22. Februar 2014

Kōkaku Kidōtai [Ghost in the Shell]

There’s nothing sadder than a puppet without a ghost.

Bereits René Descartes beschäftigte sich im 17. Jahrhundert mit dem Leib-Seele-Problem und ob der Geist ohne Materie separat existieren könne. Ist der Körper nur ein Gefäß für die Seele? Zumindest in The Matrix (1999) entwickelten die beiden Wachowski-Schwestern ein anti-dualistisches Bild ihrer Welt und das Konzept eines materiellen Geistes. “Your body cannot live without the mind”, klärt Morpheus darin Neo auf. Was zwar mehr auf den Körper gemünzt ist, zugleich wird Sein jedoch über die Materie und weniger den Geist definiert. Grundsätzlich ist The Matrix aber an Fragen von Realität und Freiheit interessiert, der die Wachowskis inspirierende Kōkaku Kidōtai, Oshii Mamorus Adaption von Shirow Masamunes Manga aus dem Jahr 1991, dreht sich derweil mehr um die Themen Leben und Existenz.

Shirow konzipierte darin eine Cyberpunk-Geschichte, die im Jahr 2029 spielt. Die Vermischung zwischen Mensch und Maschine ist vorangeschritten, teils so weit, dass an manchen Figuren wie Major Motoko Kusanagi (Tanaka Atsuko) ihr “ghost” – also ihre Seele respektive ihr Bewusstsein – das einzig übriggebliebene Menschliche ist. Genauer gesagt gibt es in Kusanagis Spezieleinheit der Regierung kaum Mitglieder, die nicht über maschinelle Verbesserungen verfügen. Ihr neuer Partner Togusa (Yamadera Kouichi) ist mit seinem e-Brain, sprich: Cyber Net Implantate im Gehirn, praktisch die Ausnahme. Und wurde gerade deshalb vom Major ausgewählt. “A system where all parts react the same way is a system with a fatal flaw”, erklärt sie Togusa. Und derartige Lücken werden gnadenlos ausgenutzt.

Beispielsweise von dem Hacker-Terroristen „Puppetmaster“, einer künstlichen Intelligenz, die zu Beginn des Films auch erstmals Japan unsicher macht. Und damit Kusanagis Team rund um Togusa und Batou (Ohtsuka Akio) auf den Plan ruft. Während der Puppetmaster die Ghosts von etwaigen Bürgern hackt und manipuliert, heften sich Kusanagi und Co. an seine Fersen. Zugleich bemerkt Batou einige Wesensveränderungen bei seiner Vorgesetzten, die vermehrt an ihrer eigenen Menschlichkeit zu zweifeln beginnt. Als sich der Puppetmaster dann in Form eines Gynoiden zu Stellen scheint, werden nach und nach Verstrickungen und Motive deutlich. Und wie sich zeigt, soll Kusanagi hierbei eine ganz besondere Rolle spielen, während Kōkaku Kidōtai sich von der Action zur Philosophie wendet.

Was bedeutet es, am Leben zu sein? Dies ist eine Frage, die sich der Puppetmaster stellt und die er im Folgenden an die übrigen Figuren weitergibt. Er selbst stellt sich Kusanagis Einheit, um Asyl als politisch verfolgtes Lebewesen zu beantragen. Allerdings sprechen ihm seine menschlichen Gegenüber jene Qualifikation ab, schließlich partizipiere er nicht am Sein. “I am able to recognize my own existence”, reklamiert er und rezitiert damit Descartes’ 1. Grundsatz (“cogito ergo sum”/„Ich denke, also bin ich“). Es handele sich bloß um seine selbsterhaltene Maßnahme, wiegeln die Menschen ab – und der Puppetmaster hält ihnen vor, dass dies wiederum auch auf die menschliche DNS zutreffen würde. Was den Mensch zum Individuum mache, sei vielmehr nur seine immaterielle Erinnerung.

