12. Dezember 2008

Vicky Cristina Barcelona

Only unfulfilled love can be romantic.

Er ist eine lebende Kinolegende und sein Name ist Woody Allen. Seit 42 Jahren dreht der gebürtige New Yorker, dessen Filme zumeist in seiner Heimatstadt spielen, nunmehr schon Filme. Dabei ist Allen schon längst zu einer Institution geworden, zeichnete sich der hagere kleine Mann mit Brille doch allein in den letzten 31 Jahren mit Ausnahme von 1991 jedes Jahr für einen Film verantwortlich. Insgesamt finden sich in seiner Vita über drei Dutzend Filme, die unter seiner Regie entstanden sind. Hierbei sprangen für den Autor und Regisseur sagenhafte 21 Oscarnominierungen heraus, 14 davon allein in der Sparte „Bestes Originaldrehbuch“. Wenn in Hollywood also jemand die Kraft des gewitzten Wortes beherrscht, dann mit Sicherheit der 73-jährige New Yorker. Während der siebziger und achtziger Jahre hatte Allen bevorzugt zwei Musen, denen er in seinen Filmen eine Plattform bot: Diane Keaton und Mia Farrow.

Doch mit seinen beiden Ex-Freundinnen dreht der Regisseur schon seit Jahren nicht mehr, stattdessen engagierte er in den Neunzigern eine Vielzahl von namhaften Darstellern, für die es bis heute eine Ehre ist, unter der Regie von Allen aufzutreten. Bis vor vier Jahren, als Allen (s)eine neue Muse fand. Als er 2004 zum ersten Mal außerhalb Amerikas einen Film drehte, entwickelte sich am Set von Match Point eine Freundschaft zwischen ihm und Nebendarstellerin Scarlett Johansson, die anschließend noch in Scoop und nun in Vicky Cristina Barcelona Früchte tragen sollte. Nach seiner Europareise von vier Filmen, die drei Johansson-Werke sowie der Abschluss seiner London-Mord-Trilogie mit Cassandra’s Dream, kehrte Allen dieses Jahr nach New York City zurück, um dort seinen aktuellen Film Whatever Works zu drehen. Zuvor drehte er jedoch noch Vicky Cristina Barcelona, der unter anderem als Liebeserklärung an die andalusische Stadt Oviedo zu verstehen ist, die vor fünf Jahren eine Statue des Regisseurs aufstellte.

Es soll ein unvergesslicher Sommer werden für die beiden amerikanischen Touristinnen Vicky (Rebecca Hall) und Cristina (Scarlett Johansson). Und in der Tat dürfte dieser Sommer beiden wohl für immer in Erinnerung bleiben, eint die beiden Frauen doch gerade ein Aspekt, der sie sonst immer unterscheidet. Vicky besucht eine Freundin (Patricia Clarkson) der Familie, wenige Wochen bevor sie ihren Verlobten Doug heiraten wird. Doug ist ein gut verdienender Geschäftsmann, für den es aktuell speziell darum geht, in welches Haus er mit Vicky nach der Hochzeit ziehen soll. Da Vicky in Barcelona ihre Masterarbeit in katalonischer Kultur abschließen will, verbindet sie die Arbeit mit dem Vergnügen. Ihre beste Freundin Cristina hingegen hat weit weniger Ziele in ihrem Leben als Vicky. Ihr 12-minütiger Debütfilm, bei welchem sie Regie geführt und das Drehbuch geschrieben hat, lief nicht besonders gut.

In Spanien will sie sich nun etwas entspannen. Während es Vicky nach einer festen Bindung sehnt, ist Cristina, wie es Doug beschreibt, „leicht ins Bett zu kriegen“. Als beide nach einer Vernissage zusammen Essen gehen, nehmen ihre beiden Leben neue Wendungen. Der Maler und Boheme Juan Antonio (Javier Bardem) lädt die beiden Amerikanerinnen kurzerhand zu einem Wochenende in seiner Heimatstadt Oviedo ein – inklusive Sex. Während Vicky entrüstet ablehnt, fühlt sich Cristina zu dem Spanier hingezogen. Letztlich nimmt das Geschehen seinen Lauf und beide fliegen gemeinsam mit Juan Antonio nach Oviedo. Dort führt er sie durch die Stadt und erzählt von seiner Scheidung. Seine Ex-Frau Maria Elena (Penélope Cruz) hatte versucht ihn zu töten bzw. andersherum oder sowohl als auch. Als ein Magengeschwür Cristina in die Parade fährt, sind Juan Antonio auf sich alleine gestellt und es kommt, was kommen muss. Doch hier fangen die Probleme erst an, während Juan Antonio sich letztlich mit drei Frauen gleichzeitig auseinandersetzen muss.

