11. November 2007

Mystic River

Things lookin’ any better on the Sprite?

Drei Jungen spielen Straßenhockey, da verschlägt Dave den Ball und er rollt in einen Gulli hinunter – das Spiel der drei ist beendet. Jimmy schlägt vor ein Auto zu knacken und es um den Block zu fahren, Sean ist jedoch dagegen. Stattdessen wollen die drei ihre Namen in frischen Zement schreiben, werden aber durch das Eintreffen zweier Zivilpolizisten dabei unterbrochen. Der Polizist fragt wo die Jungs wohnen, Dave ist der einzige, der nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnt. Seine Autorität ausnutzend zwingt der Polizist Dave auf seine Rückbank, Jimmy und Sean schauen zu wie ihr Freund Dave eskortiert wird. In kurzen Schnitten wird nun offenbart, dass es sich nicht um Polizisten, sondern Pädophile gehandelt hat, welche Dave in einem Keller missbrauchten, ehe es im gelang zu fliehen. Mehrere Jahre später sieht man nunmehr einen sichtlich verstörten Dave (Tim Robbins) mit seinem Sohn an ebenjener Strasse vorbeilaufen, an der eins seine eigene Jugend zerstört wurde. Dave ist mit Celeste (Marcia Gay Harden) verheiratet, einer Cousine von Annabeth (Laura Linney), der Frau von Jimmy (Sean Penn). Dieser ist seiner kriminellen Natur anheim gefallen, beweist sich jedoch als liebevoller Vater seiner drei Töchter. Als seine älteste eines Nachts ermordet wird tritt Sean (Kevin Bacon), nunmehr Kriminalbeamter im Staatsdienst, auf und muss gemeinsam mit seinem Partner Whitey (Laurence Fishburne) Dave als Tatverdächtigen untersuchen.

Die Geschichte von Mystic River basiert auf einem Roman von Dennis Lehane und wurde für die Kinoleinwand von dem Oscarpreisträger Brian Helgeland (L.A. Confidential) adaptiert. Im Jahr 2003 wurde Clint Eastwoods Film für sechs Oscar nominiert, neben dem besten Film, dem besten adaptierten Drehbuch, der besten Nebendarstellerin (Marcia Gay Harden) und der besten Regie konnte er in den Kategorien bester Haupt- (Penn) und Nebendarsteller (Robbins) auch zwei Preise entgegennehmen. Mit einem tollen und perfekt aufspielenden Schauspielerensemble erzählt Eastwood seine Geschichte über Rache und Sühne in den Arbeitervierteln von Boston vor allem durch die Verwendung von Kamerakränen. In fast jeder Szene verwendet er eine solche Kamerafahrt, am liebsten für die Übergänge zwischen den Szenen. Zwar nett anzusehen, jedoch ziemlich überflüssig. Seinen eigenen Angaben nach wusste Eastwood sofort als er das Buch von Lehane (dessen weiterer Roman Gone Baby Gone dieses Jahr von Ben Affleck inszeniert worden ist) gelesen hatte, dass dies sein nächster Regiestoff werden sollte und konnte hierfür viele Stars bis in die Nebenrollen (Emmy Rossum, Eli Wallach) gewinnen. Mit seiner Einleitung schafft der Film ein Paradebeispiel für einen Vorfall, welcher selbst Autor Lehane widerfahren ist: Kinder, steigt nicht zu fremden Männern ins Auto! Nur weil sich jemand als Polizist ausgibt, heißt dies nicht, dass er einer ist. Und wie Jimmy und Sean dem Auto hinterher blicken, offenbart dies ihre zukünftige Einstellung und Karriere. Jimmy, der designierte Autoknacker, scheint sein Vertrauen in das Gesetz verloren zu haben und nun nach seinen eigenen Richtlinien zu leben, während Sean den Polizeiberuf wählte, um gerade solches Unrecht nicht mehr auftreten zu lassen. Dave dagegen lebt gefangen in seiner eigenen Welt voller Angst.

An zwei Abenden sollen sich die Schicksale aller Charaktere treffen und das Leben von allen verändern. Jimmys Tochter will mit ihrem Freund nach Las Vegas ausbüchsen und feiert ein letztes Mal mit ihren Freundinnen, kommt danach jedoch nicht mehr lebend nach Hause. Am selben Abend hat Dave sie noch gesehen und kehrte anschließend verletzt und blutüberströmt nach Hause, erklärt seiner Frau jedoch, dass er einem Überfall entkommen ist. Jimmy, von Schmerz verzerrt, will das Gesetz in die eigenen Hände nehmen und beordert seine Jungs nach Beweismaterial zu suchen. Auch Sean und sein Partner Whitey untersuchen den Fall, möglichst bevor Jimmy etwas Dummes tun kann. Während Sean den Freund der Toten verdächtigt, hat Whitey sein Augenmerk auf Dave gerichtet, auch Celeste hegt allmählich Verdachtsmomente gegen ihren Mann und so nimmt die Geschichte langsam einen dunklen Verlauf, hinüber ins Misstrauen. Dass alle drei Freunde hierbei im Laufe des Filmes von sich behaupten, nicht miteinander befreundet zu sein, spricht für ebenjenen Tag, an welchem nicht nur Daves Unschuld, sondern die Unschuld aller drei geraubt wurde und die Bande zwischen ihnen zerstört hat.

