27. November 2012

Die Top 5: The O.C.

The timing in this house is a thing of beauty.

Wer auf dem US-TV-Serienmarkt einen Eindruck hinterlassen will, muss sich schon ordentlich ins Zeug legen. Schließlich balgt sich eine Masse an Drama- und Comedy-Serien wöchentlich um die Gunst der Zuschauer. Im ersten Jahr ihrer Ausstrahlung war The O.C. vor fast zehn Jahren eine solche Serie. An sich total gewöhnlich und dennoch irgendwie anders. Die Show von Josh Schwartz und McG, angesiedelt in Newport Beach im kalifornischen Orange County, reüssierte mit einer Fish-out-of-Water-Story um Ryan Atwood (Ben McKenzie), eines Problemkindes aus Chino, das von der wohlhabenden Familie der Cohens aufgenommen wird.

Die Cohens wiederum sind ebenfalls nicht vollends in ihrem Element in Newport. So ist Vater und Pflichtverteidiger Sandy (Peter Gallagher) ein idealistischer Weltverbesserer von der Ostküste, während sein Sohn Seth (Adam Brody) als Comic-Fan in der Schule gemobbt wird und sich hinter einem Sarkasmus-Schutzwall verbarrikadiert. Was beide in Orange County verankert, ist ihre Beziehung zu Frau und Mutter Kirsten (Kelly Rowan), Tochter des wohlhabendsten Mannes der Stadt. Jenen Zusammenprall zweier Welten, sei es Ryan mit Newport oder die Cohens, zelebrierte The O.C. beständig, gewürzt mit den Beziehungskonflikten der Figuren.

Rückblickend war die Show jedoch extrem kurzweilig, im Laufe von drei Jahren brach die Zuschauerquote um 57 Prozent ein und am Ende wurde The O.C. bereits nach vier Staffeln eingestellt. Gründe ließen sich hierfür wohl viele finden. Allen voran war die Show zu redundant und exerzierte jedes Jahr stets dasselbe Szenario mit verschiedenen Figuren durch. Zusätzlich fiel die Episodenbuchung exorbitant aus, mit teilweise bis zu 26 Episoden pro Staffel, also über 17 Stunden Narration. Und weil die bereits bekannten – und so vorhersehbaren – Nebenhandlungen zu lange aufrecht erhalten wurden, schwand das Interesse am Geschehen konsequent.

Ein ähnliches Dilemma zeigte sich bei den Figuren. Nicht von ungefähr wurde Mischa Barton in ihrer Rolle als Marissa Cooper, das sprichwörtliche “girl next door”, als Schwachpunkt der Serie ausgemacht. Frühzeitig mit einem Alkoholproblem versehen, schlidderte die Figur nach und nach in die Untiefen aller Klischees. Das unrühmliche Ende war einer der grausamsten Serientode aller Zeiten – ausschließlich auf das Seherlebnis bezogen. Löblich war, dass einige Beziehungen wie die von Sandy und Kirsten oder auch von Seth und seiner Jugendliebe Summer Roberts (Rachel Bilson) zumindest ein durchgängiges Thema der Show gewesen sind.

Aber The O.C. hatte auch ihre Vorzüge, allen voran ihren Sarkasmus und ihre Bereitschaft zur Selbstparodie. Insbesondere Adam Brody bleibt einem positiv im Gedächtnis – auch wenn mit der Figur im Laufe der dritten Staffel, genauso wie bei Peter Gallagher, dem anderen Highlight, der Fall, eher gezwungen dramatisch umgegangen wurde. Kaum eine Folge, ohne besondere Szene – nur trägt eine Szene leider keine ganze Folge. Weshalb der Serie weniger Episoden und weniger Redundanz in der Dramatisierung sehr viel besser getan hätte. Dass schrulliger Humor alleine ausreicht, bewiesen immerhin viele der Figuren jahrelang.

