrichtet der eben zur Schau gestellte Held ein Klassenzimmer bebrillt und im Anzug.

Irritierte ihn gerade nicht einmal eine Horde mordlüsterner Eingeborener, gerät er nun ins Stocken als ihm eine seiner Studentinnen auf einfallsreiche Weise ihre Gefühle gesteht. Jones ist ein Kind im Körper eines Mannes, das zwar durchaus ein Interesse an Frauen hat, wie die drei Teile jedoch zeigen werden zu diesen aber ein mitunter zwiespältiges Verhältnis besitzt. Jetzt bringt Spielberg das Artefakt ins Spiel, als die US-Regierung Indy auf die Suche nach der Bundeslade schickt, einem Heiligtum des Judentums, verloren geglaubt und nun von den Nazis für den Endsieg gesucht. Die Geschichte spielt 1936 und die Nürnberger Gesetze wurden zwar ein Jahr zuvor verabschiedet, das Münchener Abkommen ist aber noch zwei Jahre entfernt und der Holocaust zu diesem Zeitpunkt höchstens eine Idee. Dennoch geben die Nazis die universellen Bösewichte, personifiziert in einer einzelnen Figur, die einen mehr als bezeichnenden – jedoch ungenannten – Namen erhielt: Arnold Toht.

Angeblich hatte Klaus Kinski die Rolle abgelehnt, die auf Jahre das Filmbild der Nazis bestimmen sollte: das Bild eines skrupellosen, unbarmherzigen Sadisten. Arnold Toht wird gemeinsam mit der weiblichen Hauptfigur Marion Ravenwood (Karen Allen) in die Handlung eingeführt und Spielberg geht bereits hier ungalant mit Toht um, wenn er ihn ins Lächerliche abdriften lässt. Und nicht nur hier, legt Toht den ganzen Film hindurch seinen schwarzen Mantel nicht ab, weshalb er sich im Filmfinale in brütender Hitze entsprechend den Schweiß von der Stirn wischt. Trotz seines Nazi-Status’ ist Toht jedoch nicht der Hauptantagonist, vielmehr ist es durchweg Belloq, der mit allen Mitteln an die Bundeslade gelangen möchte. Ein Merkmal, dass sich im dritten Teil wiederholen wird, der ohnehin ein Spiegel von Raiders of the Lost Ark ist. Indy befindet sich jeweils in einem Wettstreit mit Nazis um ein Artefakt, mit denen er sich unentwegt beharkt, aber mal um mal einen Schritt voraus ist.

Als Parallele zum Antagonisten-Trio stellt Spielberg Indy und Marion den ägyptischen Gräber Sallah (John Rhys-Davies) an die Seite. Dieser sollte eigentlich von Danny De Vito gespielt werden, der aufgrund seines Engagements in der Serie Taxi unabkömmlich war. Ähnlich verhielt es sich bei Tom Selleck, der nur wegen Magnum, P.I. nicht zu Indy wurde, aber ohnehin nicht Spielbergs erste Wahl war. Dies war Harrison Ford, der erst drei Wochen vor Drehbeginn zum Team stieß und von Lucas vorab abgelehnt worden war, um nicht nach Star Wars und American Graffiti sein Robert De Niro zu werden. Die Szenen in Kairo, wo Indy und Sallah die Bundeslade finden, wurden amüsanterweise in Tunesien gedreht, am selben Set, das zuvor für Lucas’ Wüstenplaneten Tatooine in Star Wars herhielt. Es sind auch die Kairo-Szenen, mündend in Indys Flugfeldprügelei und seiner rasanten Verfolgungsjagd, die den eigentlichen Höhepunkt des Films bilden, an den das Ende nicht mehr anzuknüpfen vermag.

Raiders of the Lost Ark ist ein im Grunde perfekter Abenteuerfilm, der über seine gesamte Dauer zu gefallen weiß, bisweilen erstaunt, oft genug amüsiert und somit die Eigenschaften erfüllt, die ihm das Kennedy Center zuschreibt. Ein selbstironischer Held, wenn auch ein absolut US-amerikanischer, der mit Peitsche, Lederjacke und Hut die Kontinente bereist und sich mit höheren Mächten anlegt. Das alles im Gewand eines B-Movies, das schließlich doch kein B-Movie mehr wurde. Im Gegenteil, wurden die Effekte von Lucas’ Trickschmiede ILM sogar ausgezeichnet und starteten ein Franchise, dessen vermeintlicher Abschluss ein Achtfaches des einstigen Budgets einspielten. Ein Spaßfilm, dessen Drehbuch zu Recht nicht für den Oscar nominiert wurde, wobei dies auch sicher nie die Intention der Macher war. Bestückt mit vielen Referenzen zu Casablanca, Citizen Kane und vielen anderen Klassikern war Raiders of the Lost Ark zugleich der Vorbote eines weiteren als Meisterwerk erachteten Films.

