25. April 2011

Thor

Is there a Renaissance Fair in town?

Die einen kriegen ein Superserum, andere beißen radioaktive Spinnen, die Blitzgescheiten basteln sich einen eigenen Super-Anzug und wer Glück hat, braucht gar nichts davon – denn er ist ein Gott. Mit Thor geht Marvels Filmprolog-Reihe zum 2012 startenden The Avengers in die nächste Runde. Und wohl kaum einer der Marvel-Helden dürfte es so schwer gehabt haben auf der großen Leinwand zu landen, wie der Gott des Donners. Schließlich verschmelzen in Thor, der wie seine Kollegen aus der Feder von Stan Lee und/oder Jack Kirby stammt, doch unsere Gegenwart und die nordische Göttermythologie zu einem kohärenten Ganzen. Entsprechend belächelt wurden erste Stills, die zu Kenneth Branaghs Adaption veröffentlicht wurden.

Während die beiden Trailer als kruder Mix aus Superman und The Day the Earth Stood Still erschienen und ein Trash-Fest erster Güte versprachen. Der fertige Film bewegt sich nun irgendwo dazwischen. Wie es sich für einen Prolog gehört – und mehr als eine Charakterexposition ist in Thor auch nicht zu sehen – ist sein Inhalt recht kurz und simpel. Und durch seine Lokalisierung in ein Königshaus zugleich wie geschaffen für Shakespeare-Regisseur Branagh, der seine Comicverfilmung als VFX-Action-Crossover aus Henry V und King Lear anlegte. Seinen Antrieb gewinnt der Film dann auch primär aus seiner Dreiecksbeziehung zwischen Thor (Chris Hemsworth), Göttervater Odin (Anthony Hopkins) und Bruder Loki (Tom Hiddleston).

Jene von Neid und Eifersucht angetriebene Beziehung der Brüder, das gereizte Verhältnis der Thronfolger-Erben zu ihrem Vater und das Coming of Age eines Helden, der erst zu einem solchen heranreifen muss, bilden das Fundament des Films. Infolgedessen fallen die Szenen in Asgard und Jötunheim weitaus interessanter aus als Thors Reifeprozess, der inklusive des obligatorischen love interest Jane Foster (Natalie Portman) in einem kleinen Kaff im US-amerikanischen Bundesstaat New Mexico von Statten geht. In seiner Kontemporäradaption ging Marvel nunmehr Kompromisse ein, um sowohl Nerds als auch die Massenklientel zufrieden zu stellen. Die Frostriesen rund um Laufey (Colm Feore) geben die Antagonisten.

Mit von der Partie sind die drei Krieger (u.a. Ray Stevenson) sowie Sif (Jaimie Alexander), es gibt einen kleinen Querverweis zu Thors Alter Ego Donald Blake und natürlich den unabdingbaren Cameo von Stan Lee. Um die Götter der Filmbranche zufrieden zu stellen, verfügt Thor zugleich in Kat Dennings über einen Comic-Relief-Sidekick, Stellan Skarsgård gibt einen unterforderten Mentor und Portmans Jane Foster wird von der einfachen Krankenschwester zur renommierten Astrophysikerin befördert. Und weil alles politisch korrekt zugehen muss, stellt Idris Elba den einzigen afroamerikanischen Asen in Asgard dar, während Asano Tadanobus Hogun zur Identifikation für die asiatische Bevölkerungsgruppe dienen darf.

Im Grunde geht das alles weitestgehend auf, selbst die vollkommen unerhebliche Integration von S.H.I.E.L.D. und ein belangloser Cameo von Jeremy Renners Avengers-Figur Hawkeye. Als neuerliches Charakter-Prelude ist das Endresultat fast durchweg sympathisch, was sich auch der Tatsache verdankt, dass Branagh dem narzisstischen Asen genug Raum für Humor und Selbstironie lässt. Und in Form eines Comics wäre die Geschichte von Thor in all ihrer plakativen Anlehnung an The Day the Earth Stood Still auch durchaus annehmbar und unterhaltsam. Als eigenständiger Kinofilm, losgelöst von der Historie der fast 50-jährigen Comicfigur und dem nächstes Jahr folgenden The Avengers, fällt Thor jedoch reichlich durchwachsen aus.

Die Simplizität der Handlung ist erschreckend banal und vieles wird scheinbar als selbstverständlich erachtet. Warum wird Thor zum Beispiel ausgerechnet in ein Am-Arsch-der-Welt-Kaff in New Mexico verbannt? Und wieso landet sein Hammer Mjölnir praktischer Weise nur 50 Meilen entfernt? Warum ist ein Krieg zwischen Asgard und Jötunheim so dramatisch, wo die Frostgiganten doch in ihrer Welt festzusitzen scheinen? Beginnt man das Gezeigte zu hinterfragen, bröckelt der Glanz. Wenn Thor sich auf der Erde aufführt wie ein alter nordischer Gott, und seine Weggefährten um Sif als verirrte Comic-Con-ler anmuten, dann ist das ganz amüsant und charmant, wie auch der klassische Vater-So(e)hn(e)-Konflikt teilweise unterhält.

