12. Februar 2008

In the Valley of Elah

And Saul and the men of Israel were gathered together,
and pitched by the valley of Elah,
and set the battle in array against the Philistines.

(1. Samuel 17,2)

Zwei große Volksstämme versammeln sich im Jahr 1000 vor Christi am Tal von Elah. Auf der einen Seite die Philister, auf der anderen die Israeliten um ihren König Saul. Unter den Philistern forderte ein Krieger namens Goliat aus Got, etwa 2,78 Meter groß, fortan 40 Tage lang einen der israeliten zum Zweikampf heraus. Der Gewinner würde den Krieg der zwei Parteien entscheiden – kein unüblicher Usus in der Antike. Eines Tages bot sich der Knecht David, von Gott zum König auserkoren, aufgrund der blasphemischen Äußerungen Goliats Saul als ebendieser Kämpfer an. Ohne Rüstung und lediglich mit fünf Steinen bewaffnet schritt der Knabe David hinunter in das Tal von Elah und bezwang den Philister Goliat mit einem Schleuderwurf in die Stirn. Im Namen seines Gottes war David ausgezogen, um einen scheinbar aussichtslosen Kampf gegen einen übermächtigen Gegner auszufechten.

Kriegsveteran Hank Deerfield (Tommy Lee Jones) erhält einen morgendlichen Anruf, der sich nach dem Aufenthaltsort seines Sohnes Mike, ebenfalls Soldat, erkundigt. Mike sei zurück in den Staaten, aber unauffindbar. Hank begibt sich nunmehr selbst auf die Suche nach seinem Sohn und verabschiedet sich von Gattin Joan (Susan Sarandon). In Mikes Militärstation findet er dessen Mobiltelefon und auf diesem einige Videodateien aus dem Irakkrieg. Um die Militärpolizei zu umgehen, nimmt Hank die Hilfe der örtlichen Ermittlerin Emily Sanders (Charlize Theron) in Anspruch. Da finden sich verbrannte Körperteile an einer Straßenkreuzung und es stellt sich heraus, dass es sich dabei um Mikes Überreste handelt. Doch Hank gibt nicht auf und will herausfinden, wer seinen Sohn umgebracht hat und wieso. Armee Lieutenant Kirklander (Jason Patric) tut dabei alles um die Arbeit von Emily zu sabotieren, während Hank auf ein Geheimnis um seinen Sohn stößt.

Vor zwei Jahren erhielt Paul Haggis bei den Academy Awards für sein Regiedebüt Crash die Auszeichnung als Bester Film und für das Beste Originaldrehbuch. In seinem zweiten Film wird sich der Kanadier keineswegs untreu, inszeniert vielmehr mit einem noch bescheideneren Budget von lediglich fünf Millionen Dollar. Darsteller Tommy Lee Jones sieht sich dank In the Valley of Elah nun seiner dritten Nominierung gegenüber, obwohl Haggis ursprünglich seinen Freund Clint Eastwood vorgesehen hatte. Der half Haggis wiederum, das Projekt ins Rollen zu bringen, da es sonst wohl wegen seines brisanten Themas keinen Produktionsstart erhalten hätte. Dies scheint sich gelohnt zu haben, denn es gelang dem Film allein in Amerika seine Kosten wieder einzuspielen, im Ausland brachte er bisher sogar das Doppelte ein, während In the Valley of Elah in Deutschland am 6. März starten wird.

Inspiriert wurde Haggis zu seinem Film von dem Playboy-Artikel Death and Dishonor, im Jahr 2004 geschrieben von Journalist Mark Boal. Er erzählt darin die wahre Geschichte des US-Soldaten Richard Davies, der 2003 aus dem Irakkrieg heimkehrte und umgebracht wurde. Sein Vater, der Kriegsveteran Lanny Davies, begann eigene Ermittlungen und bildete somit die Schablone für den von Haggis dargestellten Hank Deerfield. Haggis verband diese Geschichte mit einer weiteren und erschuf die Grundlage für sein Drama In the Valley of Elah, das man wohl als Antikriegsfilm bezeichnen könnte, ohne dem Film seinen Pathos und Patriotismus absprechen zu wollen. Denn Hank ist Patriot durch und durch und hält sogar auf seinem Weg zu seinem Sohn an der örtlichen Schule, weil dort der Hausmeister aus El Salvador versehentlich das Star Spangled Banner kopfüber gehisst hat.