Auteur Woody Allen bedient sich in Vicky Cristina Barcelona bisweilen der Dienste eines klassischen allwissenden Erzählers, der speziell die beiden Protagonistinnen zu Beginn der Handlung dem Publikum vorstellt. Obschon der Filmtitel ihre Namen enthält, ist im Grunde jedoch Javier Bardem der eigentliche Star des Filmes. Als sorgloser Künstler, der ganz dem Klischee entspricht, philosophiert er über das Leben, die Schönheit und Sex im Allgemeinen sowie im Speziellen. Man merkt es dem Film in den Szenen des Spaniers an, dass Allen ihm die Rolle auf den Leib geschrieben hat. Ohnehin besticht das gesamte Schauspielensemble, welches voll und ganz in den einzelnen Rollen aufgeht. So wie Allens neue Muse Scarlett Johansson, die sich zwar zu Beginn noch etwas schwer tut, dann jedoch gerade in der Dreiecksbeziehung ihr Können unter Beweis stellt.

Auch Rebecca Hall, die Hin und Her gerissen ist zwischen dem moralische Richtigen und ihren eigentlichen Gefühlen. Komplettiert wird die Besetzung von einer hinreißenden Patricia Clarkson sowie Penélope Cruz, der die Rolle der hysterischen und paranoiden Ex-Frau sichtlich Spaß gemacht hat. Und da Allens Filme zuvorderst Charakter- und Dialogfilme sind, steht und fällt der Film stets entsprechend mit seinen Darstellern. Das Ergebnis in Vicky Cristina Barcelona ist einfach nur glänzend. Das Ensemble glänzt durch die Handlung und die Handlung glänzt wiederum durch das Ensemble. Hier macht sich erneut deutlich, wie sehr es Allen beherrscht natürliche und aus dem Leben gegriffene Charaktere zu erschaffen, die seinen Filmen die nötige Glaubwürdigkeit verleihen, zugleich dabei jedoch nie in eine lästige Seriosität abdriften.

In Vicky Cristina Barcelona tauscht Allen das triste London gegen das sonnige Spanien ein. Und in der Tat besticht der Film durch eine warme Atmosphäre voll von katalanischem Charme. Die Drehorte, die Allen gewählt hat, beeindrucken durch ihre offensichtliche Schönheit. Speziell Oviedo, jene Stadt, die Allen selbst eine Liebeserklärung gemacht hat, wird von dem New Yorker besonders liebevoll ins Licht gerückt. Und es ist jene Szenerie, die Allens Geschichte, die dieser zuvor sicherlich auch schon das eine oder andere Mal in seinen New Yorker Filmen präsentiert hat, ihre romantische Aura verleiht. Wo sonst würde man den narzisstischen Worten Juan Antonios mehr Glauben schenken können, als im sinnlichen Spanien. Hier kann Woody Allen sich auch zugleich austoben in derartig simplen und charmant prätentiösen Dialogen, dass dem Publikum das Herz lacht. Gerade die Beziehung von Juan Antonio und Maria Elena rückt hier ins Zentrum, wenn ersterer Aussagen trifft wie „We are meant for each other and not meant for each other. It's a contradiction“.

Ebenso passend ist sein Beziehungsresümee für den gesamten Film, wenn nur unerfüllte Liebe wahrhaft romantisch ist. Somit knüpft Vicky Cristina Barcelona wieder an die alten Allenschen Liebesphilosophie-Filme an, nachdem sowohl Match Point als auch Cassandra’s Dream Ausflüge ins Thrillerfach bedeuteten und Scoop zu den klassischen Screwballkomödien der Drehbuchlegende zu zählen ist. Die Geschichte um die Fünfachbeziehung aller Beteiligten und deren Wünsche und Träume bezüglich der Liebe und des Lebens wird perfekt in neunzig Minuten verpackt. Ohnehin versteh es Allen wie kaum ein anderer seine Erzählungen im nötigsten Rahmen zu präsentieren und sich nicht in Nebenhandlungen zu verlieren, wie es heutzutage oft der Fall ist. Beeindruckend zu sehen, dass die Kreativität den 73-jährigen nach vier Jahrzehnten Filmgeschäft nicht verlassen hat und er weiterhin seine Publikum dermaßen zu unterhalten weiß, wie es hier der Fall ist.

8.5/10

1 Kommentar:

  1. Da sind wir ja mal wieder wirklich einer Meinung. ;-) Hach, einfach ein wunderschöner Film...

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