Vom rasanten Trash-Fest des Trailers ist dies jedoch meist meilenweit entfernt, das mentale Schulter-zucken ob des Gezeigten an sich vorprogrammiert. Thor verkommt zu einem zwiespältigen Produkt, mit dem man wenig anfangen kann. Die Kostüme und Asgard selbst (ein Amalgam des Olymps aus Clash of the Titans und Coruscant der Star Wars-Filme) sehen weniger bescheuert aus, wie erste Bilder befürchten ließen, das Ensemble von Hopkins über Portman und Hiddleston bis hin zu Hemsworth schlägt sich angesichts der enormen Campness ihrer Umgebung erstaunlich gut. Über den 3D-Effekt lässt sich das weniger sagen. Er raubt den Bildern das Licht, ist selten positiv bemerkenswert oder der Narration zuträglich.

Letztlich merkt man es Thor durchgehend an, dass es sich um eine reine Charakterexposition handelt. Der Donnergott ist nur einer von mehreren Gefährten, das mordorsche Auge lastet jedoch auf dem ultimativen Familientreffen, das ab Mai von Regisseur Joss Whedon inszeniert wird. Angesichts der Leichtigkeit, mit der sich die Thors, Hulks und Iron Mans in ihren jeweiligen Abenteuern ihrer Widersacher entledigen, und der Fülle an Ego und Pathos, wird es für Whedon eine Herkules-Aufgabe sein, seine Helden – inklusive der zweiten Garde um Jeremy Renner und Scarlett Johansson – nicht nur bei Laune zu halten, sondern ihnen auch (einen) Gegenspieler zu liefern, der eine Kräftebündelung dieser Form rechtfertigt.

Als kurzweiliges Comic-Fest mit einem gewissen Augenzwinkern lässt sich Kenneth Branaghs Götterdämmerung (bevorzugt in 2D, so möglich) zwar durchaus genießen, fällt er doch sehr viel runder und gelungener aus, als die überfrachteten und eskalierenden Iron Man-Filme oder The Incredible Hulk. Dass uns ein Thor 2 nicht erspart bleiben wird, ist angesichts der nicht enden wollenden Sequel-Manie von Hollywood im Allgemeinen und Marvel/Disney im Speziellen wenig überraschend. Immerhin hat die Fortsetzung dann die Chance, etwas mehr zu sein, als lediglich ein reiner Prolog für einen anderen Film. Nötig wäre es jedenfalls nicht, denn unsterblich ist der Odinssohn schließlich auch bereits so – ganz ohne ein andauerndes Franchise.

5.5/10

6 Kommentare:

  1. Ob das nen guter Film wird? Die Effekte scheinen ja toll zu sein, zumindest in der Vorschau waren sie klasse! Aber irgendwie verspricht dieser Film so eine Art 300 2.0 zu werden. Viel Technik, viele Effekte aber langweilige Story.

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  2. Ein guter Film ist es ja auch nicht, aber solide kann man ihn schon nennen. Und die Story ist nicht unbedingt langweilig, nur eben ziemlich belanglos ;)

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  3. Solide? Das ist auch eine schöne Beschreibung :-). Ich meine auch 300 und 10000 B.C. waren "solide" hehe.
    Ich denke eben nur, dass das Beste mal wieder in der Vorschau zu sehen war und der Rest des Films eine pure Enttäuschung bleibt.

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  4. Also mit "300" hat der Film ziemlich wenig zu tun. Branagh geht auf durchaus intelligentere Weise mit dem Pathos um als Zack Snyder. In diesem Fall ist es eher so, dass der Trailer schwächer war als der Film.

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  5. Schone Rezension, der ich vollkommen zustimmen kann ;)
    Ich fand Renners Cameo noch ganz ansprechend, leider blieb es bei den wenigen Aufnahmen, hätte gern viel mehr von ihm gesehen.
    Und schön, dass noch einer IRON MAN nicht in den Himmel lobt :]

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  6. Um das noch klar zu stellen: 300 ist ganz großes Kino, eine, wenn nicht gar die beste direkte 1:1 Comicverfilmung aller Zeiten. Und 10.000 B.C. ist einfach kagge. Und THOR liegt irgendwo dazwischen. Besser als IRON MAN und schlechter als THE DARK KNIGHT und allesamt keine guten Filme - 'nuff said :-)

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