“And memory cannot be defined”, fährt die Künstliche Intelligenz fort, “but it defines mankind.” Man fühlt sich an eine Aussage von Batou aus dem ersten Akt erinnert, als er kommentierte: “All data that exists is both reality and fantasy”. Eine Schnittmenge, die auch Erinnerungen mit einschließt. Und was sind Daten letztlich anderes, als programmierte Erinnerungen? Bei den Figuren bleiben die Gedanken des Puppetmaster jedoch nicht hängen, lediglich der Major scheint in ihnen ein stummes Echo jener Selbstzweifel zu erkennen, die sie seit einiger Zeit selbst ergriffen haben. Die Entfremdung ihres Ghosts gegenüber ihrem gynoiden Körper wird dabei gekennzeichnet durch ihre schamlose Entblößung von Letzterem. Was wiederum speziell in ihrem Partner Batou immer wieder menschliche Züge hervorbringt.

Hoffnung wartet lediglich beim Tauchen auf Kusanagi, “as though I could change into something else”. Eine Hoffnung, die sich im Finale in der Symbiose mit dem Puppetmaster bestätigt sieht (und von den Wachowskis in The Matrix Revolutions kopiert wurde). “Maybe there was never a real ‘me’ to begin with”, sinniert der Major. Auch der Puppetmaster kritisiert den menschlichen Hang zur Individualität. “Your desire to remain as you are is what ultimately limits you”, wirft er Kusanagi vor. Während sie sich vollends von ihrem materiellen Dasein verabschiedet und im Kollektiv mit dem Puppetmaster dennoch ihren Ghost behält, gewinnt die KI durch die Assimilation des Majors letztlich jene „körperlichen“ Eigenschaften der Reproduktion und Sterblichkeit, die für sie Existenz repräsentieren.

Allerdings wird das Thema in den nur 80 Minuten Laufzeit von Kōkaku Kidōtai relativ schnell abgefrühstückt, wo Oshii sicher noch eine Viertelstunde an Exposition und Tiefe hätte draufpacken können. Manche Andeutung, darunter auch Togusas übermäßige „Menschlichkeit“ sowie die Figur generell, spielt zugleich im weiteren Verlauf des Films gar keine Rolle mehr. Immerhin verschwendet Oshii nicht zu viel Zeit auf die Action-Szenen und weiß stattdessen mit den Set-Pieces, die er präsentiert, umso mehr zu gefallen. Allen voran das gorige Attentat im Intro, aber auch die Kanal-Verfolgung wie die Auseinandersetzung mit dem Kampfroboter zum Schluss überzeugen. Was man von den CGI-Updates einiger Szenen in der vor einigen Jahren veröffentlichten 2.0-Version allerdings nicht sagen kann.

Bei der Sichtung von Kōkaku Kidōtai – der ein Sequel sowie eine TV-Serie nach sich zog – wird jedoch deutlich, wieso der Film gemeinsam mit Akira als Pfeiler im Anime- sowie Musterbeispiel im Animationsbereich gilt. Die Zeichnungen sind auch nach fast 20 Jahren noch nicht verjährt, die mystisch angehauchte chorale Musik von Kawai Kenji trägt ihren Teil dazu bei. Immerhin schafft es Oshii in seiner kurzen Zeit, einen faszinierenden – und zugleich auch von Blade Runner beeinflussten – Einblick in Shirows Cyberpunk-Welt zu verschaffen. Ohne dass man als Zuschauer hinsichtlich der inhaltlichen Verflechtungen auf der Strecke bleibt. Insofern kann konstatiert werden, dass bei Kōkaku Kidōtai der Geist fast 90 Minuten vorzüglich unterhalten wird. Soviel also zum Leib-Seele-Problem.

8/10

15. Februar 2014

State of Play vs. State of Play

Das Remake gehört wohl zu Hollywood wie das Ei zur Henne. Schließlich hat auch Originalität ihre Grenzen. Daher nutzt die Traumfabrik gerne eigene Filme – insofern genug Zeit verstrichen ist, damit das Original bei der Zielgruppe nicht zu präsent wirkt – oder Werke aus dem Ausland, die von Erfolg gekrönt waren, als Ausgangsmaterial für ihre eigenen Produktionen. So auch vor etwa fünf Jahren, als Universal mit State of Play eine zweistündige Adaption der gleichnamigen fünfeinhalbstündigen BBC-Serie von 2003 in die Kinos brachte. Ein Trend, den zuletzt David Fincher mit House of Cards und demnächst Utopia weiterführt. Nur eben mit namhaften Schauspielern, die das Publikum auch sehen möchte.