Zudem ist Hank Militär durch und durch, was seine sporadische Bekleidung aus weißem Hemd über weißem T-Shirt beweist, ebenso wie sein pedantisches Bettbezug- und Schuhputzritual. Auch Hanks Söhne sind (oder waren) Militärs, was innerhalb der Familie – sprich: seiner Frau Joan – für Missstimmung sorgt. Denn nun ist nicht nur ihr ältester Sohn David verstorben, sondern auch ihr jüngster Sohn und letztgebliebenes Kind. Die Schuld daran gibt sie ihrem Mann, der seine Gattin in seine Ermittlungen und Informationen nicht einbezieht, diese ihr sogar vorenthält und praktisch als kurz vor der Pension stehendes Ein-Mann-Kommando fungiert. Dies muss auch die ermittelnde Polizistin Emily erfahren, die es in ihrer Behörde durch sexistische Anfeindungen der Kollegen eigentlich schon schwer genug hat, aber als Mutter um die Ängste über die eigenen Kinder weiß.

Während seiner Ermittlungen muss Hank dabei nicht nur feststellen, dass er seinen Sohn nicht so gut gekannt hat, wie er immer dachte und dessen Geheimnisse, zusammen mit denen der amerikanischen Regierung, wie die Verschwörung um Mikes Tod führen zu einer Erschütterung von Hanks Wertesystem. Die allein erziehende Emily, von ihrem Job genervt, merkt durch Hanks Pedanterie was es heißt zu ermitteln und erhält gegen Ende des Filmes noch mal eine eindringliche Lektion erteilt, ebenso wie ihre ganze Behörde. Der Titel von Haggis’ Werk ist dabei nicht ohne Hintersinn gewählt, denn auch in seinem Film wird ein Kampf thematisiert, den zu gewinnen eigentlich unmöglich ist. Die US-Soldaten stellen hierbei ebenjene unerfahrenen jungen Kämpfer dar, die sich gegen einen übermächtigen Gegner stellen müssen, in einem Krieg, der im Namen Gottes geführt wird.

Doch die Soldaten sehen sich nicht nur dem Schlachtfeld im Irak gegenüber, sondern auch einem zweiten und emotionalen Schlachtfeld, welches in ihren Köpfen beheimatet ist und in dem sie ganz alleine kämpfen müssen. Dass man erwartet, diese jungen Männer und Frauen, die sich im Irak im Prinzip für nichts wirklich verantworten müssen, anschließend wieder problemlos in die amerikanische Gesellschaft einzugliedern, ist ein utopischer Gedanke der Regierung. Denn was am Ende in der Nacht als Mike ermordet wird geschah, hängt mit dem Krieg zusammen und ist sowohl eine etwas profane Lösung und dann doch auch wieder irgendwie nicht. Zumindest ist es eine solche und Haggis lässt das Publikum lange um Unklaren, ob es nun tatsächlich eine Auflösung des Mordfalles oder ein Filmende a la Michael Hanekes Caché gibt. Sprich: Ein Ende, das einerseits viel zeigt und letztlich doch nichts ausdrückt.