So wie Sandy und Seth, aber auch Autumn Reeser als Taylor Townsend hauchte The O.C. zum Ende nochmals Leben ein. Ironischerweise endete gerade jene Serie, die vier Jahre lang prinzipiell dasselbe erzählte, reichlich überhastet in einer Serienfinalmontage, die auch aufgrund einiger offener Punkte wenig Raum für Nostalgie ließ. Und auch wenn es ziemlich leicht war, die fünf stärksten Episoden aus 92 zumeist durchschnittlichen Folgen zu benennen, zeichnet es The O.C. aus, dass man über die Serie sagen kann, was Peter Gallaghers Familienvater in der zweiten Staffel meinte: Just because you’re leaving doesn’t mean I’m letting you go.


5. The Case of the Franks (Season 4, Episode 13, Norman Buckley): Steht hier stellvertretend für eine mäßige vierte Staffel, die wenig zu erzählen hatte und zu wenig aus ihren Möglichkeiten machte. Gelungen ist diese Folge, da sie sich zentral um die Beziehungen aller Figuren kümmert, Ryan näher zu seinem entfremdeten Vater Frank (Kevin Sorbo) bringt und mit einer herrlichen Meta-Rückblenden-Szene zwischen Seth und Ryan aufwartet.

4. The O.Sea (Season 2, Episode 23, Michael Lange): Zum Ende der zweiten Staffel klären Seth und Zach (Michael Cassidy) ihren Kampf um Summer, während der eine sie zum Abschlussball begleitet und der andere ein hölzernes Abendessen mit George Lucas wahrnimmt. Zugleich wird Kirstens gesteigerte Alkoholsucht mit dem Tod ihres Vaters (Alan Dale) und dem Hauch von Menschlichkeit bei Julie (Melinda Clarke) verknüpft.

3. The Perfect Storm (Season 3, Episode 5, Tony Wharmby): Während Ryan mal wieder versucht, Newport den Rücken zu kehren, agieren die übrigen Figuren als homogenes Ganzes, um dies zu verhindern. Der grandiose Höhepunkt der Folge ist Sandys Besuch bei Rektor Hess (Eric Mabius), den er mit fiktiven Bildern auf seinem Mobiltelefon dazu blufft, dass dieser nicht nur Ryan wieder zur Schule lässt, sondern sogar selbst zurücktritt.

2. The Nana (Season 1, Episode 23, Michael Lange): Sandys Mutter a.k.a. die Nana (Linda Lavin) kündigt sich an und wird ihrem schrecklichen Ruf nicht gerecht, weil sie todkrank ist. Dies drückt zuerst die Stimmung, bringt die Cohen-Familie jedoch näher zusammen. Summer arbeitet derweil an ihrer Vorzeigbarkeit fürs Passahfest und Ryan gelingt überraschend ein wenig aggressives Manöver, um gleich drei Brandherde in Chino zu löschen.

1. The Chrismukkah That Almost Wasn’t (Season 2, Episode 6, Tony Wharmby): Die Offenbarung, dass Lindsay (Shannon Lucio) die uneheliche Schwester von Kirsten ist, bringt Chrismukkah an den Rand des Abgrunds und das Drama-Level in The O.C. an seinen Siedepunkt. Erstaunlicherweise ist es dann Summer, die mit einer geschickt inszenierten Zusammenführung Chrismukkah rettet und zumindest kurzweilig für Harmonie sorgt.

21. November 2012

Head Games

You’re playing Russian roulette with their future.

Es dürfte wohl für die meisten Menschen kein Schock sein, zu erfahren, dass man sich bei körperkontaktbetonten Sportarten verletzen kann. Womöglich sogar unwiderruflich. Insofern ist der Einstieg zu Steve James’ Dokumentation Head Games für Europäer etwas überraschend. “It’s been known for a long time that banging your head over and over again can be a bad thing”, sagt Alan Schwarz, Reporter der New York Times, zu Beginn. Was nicht gerade eine Offenbarung ist. Angesichts der Reaktionen und Entwicklungen, die James in den folgenden anderthalb Stunden zeigt, scheint dies in den USA jedoch durchaus eine solche gewesen zu sein.