So waren für State of Play zunächst Brad Pitt und Edward Norton in den Hauptrollen geplant, ehe Meinungsverschiedenheiten und Verzögerungen kurzfristig Russell Crowe und Ben Affleck ans Set von Kevin Macdonald spülten. Und obschon seine weniger als halb so lange Version von David Yates’ Serie nach Drehbuch von Paul Abbott bei den Kritikern gut ankam, floppte der Film sowohl in den USA als auch international an den Kinokassen (trotz fehlender Konkurrenz). Dabei macht Macdonalds Remake vieles – wenn leider auch nicht alles – richtig. Aber welche Version ist nun besser oder gut? An dieser Stelle soll wieder mal ein Head-to-Head feststellen, welche Geschichte in den Druck gehen darf.

The Reporter

Das Erbe von Woodward und Bernstein tritt in Paul Abbotts Geschichte der Reporter Cal McAffrey an, in der BBC-Version von John Simm (höchstens Doctor Who-Fans hierzulande ein Begriff) gespielt. Eher klein und schmächtig ist er bemüht, seinem alten Kumpel Stephen Collins, für den er einst Wahlkampf machte, über den plötzlichen Tod seiner Geliebten zu helfen. Nur um selbst mit Collins’ entfremdeter Gattin zu korpulieren. Was mehr Zeit beansprucht, als es sollte. Wenig nuanciert wird man mit Simm nicht so recht warm, auch nicht als investigativer Journalist. Das mag auch daran liegen, dass er diesen Job mit James McAvoy – dessen Figur im Remake ausgespart wurde – teilen muss. Günter-Wallraff-Faktor: 45%

Man kann verstehen, wieso fürs Remake zuerst an Brad Pitt gedacht wurde. Stattdessen gab kurzfristig dann ein löwenmähniger Russell Crowe den Schnüffler von der Zeitung, eingeführt als sich im Auto mit Junk Food vollstopfender Radio-Gröler. Immerhin sehen wir Crowes McAffrey weitaus mehr „Investigation“ betreiben, auch der Tatsache geschuldet, dass er mit Polizeiermittler Bell (hier: Harry Lennix) bekannt ist. Wenn Crowes Figur den Killer auf sich lenkt, dann nicht, während er sich gerade verlustiert. Insofern darf dieser Cal McAffrey ein glaubwürdigerer Journalist sein als sein britischer Kollege, eben weil er – wenn auch nicht unbedingt äußerlich – mehr dessen Bild entsprechen mag. Günter-Wallraff-Faktor: 55%

The Girl

Unfairerweise verdient sich Kelly Macdonalds Version der naseweisen Della schon allein deshalb einen Sonderpunkt, weil ihr schottischer Akzent im britischen Original ein Highlight für sich ist (nie klang das Wort “murder” schöner). Allerdings erfährt die Figur – wenn auch nachvollziehbar – einen leicht extremen Wandel von der selbstbewussten Schnüfflerin zur eingeschüchterten Petze, als ihr Leben während der Recherche in Gefahr gerät. Zwar fängt sich die Figur gegen Ende wieder etwas, doch da ist der „Vertrauensbruch“ bereits geschehen. Die zudem im Verlauf verstärkt subtil angedeutete sexuelle Spannung zwischen Della und Polizeichef Bell hilft dem Ganzen auch nicht wirklich. Tamara-Dewe-Faktor: 50%

In der US-Version avanciert Della schlauerweise zur Bloggerin der Zeitung, die sich den Respekt von Cal McAffrey erst durch Rechercheerfolge verdienen muss. Insofern nimmt sie eher die Funktion eines “rookies” ein, wenn auch ihre Recherche identisch mit der ihres britischen Pendants ist. So erklärt sich vermutlich, weshalb sie nach dem Krankenhaus-Attentat weniger eingeschüchtert als bestärkt wirkt, was sicherlich dem Film dienlich ist. Zwar nicht ganz so sexy wie Kelly Macdonald überzeugt die Dynamik zwischen McAdams’ Della und McAffrey mehr als in der BBC-Fassung. Selbst wenn ihre Beziehung später fast in romantische Bahnen gelenkt wirkt, was eher verstört. Tamara-Dewe-Faktor: 50%

