5. August 2013

Trance

Remember, do not be a hero.

Wie in Trance fühlt man sich, wenn man Dinge erledigt, ohne sich ihrer Ausübung wirklich bewusst zu sein. Ein Dämmerzustand also, der vorübergehend die Aufmerksamkeit ändert und eine Entspannung einleitet – ausgelöst durch Hypnose. Unterschwellig lassen sich auf diese Weise Verhaltensänderungen vornehmen. “Do you want to remember or do you want to forget?”, fragt Hypnotiseurin Elizabeth Lamb (Rosario Dawson) am Ende von Danny Boyles jüngstem Film Trance eine der Figuren. Sich an Vergessenes erinnern steht im Mittelpunkt von Boyles Psycho-Thriller, den dieser während seiner Vorbereitungen für die Eröffnungszeremonie der Olympischen Sommerspiele in London im vergangenen Jahr drehte.

In dem Quasi-Remake eines britischen TV-Films von 2001 muss sich der Kunstauktionator Simon (James McAvoy) daran erinnern, wo er Francisco Goyas „Hexen in der Luft“ versteckt hat. Dieses wollte der Kriminelle Franck (Vincent Cassel) stehlen, nachdem ihm Simon, von Wettschulden geplagt, über dessen Wert und Auktionstermin informierte. Als der Überfall nicht wie geplant verläuft und Simon nach einem Kopfstoß und der anschließenden Operation vergessen hat, wo er den Goya unterbrachte, engagiert Franck kurzerhand Dr. Lamb, um dem Gedächtnis von Simon auf die Sprünge zu helfen. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen während der folgenden Sitzungen dann immer mehr.

“Everyone knows amnesia is bollocks”, ächzt Franck zwar zuerst noch ob Simons Kondition, macht dann allerdings doch gute Miene zum bösen Spiel. Fünf Prozent der Bevölkerung seien empfänglich für Hypnose habe er in einem Buch gelesen, konfrontiert Franck in einer Szene Lamb. Deren Beweggründe, sich mit ihm und seiner Gang einzulassen, überraschen derweil noch zu Beginn, um erst gegen Ende von Trance eine – allerdings wenig eindrucksvolle – Erklärung zu erhalten. Boyle versucht sich ziemlich deutlich an einem Film, in welchem nichts so sein soll, wie es zu sein scheint. Warum weint Lamb als sie über Simons Angriff im Auktionshaus liest und wird dieser von einer imaginären Frau bis in die Realität verfolgt?

Dass die rassige Hypnotiseurin dabei nicht nur Simon, sondern bald auch Franck den Kopf verdreht, verkompliziert die Sache nur noch. Gerade weil Simon, zuvor bereits durch Franck und seine Männer eingeschüchtert, nun zusätzlich eifersüchtig wird und sich mental noch mehr abschirmt. Sehr zur Ungeduld von Francks Handlanger Nate (Danny Sapani), der zu einem gewissen Zeitpunkt die Dinge selber in die Hand nimmt. Was folgt sind Blut, Mord und Totschlag, aufklärende Rückblenden, Twists und das ganz große Drama. Eben wie man das so kennt, aus Thrillern, in denen Figuren Wahrnehmungsstörungen haben. Problematisch ist nur, dass jenes Tabula rasa in Danny Boyles finalem Drittel allerdings wenig überzeugen will.

Das liegt zum einen daran, dass die Twistwendung relativ früh erahnbar ist und Trance, wie bereits Christopher Nolans Inception, kaum etwas aus seinen Gedankenspielereien zu machen versteht. Hypnose funktioniert bei Boyle als bloßes Drauflosquatschen, ihr anheim fällt dann, wer seinen Geist nicht bei Drei auf die Bäume bringt. Dass der Brite zudem versucht, mit visuellen Kameraspielereien einige Szenen in der Realität möglichst doppeldeutig erscheinen zu lassen – gewünschte Zuschauerreaktion: Ist das jetzt Trance oder real? – macht das Ganze nicht wirklich besser und schon gar nicht cleverer. Stattdessen bürdet sich der Film in bester Manier eines Damon Lindelof mehr Antizipation auf als er letztlich einlösen kann.

Auch zuvor schon fehlt dem Film eine rechte atmosphärische Einordnung, inszeniert Boyle sein jüngstes Werk doch teils mit der Verve seiner Anfangsjahre, wenn McAvoy wie einst Ewan McGregor als Erzähler direkt in die Kamera spricht, während die visuelle farbintensive Kameraarbeit eines Anthony Dod Mantle jenen lässigen Charakter des Films unterstützt. Ein Feel-Good-Thriller irgendwie, der zwar in seinen ersten beiden Akten streckenweise durchaus Spaß macht, nach hinten raus jedoch immer mehr abbaut. So merkt man Trance an, dass das Ausgangsmaterial eher auf TV-Niveau zu verordnen ist und dass Olympia-Regisseur Danny Boyle mit seinen Gedanken ganz woanders gewesen zu sein scheint. Wie in Trance.

6/10

1 Kommentar:

  1. Na, da bin ich ja mal gespannt, wie er mir gefallen wird, dank deiner Review sind meine Erwartungen jetzt dann doch erheblich geschrumpft, ist dann vielleicht auch besser so.

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