25. Januar 2015

Art and Craft

I always knew they’d find out. Sooner or later.

Die etwas Älteren werden sich noch an den Namen Konrad Kujau erinnern, der 1983 dem Magazin Stern vermeintliche Tagebücher von Adolf Hitler überließ. Diese waren allerdings von Kujau im großen Stil gefälscht worden, was nicht nur den Rücktritt der Stern-Chefredaktion nach sich zog, sondern auch einen Makel für das Magazin als solche. Niemand sitzt gerne einer Fälschung auf, das gilt für journalistische Medien ebenso wie für Museen. Und dennoch schaffte es in den USA ein Mann über drei Jahrzehnte hinweg, 46 Museen in 20 Bundesstaaten gefälschte Bilder unterzujubeln. Nachdem Mark A. Landis vor einigen Jahren damit aufflog, wird er nun für Sam Cullman und Jennifer Grausman zum Objekt ihres Films Art and Craft.

Dass Landis trotz seiner Kunstfälschungen straffrei ausging, verdankte sich der Tatsache, dass er keinen Profit daraus zog. “He’s not in it for the money”, bestätigt Matt Leininger, ein ehemaliger Kurator, der Landis auf den Leim ging. “He likes to see this stuff on display.” Leininger (Bild unten links) ist quasi die zweite Hauptfigur in dieser Dokumentation, derart obsessiv von Landis besessen, dass selbst seine kleine Tochter den Fälscher inzwischen identifizieren kann. In gewisser Weise erinnert Leininger an Robert Graysmith aus David Finchers Zodiac – ein Mann, dessen Leben an einer Obsession zu scheitern droht. Für Leininger zählt nur, Landis’ Handlungen ein Ende zu setzen und andere Museen vor weiterem Schaden zu bewahren.

Mark Landis selbst präsentiert sich in Art and Craft als ziemlich schrulliger Charakter. Im Alter von drei Jahren habe er angefangen, Bilder aus Museumskatalogen in seinem Hotelzimmer nachzumalen, während seine Eltern abends ausgingen. Große Teile seiner Biografie, darunter dass Landis sich mit 17 nach dem Tod seines Vaters wegen Schizophrenie behandeln ließ oder er Kunstkurse besuchte, erwähnen Cullman und Grausman wiederum nicht. Genauso wie sie sich nur oberflächlich dafür interessieren, wie Landis seine Fälschungen vornimmt. Zwar sehen wir ihn, wie er mit gewöhnlichen Buntstiften ein Kruzifix-Bild malt und es anschließend einer Bibliothek als Nachlass einer fiktiven Schwester vermacht, aber tiefer geht der Film nicht.

Dabei wäre es sicherlich interessant zu wissen und zu sehen, inwiefern es Unterschiede macht, ob Landis nun ein Bild von Paul Signac oder René Magritte fälscht und was es ausmacht, einen Brief von Thomas Jefferson nachzumachen. Stattdessen schwenken die Regisseure immer wieder zu Leininger, der praktisch zu Landis’ Nemesis hochstilisiert wird. “That guy is a skilled artist”, erkennt Leininger dabei das Talent von Landis durchaus an. Man merkt, dass es ihm weniger darum geht, Landis aus dem Verkehr zu ziehen als vielmehr sich selbst in gewisser Weise zu rehabilitieren. Etwas weiter ist da Aaron Cowan (Bild unten rechts), ein Galerist aus Cincinnati, der dem Werk und der Person Mark A. Landis mehr mit Interesse begegnet.

Cowan ist es, der für die Filmemacher im Gespräch mit Landis mehr biografischen Hintergrund aus ihm kitzelt. Und der für den dritten Akt der Dokumentation eine Ausstellung mit Landis’ Fälschungen in einer Galerie organisiert. Dort darf dann auch Leininger erneut auftreten, sodass es zur Begegnung zwischen den beiden Personen kommt. Keine wirklich spannende Entwicklung und auch wenn sich Art and Craft thematisch als Double Bill mit Tim’s Vermeer eignet, ist Letzterer der weitaus gelungenere Film, da er Einblicke in die Motivation seines Protagonisten gibt und zugleich aufzeigt, wie dieser in seiner Arbeit vorgeht. Er verfolgt in seinem Film keine banal-gewöhnliche Narration wie es Cullman und Grausman hier versuchen.

Angesichts der Persönlichkeit von Mark Landis und seinem unverkennbaren Talent ist es schade, dass Art and Craft sein Potential nicht vollends ausschöpft. Interessant ist der Film zwar allemal, zusammengehalten von der Schrulligkeit der Hauptfigur, die sich bisweilen auch als Priester verkleidete, um ihre Werke an die Wand zu bringen. Landis’ Bilder-Spenden erachtet ein FBI-Agent als “ego satisfaction” – jenes Ego wäre wichtiger gewesen, in den Vordergrund zu stellen. So ist diese Dokumentation letztlich weniger gelungen als die Werke seiner Hauptfigur. Als Folge werden auch die Älteren wohl in 30 Jahren mit dem Namen Mark A. Landis wenig anzufangen wissen. Ausgenommen vermutlich die Nachfahren von Matt Leininger.

5.5/10

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