The Politician

Die Rolle des sichtbar steifen, aber politisch vielversprechenden Regierungsvertreters übernahm in David Yates’ Serie David Morrissey (eher bekannt als “Governor” in The Walking Dead). Hier darf Morrissey noch am ehesten die ganze Palette seiner schauspielerischen Fähigkeiten zeigen, von verunsichert über erzürnt bis am Boden zerstört. Und obschon viel für Sympathiebonus seitens der Zuschauer für ihn spricht (Geliebte und Kind tot, Ehefrau schläft mit bestem Freund), vermag dieser Stephen Collins nie recht seine ihm angeheftete gewisse Durchtriebenheit abzulegen. Dies mag auch am Wissen um Morrisseys Walking Dead-Rolle liegen. Insofern also: politically correct. John Edwards-Faktor: 60%

Wer denkt, David Morrissey ist steif, hat die Rechnung ohne Ben Affleck gemacht. Zwar überzeugt Affleck – enormes Kinn hin oder her – als Kongressabgeordneter, nur vermag sein Spiel sich nie der Figur richtig zu öffnen. Dass er und Russell Crowe Uni-Kumpels sein sollen, erfordert ordentlich “suspension of disbelief”. Immerhin ist Afflecks Stephen Collins im Gegensatz zu seinem britischen Kollegen weitaus weniger präsent im US-Film und wirkt zugleich weitaus unschuldiger beziehungsweise weniger verdächtig. Was dem Twist zum Schluss sicherlich zuträglicher ist. Das fehlende Schauspiel Afflecks ist hierbei allerdings hinderlich, weshalb man mit Ed Norton besser gefahren wäre. John Edwards-Faktor: 40%

The Wife

Die Rolle der betrogenen Anne Collins fiel in der sechsteiligen Serie Polly Walker (bekannt aus der HBO-Serie Rome) zu. Was nicht ohne Probleme ist. Es mag zum Teil an ihrer Frisur liegen, aber Walkers Frau zwischen zwei Männern will in keiner Konstellation so recht überzeugen. Sie passt weder wirklich zu Morrisseys noch zu Simms Figur, was auch daran liegt, dass wir von ihrem Charakter wenig mitbekommen. Umso unerklärlicher ist ihr Wandel im Schlussakt, der sie von der Opferrolle eher in die Bitch-Ecke rückt. Sie ist im Grunde nur da, um als “sexual interest” zu fungieren – was für weibliche Figuren selten positiv endet. Insofern: viel “Screen time” für einen blassen Charakter. Jenny Sanford-Faktor: 40%

Noch blasser, wenn auch ansehnlicher, kommt Robin Wright im Spielfilm daher. Zwar hat auch ihre Figur eine Affäre mit McAffrey, immerhin jedoch nur in der Vergangenheit. So wundert man sich zwar, wieso Collins und der Reporter weiterhin befreundet sind, ist aber zugleich dankbar, dass der Film für Bettspiele keine Zeit opfert. Abgesehen von zwei Szenen, in denen auf dieser Affäre rumgekaut wird, hat Anne Collins nichts zu tun. Was sich grundsätzlich dadurch erklärt, dass die UK-Figur nur für Sex existierte und insofern für das Remake in Ordnung geht. Wrights Rolle bleibt ein Nicht-Charakter, aber immerhin einer, der nett aussieht und für den nicht mehr Zeit als nötig aufgewandt wurde. Jenny Sanford-Faktor: 60%

The Editor

Es gibt Schauspieler, die können wenig falsch machen. Der wunderbare Bill Nighy ist einer von ihnen. Denn als scharfzüngiger Herausgeber im BBC-Original ist sein Cameron Foster eher einer von der Truppe – die meist geschlossene Tür seines Büros zum Trotz. Mehr kumpelhaft kommt das Verhältnis mit McAffrey daher, zugleich hält Nighys Chef vom Dienst seiner Truppe den Rücken frei und übernimmt mehrfach aktiv eine Rolle in der Recherche. Hierbei fungiert Cameron durchaus auch als “comic relief” – gerade im Doppel mit Sohnemann Dan –, dennoch nimmt man Nighy seine redaktionelle Kompetenz durchweg ab. Entsprechend ist dies eine absolut atmende dreidimensionale Figur. Ben Bradlee-Faktor: 65%

