27. März 2009

Rachel Getting Married

I am Shiva the destroyer.

Während des letzten Jahrzehnts ist es still geworden um Regisseur Jonathan Demme. Zwölf Oscarnominierungen hatten seine beiden Filme The Silence of the Lambs und Philadelphia zwischen 1991 und 1993 erhalten. Gerade auf Ersteren basiert Demmes Ruhm, der ihn bis heute begleitet. Der Jahrhundertwechsel ist dem Amerikaner nicht besonders gut gelungen, seine beiden Remakes von The Truth About Charlie und The Manchurian Candidate floppten. Es überrascht also nicht, wenn von seinen letzten neun Kinofilmen allein sechs Dokumentationen waren. Speziell der Musik fühlt sich Demme immer stärker verbunden, gerade hat er seine dritte Dokumentation über Neil Young abgedreht und sich bereits in die Arbeit über ein entsprechendes Pendant zu Bob Marley gestürzt. Es ist jene Entwicklung, die sich auch in Demmes neuesten Unterhaltungsfilm geschlichen hat, enthält Rachel Getting Married doch Elemente sowohl eines Musikfilms als auch einer Dokumentation. Und in gewissem Sinne markiert es sicherlich auch Demmes experimentellsten Film bisher. Gut möglich, dass es auch sein Letzter sein könnte.

Im traditionellen Verständnis sind die Buchmanns eigentlich keine wirkliche dysfunktionale Familie. Sie wirken im Gegenteil sogar recht harmonisch, zumindest dann, wenn sich die jüngste Tochter Kym (Anne Hathaway) nicht aktiv in das Geschehen einmischt. Zwar sind die Eltern geschieden, aber das ist heutzutage eher die Regel als die Ausnahme. Vater Paul (Bill Irwin) ist ein warmer, offener und emotionaler Mensch. Seine Ex-Frau Abby (Debra Winger) hingegen eher introvertiert und kalt. Die Frage ist hierbei weniger, wie zwei so unterschiedliche Menschen einst Liebe füreinander empfunden haben, sondern was sie schließlich auseinander getrieben hat. Denn etwas ist in der Familie Buchmann vorgefallen und es ist etwas, dass erst zur Mitte des Filmes hin deutlich wird, obschon die Anzeichen dafür bereits zu Beginn gesät werden. Das Bindeglied des gesamten Schmerzes personifiziert sich dabei in Kym, einer jungen Frau voller emotionalem Ballast auf ihren Schultern.

Wenn auch in sehr verdünnten Dosen offeriert Demme seinem Publikum in seinem 17. Spielfilm eine emotionale tour de force. Wird zu Beginn von Rachel Getting Married eine gut gelaunte Kym in einem psychologischen Betreuungsheim abgeholt, wandelt sich ihre Laune schon während der Autofahrt allmählich ins Negative. In diesen ersten Minuten werden die Ränder des großen Puzzles zusammengefügt. Scheinbar hatte Kym einst einen Autounfall, der einem anderen Menschen das Leben gekostet und der jungen Frau eine Popularität übers Fernsehen beschert hat. Kurz darauf stellt sich bei einem Treffen anonymer Drogensüchtiger heraus, dass Kym auch hierin involviert ist. Das ganze Ausmaß ihres persönlichen Abgrundes legt Demme peu a peu offen, während die Figur unentwegt wie ein verfolgtes Tier in die Ecke gedrängt wird. Hält sie sich fern, ist es nicht Recht, ist sie anwesend und macht den Mund auf, wird sie auch in ihre Schranken gewiesen. Weshalb Kym zur persona non grata verkommen ist beginnt sich allmählich zu entschlüsseln.

