20. Dezember 2009

The Soloist

It’s a gift.

Die schönsten Geschichten schreibt das Leben. Sagt man immer. Und man würde es nicht sagen, wenn dem nicht so wäre. Wenn eine Geschichte in der Zeitung landet und von der Zeitung in einen Roman und von einem Roman in einen Film mündet, dann wird sie wohl richtig schön sein. Ergreifend. Möglicherweise Material für die Oscars. Wenn der betreffende Film, dessen Start für den Herbst 2008 vorgesehen war, dann jedoch in den Frühsommer 2009 verschoben wird, wirft dies kein sonderlich gutes Licht auf das Projekt. In Deutschland startete The Soloist im Dezember und damit jenseits von Gut und Böse. Dabei schrieb doch alles bei diesem Projekt nach Oscar. Man konnte mit Jamie Foxx einen bereits ausgezeichneten Preisträger gewinnen, komplettiert mit zwei weiteren Nominierten in Form von Robert Downey Jr. und Joe Wright. Und dann basierte die Geschichte des Filmes auch noch auf wahren Begebenheiten. Aber manchmal ist nicht alles Gold was glänzt.

Mit The Soloist nahm sich Wright zum dritten Mal in Folge einer Literaturverfilmung an. Im Gegensatz zu Pride & Prejudice und Atonement jedoch kein period piece und auch keine Keira Knightley. Stattdessen die Adaption von Steve Lopez’ autobiographischem gleichnamigen Buch. Dieses erzählt von Lopez, seiner Zeit Kolumnist der Los Angeles Times, der zufällig auf den obdachlosen Cellisten Nathaniel Anthony Ayers Jr. trifft. Als er von dessen Ausbildung an der renommierten Musikschule Juilliard erfährt, erarbeitet er eine Kolumne, der daraufhin weitere folgen. Aus dem Arbeits- wird ein Freundschaftsverhältnis. Und der obdachlose und an Schizophrenie leidende Ayers fand wieder einen Weg zu einem „normalen“ Leben bzw. den Weg zurück zu seinem Leben als respektierter Musiker. Eine herrliche Geschichte. Geboren fürs Kino. Geboren für Auszeichnungen. Aber was über die Zeitungsschwärze ergreifend ist, muss auf Zelluloid noch lange nicht so sein.

Nun macht Wrights Film nicht alles falsch, aber doch genug, um das Gesamtergebnis zu trüben. Einerseits hat man die - durchaus gelungene - Besetzung der entscheidenden Rollen von Steve Lopez (Robert Downey Jr.) und Nathaniel Ayers (Jamie Foxx). In der deutschen Synchronfassung stellen sich dann bereits Probleme ein, wenn Dietmar Wunder hier zum ersten Mal seit Ally McBeal Downey Jr. wieder seine Stimme leiht. Nun versteht man, warum Charles Rettinghausen ihn nicht sprechen konnte - schließlich ist er auch die Synchronstimme von Jamie Foxx (und macht seinen Job hier wieder exzellent) -, aber scheinbar gab es entweder kein Geld für Tobias Meister oder dieser hatte einfach keine Zeit. Jedenfalls versagt Wunder auf ganzer Linie, was hinsichtlich der Tatsache, dass seine Figur die Hauptrolle und den Erzähler mimt, durchaus ein Ärgernis darstellt. Hinzu kommt, dass Downey Jr. wie immer in seinen Drama-Rollen sehr viel besser aufgeht als sonst, aber im Vergleich mit Foxx einfach den Kürzeren ziehen muss.

