4. März 2008

Michael Clayton

I am Shiva, the god of death.

„Wenn man sich einmal all das anschaut, was ich über die Jahre so geschrieben habe, dann wird man feststellen, dass ich vom Thema Arbeit besessen bin: Was Leute tun, wie viel sie dabei verdienen, und auf welche Art und Weise sie es tun. Mich faszinieren die dabei entstehenden Gewissenskonflikte, Sehnsüchte und Entscheidungen“, sagt Regisseur und Drehbuchautor Tony Gilroy. Dies sagt der Mann der einer von sechs verantwortlichen Autoren an Michael Bays Armageddon war und zudem die Geschichten für die Actioner Bait und Proof of Life geliefert hat. Seinen Ruhm und größten Erfolg verdankt Gilroy jedoch seiner eigenen Arbeit an der Adaption von Robert Ludlums Bourne-Trilogie für die große Leinwand. Mit Michael Clayton liefert er nunmehr sein Regiedebüt, finanziert von vier Oscarpreisträgern und Regiekollegen: Anthony Minghella, Steven Soderbergh und dazu noch die beiden im Film auftretenden Sydney Pollack und George Clooney. Verwunderlich warum bei dieser illustren Runde gerade sein alter Spezi Taylor Hackford fehlt, immerhin hat er für diesen drei Drehbücher entwickelt (Proof of Life, The Devil’s Advocate, Dolores). Bei so vielen potenten Produzenten wird es ein leichtes gewesen sein, die 25 Millionen Dollar Produktionskosten zusammen zu treiben und schließlich einen Thriller zu kreieren, der altmodisch anmutete und relativ wenig mit Gilroys bisherigen Werken zu tun haben will, schließlich gehen ihm die Actionelemente aller seiner vorherigen Filme ab.

Es ist früh am Morgen und ein Mann Mitte Vierzig hat seinen Wagen verlassen um einen Hügel hinaufzusteigen und sich drei Pferden gegenüberzusehen. Ein stiller und ruhiger Moment, die Augen des Mannes und der Pferde treffen sich – da explodiert der Wagen des Mannes am Straßenrand. Die Handlung wird vier Tage in die Vergangenheit gespult, um nachvollziehbar zu machen, was der Auslöser hierfür war. Das Chemieunternehmen U/North sieht sich gerade einer drei Milliarden Dollar schweren Sammelklage entgegen, als ihr Verteidiger Arthur Edens (Tom Wilkinson) bei einer eidesstattlichen Aussage entblößt und einen Nervenzusammenbruch erleidet. Edens Kanzleichef Marty Bach (Sydney Pollack) schickt seinen langjährigen rechtlichen „Ausputzer“ Michael Clayton (George Clooney) um Edens und somit den Fall vor weiterem Schaden zu bewahren. Clayton, dessen privates Standbein – ein Restaurant – bankrott gegangen ist, versucht zu verstehen was in seinen Kollegen und Freund Arthur gefahren ist. Dieser scheint auf ein Geheimnis des U/North-Konzerns gestoßen zu sein und hat sich nebenbei in eine der Klägerinnen verliebt. Als Clayton Edens aus den Augen verliert, schickt die U/North’s Leiterin der Rechtsabteilung, Karen Crowder (Tilda Swinton) ihre Männer aus, um herauszufinden was Edens und Clayton wirklich wissen und beide daran zu hindern mit ihrem Wissen publik zu gehen.

Die Idee zu Michael Clayton kam Regisseur und Autor Tony Gilroy bereits vor zehn Jahren, als er 1997 für seinen mystischen Justiz-Thriller The Devil’s Advocate in verschiedenen Anwaltskanzleien recherchierte. Dort wurde er mit unterschiedlichen Fällen konfrontiert, unter anderem auch einen, der dem im Film dargestellten nicht unähnlich ist. Diese Umstände und Arbeit faszinierten Gilroy so sehr, dass sie schließlich in seinem Clayton-Skript kulminierten. Als Wirtschaftsanwalt stellt man seinen Auftraggeber nicht in Frage und gewinnt seinen Fall, auch wenn dies auf Kosten unschuldiger geschieht. Ein Problem, welches die Ausgangssituation für Gilroys Film darstellt, denn der für den Chemiekonzern U/North abgestellte Rechtsverteidiger Edens findet heraus, dass das von U/North vertriebene Pflanzenschutzmittel bei den Farmern Krebs auslöst. Da er sich zudem in Anna, eine der Farmerinnen der Sammelkläger verliebt hat, gerät er in einen Gewissenskonflikt der (s)einen Nervenzusammenbruch bewirkt. Als Clayton eintrifft, versucht Edens auch diesen von der Falschheit ihrer Taten zu überzeugen und auf seine Seite zu bringen. Seine Spielhand zeigt er ihm dabei allerdings nicht, da er Clayton nicht vollends vertraut. Dass sich Karen Crowder des Falls angenommen hat, lässt erahnen in welche Richtung die Problematik abgedriftet ist und Clayton merkt fortan, wie er sich immer tiefer in den Fall verstrickt und zwischen die Fronten gerät – dabei hat er an seinen eigenen Problemchen zu knabbern.