Drehbuchautorin Jenny Lumet, Tochter von Regie-Legende Sidney Lumet, ist bemüht ihrem Film, beziehungsweise der Hochzeit in jenem, durch den Einbezug vieler unterschiedlicher Kulturen jene Wärme zu verleihen, die dem familiären Zwist abgeht. Und so befremdlich diese multi-kulturelle Harmonie auch wirkt – davon abgesehen, dass sie unwahrscheinlich anti-amerikanisch ist -, kommt man nicht umhin Gefallen hieran zu finden. Dies ist sicherlich auch Demmes Entscheidung den Film zum größten Teil mit der Handkamera einzufangen zu schulden. Speziell in den Szenen mit Familienstreit schwenkt die Kamera wie ein menschlicher Kopf von der einen Partei zur nächsten und wieder zurück. Dadurch entsteht ein Gefühl der Anwesenheit, die Demmes Werk nur zum Besten gereicht. Dass die Bilder einen dokumentarischen Stil haben, verstärkt nochmals den Eindruck, als handele es sich hierbei lediglich um ein anwesendes Familienmitglied, welches das Szenario mit seiner Digitalkamera festhält.

Über allem schwebt dann noch die darstellerische Leistung von Anne Hathaway, die endlich einmal die Bestätigung liefert, dass sie in der Tat das nötige Talent besitzt, um als ernstzunehmende Schauspielerin angesehen zu werden. Ihre Portraitierung von Kym ist manchmal zwar etwas überspielt und vermisst andererseits gelegentlich das letzte Quäntchen Glaubwürdigkeit, doch insgesamt beeindruckt die 27-Jährige mit ihrem nervenaufreibenden Spiel. Unterstützt wird sie hierbei von einem harmonierenden Ensemble, in welchem sich besonders Rachel-Darstellerin Rosemarie DeWitt hervor tut. In einer weiteren Nebenrolle kann man sich zudem an Debra Winger als Mutter der beiden Protagonistinnen ergötzen und selbst wenn Winger viel zu wenig präsent ist, geht einem das Herz auf diese Blüte der achtziger Jahre erneut in einem größeren Film zu sehen. Und für alle Filmbegeisterten wartet Demme am Ende noch mit einem „blink-and-you’ll miss him“ Cameo von B-Film-Legende Roger Corman auf.

All dem dramatischen Lob zum Trotz, übertreibt es Demme am Ende bei seiner Hochzeitsgesellschaft ein wenig. Hier mündet ein Lied in das nächste und ein Tanz knüpft an den anderen an. Von afrikanischen Rhythmen bis hin zu brasilianischem Musikgut und Rap spielt der Musik-affine Regisseur alles durch. Die Zelebrierung der Musik und des Exotischen artet hier wirklich aus. Mitten drin wird zwar stets eine befremdlich mittanzende Hathaway platziert, die ihr Außenseiterdasein derart propagiert, dass sie nie den richtigen Takt beim Tanzen trifft und letztlich auch die anderen verlässt. Zwar wird in Rachel Getting Married Rachels Hochzeit gefeiert, doch vielmehr Kyms Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die im Film noch nicht zu Ende erzählt wird und hier ist Demmes Film im Grunde auch nur konsequent. Abgesehen von einigen unnötigen Klischees, die ihren Einzug in das Geschehen finden, ist Jonathan Demmes neuer Film wahrscheinlich sein bester seit Beginn der Neunziger. Es wäre wünschenswert, wenn der Altmeister sich dieser Linie treu bliebe.

7.5/10

1 Kommentar:

  1. Ich fand vor allem die Authentizität beeindruckend, auch durch die Kameraführung. Man hat den Eindruck, das wäre alles echt. Die Szenen wechseln ohne richtige Übergänge und ständig macht wieder irgendwer Musik... wirkt alles, wie von einem Familienmitglied mit dem Camcorder aufgenommen.
    Anne Hathaway habe ich bewusst noch nie woanders wahrgenommen, für mich war das immer so eine Darstellerin von seichten Komödien, die ich immer vermieden habe. Ich war wirklich beeindruckt von ihrer Leistung.

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