Daves Schicksal wird schließlich zweimal in einander gegenübergestellten Szenen bestimmt, denn zweimal steigt er zu zwei Männern ins Auto ein, die ihm nichts Gutes wollen. Verraten und verkauft ist Dave, dessen wahres Ich damals in Keller gestorben zu sein scheint. Keiner will ihm glauben, manches spricht gegen ihn, z. B. Blut in seinem Kofferraum. Seltsam ist jedoch, dass die forensische Abteilung keine DNA-Untersuchung an dem Blut vornehmen kann, um festzustellen, ob es sich tatsächlich um Katies (Emmy Rossum) Blut handelt. Dies hätte Dave mit Sicherheit entlastet, auf diese Idee kommt jedoch keine der Figuren. Die Tatwaffe wird gefunden und zu einem gewissen Ray Harris zugeordnet, ebenjener Ray Harris, der Jimmy einst verraten und danach scheinbar seine Familie, seinen Sohn Brandon, verlassen hat, welcher nun mit Katie zusammen war. Auch dieses Indiz bleibt ohne wirkliche Berücksichtigung. Genauso wie der Notruf am Tatabend, den sich die ermittelnden Polizisten erst Tage später anhören! Schlampiger kann man wohl nicht arbeiten und allgemein plätschert die Geschichte nur so vor sich hin, dreht sich im Kreis, macht keinen Sinn und stagniert. Hier hat man Dave als Tatverdächtigen, mit Blut im Kofferraum, welches man jedoch nicht untersuchen will. Die Tatwaffe wird mit jemanden aus Jimmys Vergangenheit in Verbindung gebracht – Pustekuchen, warum groß ermitteln. Dehane schreibt seine Geschichte so, dass kein anderer Ausweg übrig bleibt, als der, welchen er schließlich in seiner Geschichte offeriert. Dabei ignoriert er alle logischen Lösungen für das von ihm gestellte Problem.

So gut die Schauspieler und Schauspielerinnen auch spielen, das Ambiente, die Optik stimmt – so sehr hadert Mystic River mit seiner inkonsequenten und schlechten Handlung. Die Charaktere verhalten sich unnatürlich, sehen nur dass, was sie sehen wollen und lassen ins Auge fallendes Beweismaterial einfach außer Acht. Dave wird dabei als klassisches Sexualopfer inszeniert und ist damit für Whitey schon im Vorfeld vorverurteilt. Die finale Auflösung ist dabei in ihrer Aussage nicht nur absolut unwahrscheinlich, da sich alles auf die reinsten Zufälle – oder absurdes Schicksal – beruft, sondern auch vollkommen profan, billig, armselig. Wie die Figuren am Ende nicht nur mit dem Verlauf der Handlung, sondern auch mit sich selbst umgehen, ist logische Konsequenz aus den ganzen anderen unlogischen Handlungen durch den Film hinweg. Nach dem Motto „nach mir die Sinflut“ widmet sich alles wieder den alten Gepflogenheiten, auf ebenjener Strasse, in der einst ihre Freundschaft und ihre Kindheit jäh beendet wurden. Mystic River will vieles sein, was er nicht ist, spannend, gewichtig – was am Ende bleibt, ist ein technisch gut gemachter, sehr gut gespielter, durchschnittlicher und überbewerteter Krimi, mit einer äußerst schwachen Story und Nebenhandlungen (Seans Frau), die irrelevant für die Handlung und langweilig sind. Das beste am Film sind in der Tat die Darstellungen von Penn und Robbins – der Rest ist Schweigen.

5.5/10

3 Kommentare:

  1. Harte, aber durchaus nachvollziehbare Worte, wenngleich ich MYSTIC RIVER ziemlich großartig finde. Eine seiner von dir ausgemachten Stärken - Penn - sehe ich hingegen nicht, was der da macht, ist für mich ziemlich schmerzvolles Over-Acting.

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  2. PS, weil es mir noch einfiel: Der Film geht mit seinem Sujet ziemlich fragwürdig um, das muss noch gesagt werden. Kindesmissbrauch ist ein heikles Thema, für das Eastwood insgesamt kaum Nuancen findet.

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  3. sehr gutes Review, ich sehe aber auch Penns Overacting mit zunehmender Abscheu. Von der "Verharmlosung" des Themas, das lediglich als IMHO billiger Aufhänger dient, ganz zu schweigen.

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