Obwohl Clayton seit fünfzehn Jahren bei der New Yorker Anwaltskanzlei Kenner, Bach & Ledeen angestellt ist, wurde er immer noch nicht zum Partner befördert sondern darf weiterhin als „Ausputzer“ dienen, der die Drecksarbeit für andere erledigt. Unzufrieden von dieser Situation wollte sich Clayton ein zweites Standbein schaffen und eröffnete ein Restaurant, das allerdings pleite gegangen ist, was ihm nunmehr $75.000 Schulden eingebracht hat, die er nicht im Stande ist zu begleichen. Da Claytons Kanzlei kurz davor steht mit einer Londoner Filiale zu fusionieren, ist sein Chef Marty Bach durch den Zwischenfall mit Edens durch Crowder unter Druck gesetzt, welchen er wiederum auf Clayton umleitet. Dieser weiß die Situation für sich zu nutzen, um einen gewaltigen Erfolgsbonus abzuschließen, sollte es ihm gelingen Edens unter Kontrolle zu kriegen. Außerdem kümmert sich Clayton noch um die Erziehung seines Sohnes, von dessen Mutter er in Scheidung lebt. Später wird ein Buch, das dem Jungen etwas bedeutet, auch für Edens und Clayton noch von Bedeutung sein und deren Leben stark beeinflussen, ansonsten dient Claytons Sohn wie seine beiden Brüder lediglich als menschliche Facette zur Erschließung des Charakters. Eine Freundin, die er hatte wurde von Gilroy schließlich aus der finalen Fassung herausgeschnitten, wahrscheinlich weil es zu sehr von der Problematik der Figur abgelenkt hätte. Clayton ist unzufrieden mit seinem Leben, mit seiner Situation und angewidert von seiner Arbeit – er wird ebenso vom U/North-Fall beeinträchtigt wie Arthur.

Das Anwälte meist ebenso schmutzige Wäsche vorzuweisen haben wie die Leute die sie verteidigen, das ist nichts Neues und dass große Unternehmen am meisten Dreck am Stecken haben, das war ebenfalls bekannt und wurde bereits in Filmen wie Erin Brokovich oder A Civil Action behandelt, eigentlich auch in jeder zweiten John Grisham-Verfilmung. Beeindrucken kann Gilroy mit seiner bloßen Geschichte nicht, folglich beruft er sich auf die Darstellung der zentralen Figur des Anwalts, Michael Clayton, und seinem Konflikt mit dem Fall. Allerdings war auch dies bereits in Steve Zaillians Film von 1998 der Fall, sodass Michael Clayton trotz seiner guten weil ruhigen Erzählstruktur wenig bis nichts Neues zur Thematik beitragen kann. Die schauspielerischen Leistungen sind in Ordnung, wobei lediglich Tom Wilkinson seine Oscarnominierung rechtfertigen kann. Dass Tilda Swinton für ihren viertelstündigen Auftritt gegenüber Ronan, Ryan und Blanchett gewonnen hat, ist mehr als verwunderlich. Schlimmer noch ist das ganze bei George Clooney, dem es wieder mal nicht gelingt hinter seinem Charakter zu verschwinden. Seine Figur besitzt kaum eigenes Leben, nie sieht man Michael Clayton, immer bewährt sich George Clooney im Vordergrund.

Selbst Constantin Film propagiert den Film als „George Clooney ist Michael Clayton“, dabei eine Schriftgröße für Clooneys Namen wählend, die gut 75% der des Filmtitels entspricht. Auf die Motivationen seiner Figuren bzw. die Bedeutung des Szenarios geht Gilroy dabei sehr wenig ein. Warum dreht Edens auf einmal durch und inwiefern war dies möglich? Die Auswirkungen auf die Figuren und der Figuren selbst sind nicht immer schlüssig, so auch die finale Auflösung. Daher verwundern auch die anderen drei Nominierungen als bester Film, beste Regie und bestes Originaldrehbuch, mit Abstrichen auch die für die beste musikalische Untermalung, hier scheint sich ein diesjähriges Crash-Phänoment gezeigt zu haben, einen eher kleineren „Independent“-Film hypen zu wollen. Dem für There Will Be Blood ausgezeichneten Robert Elswit gelingen dafür einige schöne Einstellungen, so zum Beispiel die Schlüsselszene mit Clayton und den Pferden, aber auch die Szene mit Edens und seinem Offenbarungsanruf bzgl. U/North sind ausgesprochen gut gelungen. Dennoch weiß die Geschichte über die weitesten Strecken hin nicht immer zu überzeugen, wieso hat Clayton seine einst brillante Karriere aufgegeben um Ausputzer zu sein und weshalb führt er den Job weiterhin durch, auch oder gerade obwohl er mit ihm unzufrieden ist? Allein an seinem in New York lebenden Sohn kann es nicht liegen. Es ist jedoch hervorzuheben, dass der Film entgegen seiner vorherigen Skripte des Autors erstaunlich schnörkellos erzählt wird, hierin liegt die Stärke des Filmes, auch wenn es ihm an angesprochenen Ecken etwas fehlt.

7/10

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