In seinem jüngsten Film thematisiert James den Zusammenhang zwischen gewissen Sportarten wie Football, Basketball, Eishockey oder Fußball und dem Auftreten von chronisch traumatischer Enzephalopathie (CTE) nach erlittenen Gehirnerschütterungen. Im Mittelpunkt des Films steht dabei Chris Nowinski, ehemaliger College-Football-Spieler und WWE-Wrestler, der nach einer Gehirnerschütterung den Profi-Sport aufgab, ein Buch über die Risiken im Football schrieb und seither als Ansprechpartner für CTE-Gefahren gilt. “I loved the violence”, sagt er rückblickend über seine Zeit beim Football, den in den USA einer aus acht Jungen praktiziert.

Es sei “the closest thing of being a war hero without actually going to war”, sagt Nowinski. Seine Sportanalogie deckt sich mit Beschreibungen einiger anderer interviewter Sportler. Dies trifft aber auch auf ihre Krankenakte zu. Jeder zweite Spieler hat schon Symptome einer Gehirnerschütterung gehabt, in Head Games treffen wir auf Fußballerinnen, die von mehreren Gehirnerschütterungen berichten, genauso wie einen Teenager, der bisher drei davon erlitten hat. Auswechseln lassen wollen sich die meisten von ihnen während einer Partie jedoch nicht. Für Profis der NFL gehören Schädel-Hirn-Tramata (SHT) nach eigener Aussage sogar zum Sport dazu.

“In most other sports the chance of injury in incidental”, sagt der Sportjournalist Bob Costas. “In football, the chance of injury and long term serious effects is fundamental.” Und CTE sei dabei die größte Gefahr, die nicht nur zu früher Demenz führen kann, sondern viele Betroffene auch in den Selbstmord treibt. Steve James begleitet einen Ex-Football-Profi zum Neurologen, wo dieser nicht einmal mehr die Monate zwischen Januar und Juni aufzählen konnte. Ingesamt gaben 1,9 Prozent der Ex-Profis zwischen 30 und 49 Jahren an, mit einer Demenzerkrankung diagnostiziert worden zu sein. In der normalen Bevölkerung sind nur 0,1 Prozent betroffen.

Somit stellt sich die Frage, ob diese Sportarten im Allgemeinen und Football im Speziellen für Kinder geeignet sind. “You’re playing Russian roulette with their future”, findet Nowinski. Auch andere Eltern äußern Bedenken, stellen diese jedoch hinter die Liebe ihrer Kinder zu der jeweiligen Sportart zurück. So berichtet auch Chayse Primeau, Sohn von Ex-NHL-Spieler Keith Primeau, davon, einmal mehrere Minuten bewusstlos gewesen zu sein. Seinem Vater war einst nach seiner vierten Gehirnerschütterung von seinem Klub nahegelegt worden, seine Karriere zu beenden. “I was relieved”, gesteht Primeau seine erste Reaktion.

Was genau passiert, wenn wir eine Gehirnerschütterung erleiden, zeigt Steve James anfangs ebenso ausführlich wie die Neurologin Ann McKee ihre Forschung. Grandios gerät dabei eine Szene, in der sie ein Gehirn wie ein Laib Brot zerschneidet, um die Folgen von CTE zu zeigen. Wie gesagt ist es wenig überraschend, dass Profi-Sportarten mit viel Körperkontakt gesundheitliche Risiken bergen. Insofern vermag Head Games einen nicht vom Hocker zu hauen. Aber es gelingt Steve James gut, die Hintergründe etwas eingehender zu beleuchten und auf etwas aufmerksam zu machen, was zumindest in den USA weniger bekannt war als es hätte sein sollen.