„You never go full retard“, hatte Downey Jr. noch in in seiner Oscar-nominierten Rolle als Afro-Amerikaner in Tropic Thunder erklärt. Und auch Foxx geht nicht „full retard“, sondern gibt seinen Nathaniel Anthony Ayers Jr. als Menschen, der auch im scheinbaren Wahnsinn seinen Verstand bewahrt hat. Die Geschichte von Lopez’ und Ayers’ Annäherung wird gut und einfühlsam von Wrigth präsentiert. Aus dem ersten Interesse für die Kolumne wird ein persönliches Interesse. Aus diesem letztlich ein Anflug von Freundschaft, vielmehr jedoch der Wunsch, jemandem etwas Gutes zu tun. Hier hat The Soloist seine starken Momente. Beispielsweise wenn Ayers in einer Straßenunterführung für die Tauben spielt, da diese ihm bei ihrem Aufstieg gen Himmel per Flügelaufschlag Applaus schenken. Konterkariert wird diese Szene nur dadurch, dass die Kameraeinstellung die Bewegtheit von Downey Jr. wie Müdigkeit erscheinen lässt.

Besonders bewegend ist eine Szene geraten, in der eine pensionierte Frau Lopez ihr altes Cello schickt, als sie in dessen Kolumne von Ayers gelesen hat und der Tatsache, dass er aus Mangel an Alternativen auf einer zweiseitigen Violine spielt, ihm ihr ehemaliges Instrument zukommen lassen möchte. Das Fettnäpfchen, in das Wright nun jedoch tritt, ist seine Ambition mehr zu erzählen als nötig gewesen wäre. Da wird einerseits die Geschichte über Ayers zu einer Geschichte über alle Obdachlosen in Los Angeles, andererseits ist dies jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zu dem wirklichen Übel des Filmes. Wright versucht sich darin, Ayers auf noch mit einer Hintergrund-Handlung zu versehen, was einen leicht überalteten Foxx dazu zwingt, einen Mann um die Zwanzig zu mimen, der plötzlich - quasi von Null auf Hundert - der Schizophrenie anheim fällt. Die Ausflüge in die kritische Juilliard-Zeit sind hierbei nicht nur unnötig für das Verständnis des Filmes, sondern auch noch störend für den Erzählfluss der restlichen Geschichte.

Es hätte also vollkommen ausgereicht, sich auf einen 100-minütigen Film rund um Ayers und Lopez zu fokussieren, ohne dass man das Szenario noch mit Ayers’ Background und Lopez’ Privatleben - die noch leise köchelnde Liebe zur Ex-Frau (Catherine Keener) und ein Waschbär-Problem im Garten teilen sich die Zeit - hätte auswälzen müssen. Auch mit der Integration der klassischen Stücke, vormerklich Beethoven - hat man sich nicht immer einen Gefallen getan. Diese geraten oftmals zu lang bzw. rufen keinen besonderen Wiedererkennungswert hervor, da der Laie auf Anhieb nicht unbedingt identifizieren kann, ob Ayers die Stücke nun gut oder schlecht interpretiert. Manchmal sagt eine 117-zeilige Kolumne eben doch mehr als es ein 117-minütiger Film auszudrücken vermag. So ist The Soloist ein Werk, das sein Potential weitestgehend nicht auszuschöpfen kann. Weshalb im Nachhinein wohl auch die Entscheidung gerechtfertigt war bzw. ist, dass der Film bei den Oscars außen vor blieb. Es ist nicht alles Gold was glänzt.

7.5/10

1 Kommentar:

  1. Beispielsweise wenn Ayers in einer Straßenunterführung für die Tauben spielt, da diese ihm bei ihrem Aufstieg gen Himmel per Flügelaufschlag Applaus schenken.

    Sehr wahr. Das war wirklich eine sehr, sehr schöne und bewegende Szene und eine der wenigen wo ich gedacht habe: Jawoll!

    Ansonsten gebe ich dir fast vollständig recht. Foxx war gut (Von Downey Jr. war ich allerdings ein wenig enttäuscht) und auch ich bin der Meinung, dass sich der Film zum Einen sein überambitioniertes Statement zur Obdachlosenproblematik besser geschenkt hätte, und zum Anderen die Rückblenden in der Tat sehr störend waren. Schade um große Potential, das die Geschichte ohne Zweifel gehabt hat.

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