Im Kinofilm übernimmt Helen Mirren die redaktionelle Aufgabe der Herausgeberin. Darunter leidet am meisten die Beziehung zu ihren Reportern, wirkt Mirrens Cameron doch oftmals wie der Redaktion aufs Auge gedrückt denn als Teil von dieser. Das mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass Cameron im Film weniger direkt in die Recherche eingebunden ist, somit eher eine passive Rolle einnimmt. Der Großteil der Figur wird für den Sub-Plot der heimgesuchten Medienkrise aufgewandt, was zwar seine eigenen Vorzüge hat (s. The Tone), worunter jedoch die Ausarbeitung des Charakters leidet. In ihrer Funktion als Herausgeberin ist Cameron aber durchaus glaubwürdig. Ben Bradlee-Faktor: 35%

The Middleman

Das Zünglein an der Waage in Paul Abbotts Handlung gibt derweil der windige bisexuelle Mittelsmann Dominic Foy, im Original von Marc Warren als blonder Pimp gespielt. Über mehrere Episoden müssen McAffrey, Della und Co. diesen erst in eine Position bringen, in der er die politischen Verwicklungen um Collins’ tote Geliebte aufklärt – ehe dieser ihm den Kiefer zerdeppert. Auch wenn Foy als Witzfigur angelegt ist, will man nicht so recht glauben, welche Rolle der Figur hier zugeschrieben wurde. Was zum Teil auch an Warren selbst liegt. Grundsätzlich wird auf seinen Charakter jedoch, wie auch auf den von Anne Collins, für nur bedingten Erlös generell zu viel Zeit vergeudet. Tirath Khemlani-Faktor: 40%

Weniger wie ein Zuhälter aber nicht minder flamboyant kommt Jason Batemans Interpretation der Rolle daher. Ähnlich wie bei Robin Wright wird für ihn nur wenig Zeit aufgespart. Zwar immer noch mit dem Makel der Witzfigur behaftet, wird sein Dominic Foy zumindest als das behandelt, was er ist: ein Mittel zum Zweck, um die Handlung auf die Zielgerade zu bringen. Dies geschieht zugegeben relativ schnell – und als off-screen eingefangenes Geständnis auf Videoband –, ist jedoch dadurch verzeihbar, dass man so ein wohl bis zu einstündiges Katz-und-Maus-Spiel vermieden hat. Insgesamt kommt dieser schmierige Mittelsmann dennoch kompakter und somit konsequenter daher. Tirath Khemlani-Faktor: 60%

The Tone

Ein Merkmal der 2003er BBC-Serie ist nicht nur der heutzutage fast als Standard zu findende Newsroom in der Redaktion, sondern auch die Einbindung von Humor in die Handlung. Dies mag angesichts der politischen Verschwörung und der daraus resultierenden Toten zwar verwundern, ist dennoch aufgrund der Protagonisten wie McAvoys Dan Foster, Rebekah Statons Liz oder Sean Gilders Sergeant ‘Chewy’ Cheweski ganz amüsant. All diese Figuren fehlen natürlich im US-Remake. Von Westminster und der Zeitungslandschaft kriegt der Zuschauer dennoch nur bedingt etwas mit, wenn auch zumindest Vorgehensweisen von Letzterer in der ersten Hälfte eine Rolle spielen. Reality-Check-Faktor: 40%

Zwar ist Humor in Kevin Macdonalds Version kein Fremdkörper, sondern gerade im Zusammenspiel zwischen Russell Crowe und Rachel McAdams ein wiederkehrendes Element, dennoch vergeudet der Film keine Zeit darauf. Erfrischend, wenn auch leicht altbacken, ist der in die Handlung verwobene Subplot der Medienkrise, die sich in Faktoren wie Facelifts für den Zeitungskopf oder Dellas Funktion als Bloggerin niederschlägt. Zum US-Kongress erhalten wir zwar auch hier keinen Einblick, dafür erfährt der Plot mit der Privatisierung durch Sicherheitsunternehmen à la Blackwater wie im Falle der Medienkrise ein zeitgenössisches Update. Eine gelungene Neuausrichtung der Handlung also. Reality-Check-Faktor: 60%