7.5/10

15. November 2012

The Invisible War

Don’t risk it. Ask her when she’s sober.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums hat das US-Militär 2011 mit über 150.000 neuen Rekruten seine Vorgaben erfüllen können. Bedenkt man, dass 2009 rund 15 Prozent der Armee aus Frauen bestand, wären das um die 23.000 Rekrutinnen pro Jahr. Diese Frauen verpflichten sich für den Dienst am Vaterland, darauf vorbereitet, im Notfall für dieses ihr Leben zu lassen. Worauf sie nicht vorbereitet sind, und was jede fünfte Soldatin während ihrer Dienstzeit erleben muss, ist ein sexueller Übergriff, voraussichtlich von einem direkten Vorgesetzten. Vergewaltigung, so ein Gerichtsbeschluss, sei im US-Militär eine „berufsbedingte Gefahr“.

Einem CNN-Artikel von Jackie Speier vom Juni 2012 zufolge, hat man im US-Militär eine 86-prozentige Chance “of keeping your crime a secret”. Kommt es dann doch ans Licht, wird in 92 von 100 Fällen ein Verfahren vermieden. Wer gerne vergewaltigt, so die morbide Schlussfolgerung, ist im US-Militär bestens aufgehoben. Schließlich haben laut einer Studie der US Navy bereits 15 Prozent der Rekruten eine Vergangenheit mit sexuellen Übergriffen. Mit Vergewaltigung in diesem “band of brothers” beschäftigt sich auch Kirby Dicks aufrüttelnder Dokumentarfilm The Invisible War, in dem ehemalige Soldatinnen von sexuellen Übergriffen auf sich berichten.

“Any report of a sexual assault is fully investigated in the United States Navy”, versichert an einer Stelle Rear Admiral Anthony Kurta, Direktor des Military Personnel Plans and Policy Office. Dabei meldet jede vierte Soldatin nicht einmal ihren Übergriff, weil die Person, der sie es melden müsste, diesen selbst getätigt hat. Außerdem arbeitet Dicks Film heraus, dass selbst wenn es zu einer Anzeige kommt, diese meist im Keim erstickt wird. Die Schilderungen der Frauen – der Film beginnt mit einer nicht enden wollenden Anzahl Talking Heads von Betroffenen – zeigt, dass es sich keinesfalls, wie vom Militär darstellt, um Einzelschicksale handelt.

Allein 2010 soll es laut CNN 19.000 solcher Vorfälle gegeben haben – allerdings nur die gemeldeten, wohlgemerkt. Gemeldet haben auch die Interviewten in The Invisible War ihre Vergewaltigungen – getan hat sich wenig, bis auf den emotionalen und teilweise körperlichen Schaden, den die Veteraninnen erlitten haben. So nahm Hannah Sewell in der Navy ein Kamerad ihre Jungfräulichkeit, andere Frauen wurden von ihrem Vergewaltiger sogar schwanger. Kori Cioca gefiel an der Coast Guard die Kameraderie unter den Soldaten, die Disziplin. “Who I wanted to be”, sagt sie, “they taught you there”. Bis sie vergewaltigt und verletzt wurde.

Ihr Vorgesetzter sprengte ihr Kiefergelenk, inzwischen kann sie keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen, aufgrund der Kälte im Winter nicht mit ihrer Tochter draußen spielen. Vor ihr auf dem Tisch stehen über zwei Dutzend Tablettenröhrchen, die sie für ihre Schmerzen schlucken muss. Die Übernahme der Kosten lehnt das Militär ab, da Cioca aufgrund der Vergewaltigung zwei Monate vor Dienstende bereits aus der Armee austrat. Ebenso wie ihr Mann, den sie dort kennengelernt hat. Wie die anderen Interviewten hat sie sich trotz der Folgeschäden ein halbwegs normales Leben aufbauen können – was nicht jeder Veteranin widerfährt.