Was etwas bitter aufstößt, ist eine Tatsache, die ironischer oder vielleicht auch gewollter Weise von einer der Figuren selbst angesprochen wird: Es handelt sich um Hanks ermittlerisches Gespür, ehemaliger Militärpolizist hin oder her. Wenn Hanks nachts im Dunkeln zum Tatort fährt und innerhalb von zwei Minuten das Mordszenario entwirft, das der Polizei entgangen war, dann denkt man sich nur das, was ihm Emily später vorwirft: Dass es schade ist, dass Hank die letzten 30 Jahre nicht zig Mordfälle gelöst hat. Hank hangelt sich in bester Columbo-Manier von einem Hinweis zum nächsten. Eine nächtliche Fast-Food-Rechnung wird subtrahiert und auf drei Verdächtige umgemünzt, auch mit Farben scheint die Polizei in New Mexico ihre Probleme zu haben. Dies wirkt unglaubwürdig, überhastet, zu sehr gewollt, neben Hank haben alle anderen Figuren keinen Platz und wirken inkompetent.

Die schauspielerischen Leistungen der Beteiligten sind dabei über allen Zweifel erhaben, besonders Jason Patric weiß zu gefallen. Man fragt sich jedoch, ob ein James Franco oder Josh Brolin in ihren kurzen Auftritten nicht etwas verschenkt sind, ebenso Susan Sarandon. Eingefangen und untermalt werden Haggis ruhige Bilder einer Suche nach seinem Sohn von Roger Deakins und Mark Isham und das es sich letzten Endes doch um einen Antikriegsfilm handelt, zeigt Haggis’ letzte und sehr schön geratene, wenn auch pathetische, Einstellung. Wie zuvor in Crash kratzt Haggis jedoch leider nur an der Oberfläche und opfert eine interessante Thematik seiner Familientragödie und wiederum diese entsprechend stark zu thematisieren. Betrachtet man aber seinen Rahmen, ist In the Valley of Elah ein durchaus gelungener Film mit einer der besten Finaleinstellungen der letzten Jahre.

7.5/10

4 Kommentare:

  1. Na, das klingt doch sehr gut. Mag bisher eigentlich alle Arbeiten von Haggis sehr. Besonders CRASH fand ich ungeheuer intensiv.

    Und auch die Serie "The Black Donellys" nicht zu vergessen, die sich leider sehr unter Wert in der vergangenen Season geschlagen hat. Selten eine TV-Serie gesehen, die so sehr nach Kino ausgesehen hat...

    Mal schauen, ob ichs in Valley of Elah schaffe. Gerade in diesem Februar kommt noch so massig viel (potentiell) gutes Zeug.

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  2. ja, insgesamt ein grudnsoldier film, der jedoch einen nicht wirklich mitreißenden kriminalplot abspult und der dazu eine aussage liefert, die alles andere als neu ist (krieg nimmt uns unsere menschlichkeit).

    dafür waren tommy lee jones udn auch charlize theron sehr stark. über das schlussbild kann man sicher lange streiten. ob es nun genial oder einfach nur plump war.

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  3. Man liest ja immer wieder, dass Haggis' Neuer so gut sein soll. Der Trailer hat mich, ehrlich gesagt, nicht gepackt. Da ich aber ebenfalls CRASH ganz toll fand und ich Deinen Worten glaube, ist ein Kinobesuch des Film fest eingeplant. ;-)

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  4. Haggis’ letzte und sehr schön geratene, wenn auch pathetische, Einstellung.

    Eben gerade im ZDF gesehen. Deine Besprechung kommt ganz gut hin, sehe den Film ähnlich. Allerdings war mir besagte Szene schon wieder fast zu viel. Aber es ist ja nichts Neues, dass das amerikanische Kino nach Symbolen heischt wie nichts Gutes, auch wenn die Stars & Stripes hier natürlich intentional verkehrt werden; es also in dem Sinne ein negatives Symbol is. Die Schlüsselszene ist natürlich eine Andere, nämlich das letztendliche Geständnis in der Gegenwart von Hank. Da nähert sich Haggis auf wenig Raum einer ungeheuren Konplexität, die der Film leider zu selten erreicht, um in noch höheren Gefilden zu wandeln.

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