Fazit

Die britische TV-Fassung überzeugt dadurch, dass die Recherche über eine Woche verteilt wird, während die Adaption sie auf zwei Tage komprimiert. Aber dies schien nötig, um dieselbe Geschichte in weniger als der Hälfte der Zeit zu erzählen. Leider ging so manch liebenswerte Figur verloren, glücklicherweise aber auch viel Ballast. Die jeweilige Besetzung nimmt sich nur bedingt etwas, Andrew Macdonalds Film wirkt jedoch aktueller. Wer sich also nur für die Geschichte von State of Play interessiert, darf dem amerikanischen Film-Remake den Vorzug geben. Dieses setzt sich mit 5:3 im Head-to-Head durch. Winner on points: State of Play (US-Film)!

9. Februar 2014

Akira

Why do you always have to save me?

Keine 280 Seiten stark ist J.R.R. Tolkiens The Hobbit, was einen Mann wie Peter Jackson jedoch nicht davon abhält, daraus eine 9-stündige Filmtrilogie zu wälzen. Was der Vorlage fehlt, wird einfach durch Appendixe oder Wiederholungsszenen der Lord of the Rings-Serie aufgefüllt. In der Filmbranche ist ein derartiges Aufblähen bei einer Buchadaption eher ein Ausnahmefall. Denn in der Regel werden allerlei Charaktere und Nebenhandlungsstränge aus der Verfilmung gekürzt, notfalls zumindest der finale Band einer Romanreihe auf zwei Filme ausgedehnt. Entsprechend war 1988 klar, dass Ōtomo Katsuhiro vor einem Problem stand, als es darum ging, seinen über 2.000 Seiten starken Manga Akira zu verfilmen.

Dieser war von 1982 bis 1990 als Schwarzweißserie im Young Magazine erschienen, bei uns in Deutschland brachte ihn von 1991 bis 1996 der Carlsen Verlag in 19 Bänden auf den Markt. Insofern dürfte deutlich sein, dass Film und Manga nicht identisch miteinander sein konnten – nicht zuletzt, da der Manga zeitlich nach dem Film abschloss. Und in der Tat muss der Zuschauer in Akira auf viele Nebenhandlungen sowie -figuren ganz verzichten, während einige (big player) unter ihnen wie Miyako, Nezu oder Ryu teilweise gar karikiert und für den Handlungsverlauf ignoriert werden. Im Grunde konzentriert sich Ōtomo-san in seinem Film zuvorderst auf die erste Hälfte seines Mangas – was grundsätzlich funktioniert.

Am Anfang beider Geschichten steht jene verhängnisvolle Nacht in einem von einem Dritten Weltkrieg gebeutelten Japan der Zukunft, in der es die Motorrad-Gang von Schüler Kaneda (Iwata Mitsuo) in den Altstadtteil von Neo-Tokio zieht. Als das Gangmitglied Tetsuo (Sasaki Nozomu) dort einen Unfall erleidet, weil er mit einem ergrauten Jungen kollidiert, nimmt das Schicksal seinen Lauf. Das Militär erscheint und entführt den verletzten Tetsuo mit auf die Basis. Dort stellt sich heraus, dass in dem Schüler ungeahnte telekinetische Kräfte geweckt wurden. Diese wiederum drohen in Akira jene Person zu wecken, die Jahrzehnte zuvor durch eine Gewaltentladung ihrer eigenen Kräfte jenen Dritten Weltkrieg entfachte.