“40 per cent of homeless, female veterans have been raped while they’ve been serving”, weiß die Autorin Helen Benedict. Nicht wenige von ihnen haben einen Selbstmordversuch oder zumindest den Gedanken an einen solchen hinter sich. Ein Gefühl der Unsicherheit beschleicht Trina McDonald bis heute, seit sie von einem vermeintlichen Freund auf ihrer Navy-Station vergewaltigt wurde. “I got there in February”, erinnert sie sich. “By April I was drugged and raped for the first time.” Als einzige Frau unter zehn Männern sei sie sich vorgekommen wie ein Stück Fleisch. Die Schuld, das zeigt The Invisible War, wird derweil oft bei den Frauen selbst gesucht.

So warf man einer Soldatin vor, sie hätte sich zu aufreizend gekleidet – dabei hatte sie lediglich ihre Uniform an. Die angeblichen Auslöser für die Taten, ebenso wie ihre Nichtverfolgung, sind verstörend. Ebenso wie Dicks kurzzeitiger Ausflug in einen scheinbar noch weitaus dunkleren Abgrund, als plötzlich mit Michael Matthews ein Veteran von einer Vergewaltigung berichtet. Der ehemalige Air Force Soldat wurde in jungen Jahren von zwei unbekannten Kameraden vergewaltigt – ebenfalls nichts Ungewöhnliches. Rund ein Prozent der männlichen Soldaten widerfährt dieses Schicksal jedes Jahr, was weniger klingt, aber mehr ist als bei den Frauen.

Denn dadurch, dass es mehr männliche als weibliche Soldaten gibt, ist die Zahl der Betroffenen mit über 20.000 Fällen höher. Vergewaltigung in der Armee, so das Ergebnis, ist nicht auf das Geschlecht des Opfers bezogen. Auch wenn sich verschiedene Kampagnen gegen sexuelle Übergriffe – darunter der zynische Hinweis “Don’t risk it. Ask her when she’s sober” – primär zum Schutz der Soldatinnen aussprechen. Die Auswirkungen sind evident: Auf die Frage, ob sie ihre Töchter beim Militär sehen wollen, verneinen alle Interviewten. “I was always taught that it’s every citizen’s duty to join the military”, sagt Jessica Hinves. “If you can, you should.”

Sie stammt wie einige andere Soldatinnen aus einer Militärfamilie. Und hier fragt man sich als Zuschauer durchaus, ob ihre Männer oder Väter, die teils als hochrangige Offiziere angestellt sind, konkret etwas unternommen haben. Einige von ihnen spricht Dick zwar, allerdings berichten sie nicht von eigenen Handlungen. Und trotz der Inklusion von Michael Matthews gehen die sexuellen Übergriffe auf Männer etwas unter, wo sie doch die Mehrheit der Fälle ausmachen, ebenso wie zum Schluss zwar viele Politiker viel reden, aber ebenfalls nicht auf mögliche Handlungen und Maßnahmen angesprochen werden. Hier hätte der Film noch Potenzial gehabt.

Aber auch so ist es erschütternd, wie in The Tillman Story zuvor erneut aufgezeigt zu bekommen, aus was für Menschen sich das US-Militär genau zusammenstellt und wozu die Leitung dieses Apparates im Stande ist, um seine Täter zu schützen und seine Opfer zu benachteiligen. Denn während die Hannah Sewells ihrer Jungfräulichkeit beraubt und die Kori Ciocas unwiderruflich verletzt wurden, hat das US-Militär nicht nur nie Verfahren gegen die Täter aufgenommen, sondern diese teils sogar ausgezeichnet oder befördert. Dabei sind sexuelle Übergriffe in der Armee kein reines US-Phänomen, sondern kommen auch bei uns in der Bundeswehr vor.

Rund 80 Vorfälle werden dort jährlich gemeldet, wobei nur ein Viertel der Soldatinnen dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr nach die sexuellen Übergriffe überhaupt zur Anzeige bringt. Ganz so dramatisch wie in den USA scheint die Situation aber zumindest hierzulande (noch) nicht zu sein – und vermutlich würden Vergewaltigungen auch hier nicht als Berufsgefahr ausgelegt werden. Frauen in den USA sei in Bezug auf die Einschreibung zum Dienst beim Militär jedenfalls geraten: Don’t risk it. Denn wenn The Invisible War dem Zuschauer etwas zeigt, dann dass der berühmte US Army-Slogan “Be All You Can Be” für viele nicht viel heißt.