Denn in den Drehpausen des Films schrieb Spielberg gemeinsam mit Harrison Fords damaliger Ehefrau Melissa Matheson das Drehbuch zu E.T. – The Extra-Terrestrial, der ihm ein Jahr später eine weitere Nominierung als bester Regisseur einbringen würde. Das einzige, was an Raiders of the Lost Ark etwas zu missfallen weiß, ist zum einen die Vielzahl an Set Pieces und die darauf resultierende Überlänge und zum anderen das Filmende selbst, das Spielberg quasi vor Ort entwirft, ohne näher auf dessen Mysterien einzugehen. Um was es sich bei den Geistern der Bundeslade handelt, wieso sie feindlich gesinnt sind und warum bloßes Augenverschließen vor ihnen schützt – all das erläutert wird nicht erläutert und erzeugt somit kaum Spannung. Stattdessen liefern nette Effekte einen gewissen Gore-Faktor. Hätten sich Spielberg, Lucas und Kasdan hier noch etwas kreativer gezeigt, wäre Raiders of the Lost Ark perfekt geworden. Aber auch so zählt er zu den unsterblichen Meisterwerken des Kinos.

10/10

7 Kommentare:

  1. Ich hätte ja wirklich zu gern Kinski in der Rolle des Nazis gesehen... :D

    Langsam aber sicher bekomme ich doch wieder Lust, die vor dem Start des Vierten zu wiederholen...

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  2. Diese Kritik beweist einmal mehr deinen Historiker-Status. Du und deine Anekdoten. :D

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  3. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  4. Oh, jetzt du auch, ja? ;)

    Mit 28 Jahren lieferte er seinen ersten Kinofilm (The Sugarland Express) ab und gelangte ein Jahr später mit Jaws bereits zu Ruhm.

    DUEL kam außerhalb der USA auch ins Kino, aber gut, das war nur ein Klugscheißer-Bonus. ;)

    Indy als amerikanischen Helden festzumachen, finde ich übrigens gut und richtig, das hatte ich ganz vergessen (zumal ich ja das Thema Familie ansprach und die USA hier im Prinzip die Ersatzfamilie bilden).

    Das Bild der Nazis wird Spielberg auch im dritten Teil beibehalten, der ohnehin eine gewisse Spiegelung zum ersten Teil sein wird.

    Netter Euphemismus für: Einfallsloses Quasi-Remake. ;)

    Ansonsten: Die ganzen Hintergrundinfos etc. interessieren mich trotz sicher sorgfältiger Recherche persönlich ehrlich gesagt nie, das ist so Zeug, was man auch in Presseheften lesen kann, und da kennst du meine Meinung ja.^^

    Und ein Meisterwerk ist der Film ja nun absolut nicht, also bitte.

    Ansonsten: Viele gute Punkte.

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  5. Ich finde Raider of the Lost Ark ist neben Jurassik Park und E.T. Spielbergs bester Film. Er konzentriert sich genau auf das was er wirklich kann. Von Abenteuern erzählen. Das Ende finde im übrigen gar nicht schlecht und meinetwegen hätte gar keine Serie draus werden müssen.

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  6. Netter Euphemismus für: Einfallsloses Quasi-Remake.

    Die starken Parallelen sind mir erst beim Schreiben wirklich aufgefallen, wenn ich den 3. demnächst dann sehe und bespreche, gehe ich darauf nochmal ein ;)

    Die ganzen Hintergrundinfos etc. interessieren mich trotz sicher sorgfältiger Recherche persönlich ehrlich gesagt nie, das ist so Zeug, was man auch in Presseheften lesen kann, und da kennst du meine Meinung ja.

    Ist mir bekannt, ja. :) Im mag diese Hintergrundinfos :D

    Und ein Meisterwerk ist der Film ja nun absolut nicht, also bitte.

    Momentchen Mal, ich geb ihm quasi 9/10 für den Film, also nur einen Punkt im Grunde mehr als du, und den letzten bekommt er, weil er eine persönliche Bedeutung hat, so wie deine 100%-bewerteten. Erzähl mir nicht, dass RIPLEY ein Meisterwerk sei :P

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  7. Vollste Zustimmung hierfür von meiner Seite. Hätte auch Lust die Reihe vor dem vierten Teil noch einmal einzuschieben.

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