Unterdessen trifft Kaneda auf die junge Kei (Koyama Mami), die Mitglied in einer terroristischen Widerstandsbewegung ist, die Akira für ihre eigenen Zwecke gewinnen will. Gemeinsam versuchen sie schließlich, Zugang zu Tetsuo und zu dem Militärkomplex zu erhalten, in dem sich er sowie andere übernatürlich begabte Subjekte wie Tetsuo und Akira aufhalten. Dort ist der leitende Colonel Shikishima (Ishida Taroh) wiederum mit seinem Forscherteam bestrebt, ein zweites Erwachen von dem seiner Zeit in Kälteschlaf versetzten Akira um jeden Preis zu verhindern, während Tetsuos unkontrollierbare Kraft mehr und mehr wächst und hierbei droht, ihren jugendlichen Wirt zu übermannen. Ist Neo-Tokio noch zu retten?

So weit die stark reduzierte Filmhandlung, die als komprimierte Version des Mangas fungiert und zuvorderst durch ihre Cyberpunk-Elemente zu beeindrucken wusste. Grundsätzlich waren für die filmische Verarbeitung einige Zugeständnisse nötig, darunter der Gore-Gehalt der Vorlage. Auch Kaneda wird im Film weitaus positiver gezeichnet als seine teils ambivalente Darstellung im Manga, dessen zahlreiche Redundanzen jedoch gestrichen wurden. Keine sich stetig wiederholenden Fluchtszenen von Kaneda und Kei, kein ewiges Hin und Her zwischen allen vertretenen Parteien, seien sie Militär, Gang oder Widerstand. Allerdings fehlt so im Film auch ein entscheidendes Merkmal: der Titelgebende Akira selbst.

Wo dessen Erwachen im Manga weitaus früher geschieht und ihn so zu einer, wenn auch eher passiven, Figur, in Akira macht, ist Akira im Anime eher eine mit Namen versehende Gefahr. Das ist auf der einen Seite bedauerlich, da der Manga seine eigentliche Stärke erst erlangt, als Ōtomo Neo-Tokio in eine postapokalyptische Dystopie stürzt. Zumindest eine Überlegung hätte es wert sein können, diesen Aspekt von Akira in einem zweiten, ebenfalls rund zweistündigen Film zu verarbeiten, gehen dem Anime hier auf der einen Seite doch viele beeindruckende visuelle Bilder verloren, allen voran jedoch eine intensivere Charakterzeichnung von Tetsuo. Denn Platz für Persönlichkeiten ist in der Anime-Fassung wenig.

Wirklich gehetzt wirkt diese immerhin nur, wenn man den direkten Bezug zum Manga kennt. Ansonsten vermag es Ōtomo-san durchaus geschickt und zufriedenstellend, die Essenz seiner Geschichte in 120 Minuten zu erzählen. Und sogar Aspekte zu integrieren, die im Manga zu kurz kamen. Denn jene “ultimative energy”, die Akira und Tetsuo bemannt, wohnt in jedem Menschen inne – man müsste sie nur anwenden. Immerhin kommen die Figuren zu dem Schluss: “Maybe we weren’t meant to meddle with that ultimate power”. Als Kommentar auf eine Nachkriegswelt und jugendliche Entfremdung funktioniert der Anime zwar insofern nur bedingt, seine Bedeutung für das Genre eint ihn jedoch mit seinem Manga-Pendant.

War dieses für den Westen einst der Türöffner für das Comic-Äquivalent, führte die Verfilmung die USA und Co. in den Anime-Bereich ein und avancierte zum Meilenstein des Zeichentricks. Nicht von ungefähr zählt Ōtomos Magnus opum neben Kōkaku Kidōtai zum Pantheon des Animations-Genres. Und so ließe sich ein Zitat des Films im Grunde auch auf diesen selbst münzen: “Buried within it is a new seed. We need only wait for the wind which will make it fall to fruition.” Da Akira nicht den Umfang des Mangas erreicht, richtet sich der Film speziell an diejenigen, die Sci-Fi und Animes nicht abgeneigt sind, denen jedoch ein 2.000-Seiten-Manga zu aufwendig ist. Insofern ist Akira quasi ein Anti-Hobbit.