8/10

13. November 2012

Dredd 3D

Ma-Ma is not the law... I am the law.

Für hartgesottene Comic-Fans ist das Filmjahr 1995 wohl nicht existent. Zu grausam dürften die Erinnerungen an Joel Schumachers Batman Forever und Danny Cannons Judge Dredd sein. Extrem campy Comicverfilmungen populärer Figuren. Schrill, schräg und völlig überdreht. So erhielt der faschistische Straßenrichter Judge Dredd Rob Schneider als Sidekick und ging seiner Arbeit ohne Helm (!) in einer Versace-Uniform nach. Über den Film wurde bald (und gänzlich zu Unrecht) der Deckmantel des Schweigens gehüllt. Dabei hat Cannons Film durchaus einiges mit den Comics gemein, ist zuvorderst aber eine trashige Adaption mit viel Sinn für Selbstironie.

Angesichts der Renaissance des Comic-Genres war es absehbar, dass auch Judge Dredd nochmals durch Mega City One streifen würde. Alex Garland nahm sich der Figur an und versprach den Fanboys einen Fanboy-Ansatz. Allen voran, dass Dredd seinen Helm aufbehält. Und so verfolgt das Publikum in Dredd nun das Kinn von Karl Urban, wie es sich in eine Handlung begibt, die durch das vorherige Release des thematisch nicht unähnlichen The Raid bereits altbacken daherkommt. Im Grunde sind beide Filme jedoch nur Langversionen jener legendären Single-Take-Kampfszene aus Revenge of the Warrior. Und auch wenn Dredd das Rad nicht neu erfindet, macht er Spaß.

Das liegt jedoch weniger an dem nun bierernsten Ansatz der Figur, die Urban so rudimentär wie möglich – oder nötig – spielt. Das Szenario selbst macht Laune. Dredd ist weniger eine Comic- denn Videospielverfilmung, in der es für den Protagonisten gilt, von einem Set-Piece zum nächsten zu gelangen. Oder konkreter: von einem Level zum nächsten. Das Endresultat ist dann zwar weniger actionreich als man angesichts der Prämisse erwarten würde, die Welle an Gegnern ebbt immer mal wieder zum Luftholen ab, und auch einige Ansätze werden nicht vollends zu Ende verfolgt, aber Fans wie Nicht-Fans der 2000-AD-Figur werden hier gleichermaßen gut unterhalten.

Man kommt aber nicht umhin, aufgrund des Potenzials mehrfach die Blaupausen einer etwas besseren Adaption zu sehen. So wird die den Film einleitende Szenedroge Slo-Mo, mit der das Gehirn seine Umwelt in Zeitlupengeschwindigkeit wahrnimmt, unzureichend eingesetzt. Zwar nutzt Regisseur Pete Travis das Gimmick, um während einer Razzia-Szene zwischen der Realität und Slo-Mo hin- und herzuwechseln, aber richtig zu Ende gedacht werden auch diese Szenen nie. Im Gegenteil, eine der wenigen Slo-Mo-Szenen zeigt uns lediglich die Antagonisten beim Baden. Und mit seiner Antagonistin Ma-Ma bewegt sich der Film ebenfalls auf dünnem Eis.

Von Lena Headey zwar überzeugend gespielt, ist auch ihre Figur nicht konsequent genug ausgearbeitet. Ihr Hintergrund will nicht so ganz erklären, wie sie sich einen ganzen Wohnkomplex – der in der Welt von Dredd quasi ein ganzes Stadtviertel einnimmt – unter den Nagel gerissen hat. Auch die Beweggründe für den entfachten Krieg gegen Dredd geraten reichlich schwammig und unausgegoren. Letztlich handelt es sich hierbei zuvorderst aber um einen Action-Film, in dem die Charaktere weniger ausgereift sein müssen als wiederum in einem Charakter-Drama. Und die Handlung, so simpel sie ist, überzeugt vermutlich gerade wegen ihrer Einfachheit.

