27. Januar 2014

Pāfekuto Burū [Perfect Blue]

Excuse me... who are you?

Schon Albert Einstein wusste, dass die Realität nur eine Illusion ist – „allerdings eine sehr hartnäckige“. Das Spiel um Sein und Schein, das von René Descartes’ Erkenntnistheorie bis hin zu Philip K. Dick reicht, begleitet die Menschheit seit Jahrhunderten. Auch Kon Satoshi spielte mit erkenntnistheoretischen Ideen, darunter in Pāfekuto Burū, im Westen als Perfect Blue vertrieben. „Woher weißt du, dass du jetzt dieselbe Person bist wie vor einer Minute?“, lautet eine Frage, der sich Protagonistin Kirigoe Mima (Iwao Junko) darin stellen muss. Als sie ihre J-Pop-Gruppe Cham für eine Karriere als Fernsehdarstellerin verlässt, scheint sie sich mit der Zeit sprichwörtlich selbst zu verlieren. Mit tödlichen Konsequenzen.

Eigentlich sollte ihre Schauspielkarriere der nächste Schritt für die junge Frau sein, doch ihre Umwelt nimmt den beruflichen Wechsel nicht so gut auf wie ihr Agent Tadokoro (Tsuji Shinpachi). Während Cham wider Erwarten Charterfolge feiert, sieht sich Mima gezwungen, Kompromisse einzugehen, um in ihrer Miniserie mehr screen time zu erhalten. Auf eine Vergewaltigungsszene folgen Nacktbilder und die alte und neue Mima scheinen sich immer mehr voneinander zu entfernen. So sehr sogar, dass sie parallel zu existieren scheinen, wenn sich Mima im Internet auf einem Blog – scheinbar „ihre“ – Kritik an ihren Entscheidungen gefallen lassen muss. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen.

Hinzu kommt, dass ein vermeintlicher Stalker in Person von Uchida (Ōkura Masaaki) jede Person zu eliminieren scheint, die an dem Image von Cham-Mima kratzt. Auch Mimas Managerin Rumi (Matsumoto Rica) ist von den Veränderungen ihrer Klientin wenig begeistert, sollte Mima doch jene Sängerkarriere anstreben, die Rumi selbst ihrer Zeit verwehrt blieb. Als sich die Taten der einen Mima jedoch verstärkt auf das Leben der anderen Mima auswirken, zweifelt diese an ihrem eigenen Verstand. War sie in jenem Geschäft einkaufen, wie sie auf „ihrem“ Blog geschrieben hat? „Eine Illusion kann sich nicht materialisieren“, sagt man ihr zwar, dennoch verabschiedet sich langsam aber sicher ihr Bezug zur Realität.

Hilfreich ist es da wenig, dass Kon Satoshi seinen Film auf eine Metaebene verlagert, wenn die Geschehnisse von Mimas TV-Serie Double Bind mehr und mehr sich mit denen ihres Lebens überschneiden. Es stellt sich ferner die Frage, um welche Form von Mimesis es sich hier handelt: life imitating art oder art imitating life? Dies wird dann im dritten Akt von Perfect Blue verstärkt, wenn Mima gesagt wird, sie müsse sich „ans Drehbuch halten“. Ist ihr Leben nur eine Episode von Double Bind? Eine Mise-en-abyme? „Ich bin ich“, sagt sie sich wie ein Mantra als ihr Cham-Mima wieder mal erscheint und erinnert damit wiederum an René Descartes’ ersten unbezweifelbaren Satz seiner Erkenntnistheorie (lat. ego sum, ego existo).

Dies alles kanalisiert sich jedoch erst gegen Ende des zweiten Akts, allzu philosophisch kommt Kons Psycho-Thriller – der ursprünglich als Realfilm umgesetzt werden sollte, ehe es an der Finanzierung mangelte – dabei nicht einmal daher. Die angesprochenen Punkte spielen sich eher auf einem subtilen Level ab und wirken wie eine Melange aus Alfred Hitchcock und Philip K. Dick. Speziell im dritten Akt überschlagen sich allerdings dann die Ereignisse und Perfect Blue nimmt ein ungeahntes Tempo an. Besonderen Eindruck hat Kon mit seinem Werk dabei bei seinem Kollegen Darren Aronofsky hinterlassen, der zwei Szenen des Films in Requiem for a Dream Hommage erwies sowie allerlei Elemente in Black Swan zitierte.

Wie so oft bei japanischen Produktionen ist die Animation hierbei tadellos und lässt keine Wünsche übrig, wie auch die musikalische Untermalung vom J-Pop Cham’s bis hin zum regulären Score atmosphärisch die Geschichte verdichtet. Kon Satoshi spielt in Pāfekuto Burū gekonnt mit verschiedenen geschickten Einstellungen und Ideen, auch wenn sich der angedeutete Identitätsverlust von Mami letztlich doch zu sehr auf sie selbst beschränkt und mancher Aspekt, wie Uchidas Rolle oder das relativ eindeutige Ende, noch hätten vertieft werden können. „Ich bin echt“, sagt Mami daher zum Schluss einer Geschichte, an der sie vielleicht weniger zu sich selbst gefunden als sich womöglich schlicht neu erfunden hat.

10/10

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