8/10

1. Februar 2014

Filmtagebuch: Januar 2014

AKIRA
(J 1988, Ōtomo Katsuhiro)
8.5/10

AO NO ROKU GÔ [BLUE SUBMARINE NO.6]
(J 1998, Mahiro Maeda/Kôichi Chigira)

8/10

BLADE RUNNER [FINAL CUT]
(USA/UK/HK 1982/2007, Ridley Scott)

8/10

FINDING NEMO [FINDET NEMO]
(USA 2003, Andrew Stanton/Lee Unkrich)

9/10

HACHI: A DOG’S TALE [HACHIKO - EINE WUNDERBARE FREUNDSCHAFT]
(USA/UK 2009, Lasse Hallström)

8/10

HOTARU NO HAKA [DIE LETZTEN LEUCHTKÄFER]
(J 1988, Takahata Isao)

6/10

INOSENSU [GHOST IN THE SHELL 2 - INNOCENCE]
(J 2004, Oshii Mamoru)

8/10

THE INVISIBLE MAN [DER UNSICHTBARE]
(USA 1933, James Whale)

5.5/10

KÔKAKU KIDÔTAI [GHOST IN THE SHELL]
(J 1995, Oshii Mamoru)

8/10

KÔKAKU KIDÔTAI 2.0 [GHOST IN THE SHELL 2.0]
(J 2008, Oshii Mamoru)

7.5/10

THE MATRIX
(USA/AUS 1999, Andy Wachowski/Lana Wachowski)
7.5/10

MEGA SHARK VERSUS CROCOSAURUS
(USA 2010, Christopher Ray)
0/10

PĀFEKUTO BURŪ [PERFECT BLUE]
(J 1997, Kon Satoshi)

8.5/10

PAPURIKA [PAPRIKA]
(J 2006, Kon Satoshi)

8/10

PHANTOM OF THE OPERA [PHANTOM DER OPER]
(USA 1943, Arthur Lubin)

6/10

SAMĀ WŌZU [SUMMER WARS]
(J 2009, Hosoda Mamoru)
8/10

SHERLOCK: THE EMPTY HEARSE
(UK 2014, Jeremy Lovering)
5.5/10

SHERLOCK: HIS LAST VOW
(UK 2014, Nick Hurran)
7.5/10

SHERLOCK: THE SIGN OF THREE
(UK 2014, Colm McCarthy)
5/10

SLEEPERS
(USA 1996, Barry Levinson)
6.5/10

SPRING BREAKERS
(USA 2012, Harmony Korine)
10/10

STREET FIGHTER
(USA/J 1994, Steven E. de Souza)
6/10

SUPER MARIO BROS.
(USA/UK 1993, Annabel Jankel/Rocky Morton)
5/10

SUPERSTAU
(D 1991, Manfred Stelzer)
7/10

SUTORENJIA: MUKÔ HADAN [SWORD OF THE STRANGER]
(J 2007, Andô Masahiro)
8/10

TOKI O KAKERU SHŌJO [DAS MÄDCHEN, DAS DURCH DIE ZEIT SPRANG]
(J 2006, Hosoda Mamoru)
10/10

UP [OBEN]
(USA 2009, Pete Docter)

5.5/10

WHEN WE WERE KINGS
(USA 1996, Leon Gast)
6.5/10

WRECK-IT RALPH [RALPH REICHT’S] (3D)
(USA 2012, Rich Moore)

6.5/10

Retrospektive: Top Ten 2010


MARY & MAX
(AUS 2009, Adam Elliot)
8/10

I LOVE YOU, PHILLIP MORRIS
(F/USA 2009, Glenn Ficarra/John Requa)
8/10

AN EDUCATION
(UK/USA 2009, Lone Scherfig)
7.5/10

UN PROPHÈTE [EIN PROPHET]
(F/I 2009, Jacques Audiard)
7.5/10

THE END OF THE LINE
[DIE UNBEQUEME WAHRHEIT ÜBER UNSERE OZEANE]
(UK 2009, Rupert Murray)
8.5/10

A SINGLE MAN
(USA 2009, Tom Ford)
8/10

EXIT THROUGH THE GIFT SHOP  
[BANKSY - EXIT THROUGH THE GIFT SHOP]
(UK 2010, Banksy)
8.5/10

SIN NOMBRE
(MEX/USA 2009, Cary Fukunaga)
8.5/10

FOOD INC.
(USA 2008, Robert Kenner)
8.5/10

HERBSTGOLD
(D/A 2010, Jan Tenhaven)
8.5/10