Das Ensemble spielt seinen Part, die Kameraarbeit von Anthony Dod Mantle ordnet sich der Idee des Films und seiner Szenerie unter, und die Musik trägt ebenfalls ihren Teil zum gelingenden Ganzen bei. Somit kann das Ergebnis als gut erachtet werden, wenn auch im direkten Vergleich Judge Dredd durch seine verspielte Unernsthaftigkeit gegenüber Dredd der etwas vergnüglichere Film ist. Ohne dass Pete Travis’ Adaption dabei jedoch – auch dank ihrer Kurzweiligkeit – weniger unterhaltsam wäre. So wie so, am Ende ist es jedenfalls erfreulich, Judge Dredd wieder in Mega City One zu sehen – mit oder ohne Helm. Die Fanboys jedenfalls werden sich an diesem Detail freuen.

7/10

6. November 2012

Amour

Liebe ist der Wunsch, etwas zu geben, nicht zu erhalten.
-- Bertholt Brecht


Wenn man eines über Michael Hanekes jüngsten Film sagen kann, dann, dass Amour wohl nicht gerade das Feel-Good Movie des Jahrzehnts wird. Vielmehr wird von Haneke etwas thematisiert, dass die meisten Menschen vermutlich geflissentlich ignorieren: was sie im hohen Alter erwartet. Für Haneke selbst ging es darum, wie man mit dem Leiden eines geliebten Menschen umgeht. Bis zu welchem Alter und Gesundheitsgrad ist das Leben noch lebenswert und transzendiert das eigene Leiden auf den jeweiligen Partner? In Amour sehen wir ein altes Ehepaar in seiner letzten Lebensphase, als es von einem Schicksalsschlag getroffen wird.

Eine Verstopfung der Halsschlagader bei Anne (Emmanuelle Riva) verlangt nach einer Operation; als diese jedoch missglückt, ist die ehemalige Musiklehrerin plötzlich halbseitig gelähmt. Fortan geht der zuvor durchaus vitalen Frau ihr Ehemann Georges (Jean-Louis Trintignant) zur Hand, schneidet ihr das Essen und hilft ihr von der Toilette. Als Anne ein Schlaganfall trifft, die Lähmung sich verschlimmert und eine Pflegerin eingestellt werden muss, verschlechtert sich mit Annes gesundheitlichem Zustand ihre einst so harmonische Ehe mit Georges. Auch die gemeinsame Tochter Eva (Isabelle Huppert) leidet unter der Situation ihrer Mutter.

In guten wie in schlechten Zeiten – so heißt es im Eheversprechen. Natürlich hoffen die meisten Paare auf weitaus mehr gute wie schlechte Zeiten. Das Alter bringt es jedoch oft mit sich, dass sich der Zustand des einen Partners vor dem des anderen verschlechtert. Plötzlich wird man von dem oder der einstigen Geliebten zu einem oder einer Abhängigen. Ein Effekt, der sich nicht zuletzt auch auf den notbedürftigen Partner niederschlägt, in diesem Fall Anne. Mit der halbseitigen Lähmung geht sie zuerst noch sehr positiv um, doch mit der Zeit beginnt sie an ihrem Leiden und ihrer fortschreitenden Hilflosigkeit und Abhängigkeit zu verzweifeln.

Wie Emmanuelle Riva diesen psychischen und physischen Verfall spielt, ist im Folgenden durchaus beeindruckend. Was mit einer angewinkelten rechten Hand beginnt, setzt sich fort zum verzogenen Mundwinkel und herausgepressten Wortfetzen. Die 85-Jährige spielt dies alles mit einer Würde und einem Selbstverständnis, der es – im Verbund mit ihrer relativen Unbekanntheit – umso einfacher macht, sich auf die Figur ihrer gebeutelten Musiklehrerin einzulassen. Auch Jean-Louis Trintignant überzeugt als liebevoller Ehemann, der klar zu erkennen gibt, dass bei ihm die Hoffnung zuletzt stirbt. Vermutlich sogar nach seiner geliebten Anne.

Wenn Jury-Vorsitz Nanni Moretti erklärt, durch Amours Gewinn der Palme d’Or konnten seine Schauspieler nicht ausgezeichnet werden, spricht das für sich. Verdient hätten es Riva und Trintignant beziehungsweise das Ensemble des Films allemal. Angesichts seiner ziemlich bedrückenden Thematik, zurückgenommenen Erzählweise und Laufzeit von zwei Stunden funktioniert Amour überraschend gut. Wie eingangs erwähnt zwar keineswegs ein Feel-Good Movie bedeutet dies jedoch nicht, dass der Film ein „Downer“ sei. Vielmehr geht einem jene dargestellte Liebe von Georges zu Anne und diese beiden sympathischen Figuren zu Herzen.

Vorwerfen ließe sich, dass Haneke den Film straffer hätte erzählen können, da zumindest eine der Sequenzen verzichtenswert ist. Auch ein weniger harter Einstieg und ein Schluss, der eine Szene früher einsetzt, hätten Amour vermutlich besser zu Gesicht gestanden. Aber unabhängig davon ist dem österreichischen Regisseur nach dem etwas verkopften Das weiße Band nun wieder eine klare Steigerung gelungen und letztlich formal wie emotional einer der gelungensten Filme des Jahres. Zwar ist Amour kein Film, den man sich immer wieder und wieder ansehen wird, aber wie sagte es bereits Gustave Flaubert: „Man liebt nur, woran man leidet“.

8.5/10

Szenenbilder Amour © Warner Bros./XVerleih

1. November 2012

Filmtagebuch: Oktober 2012

THE ADVENTURES OF TINTIN
(USA/NZ 2011, Steven Spielberg)
3/10

BEASTS OF THE SOUTHERN WILD
(USA 2012, Benh Zeitlin)
9/10

BILL CUNNINGHAM NEW YORK
(USA/F 2010, Richard Press)
7.5/10

DAWN OF THE DEAD [DIRECTOR’S CUT]
(USA 1978, George A. Romero)
7/10

DAY OF THE DEAD
(USA 1985, George A. Romero)
6/10

THE DEVIL’S DOUBLE
(B/NL 2011, Lee Tamahori)
4.5/10

DREDD 3D
(GB/USA/IND 2012, Pete Travis)
7/10

DU HAST ES VERSPROCHEN
(D 2012, Alex Schmidt)
4.5/10

J. EDGAR
(USA 2011, Clint Eastwood)
5/10

KILLER JOE
(USA 2011, William Friedkin)
6/10

LIKE CRAZY
(USA 2011, Drake Doremus)
3/10

LOOPER
(USA 2012, Rian Johnson)
4/10

MARTHA MARCY MAY MARLENE
(USA 2011, Sean Durkin)
4/10

MICHAEL
(A 2011, Markus Schleinzer)
7.5/10

MIRROR MIRROR
(USA 2012, Tarsem Singh)
6/10

NIGHT OF THE LIVING DEAD
(USA 1968, George A. Romero)
7/10

THE O.C. - SEASON 1
(USA 2003/04, Michael Lange u.a.)
7/10

THE O.C. - SEASON 2
(USA 2004/05, Ian Toynton u.a.)
7/10

OSLO, 31. AUGUST
(N 2011, Joachim Trier)
7/10

PIETA
(ROK 2012, Kim Ki-duk)
6.5/10

PIRANHA 3DD
(USA 2012, John Gulager)
5.5/10

[REC]
(E 2007, Jaume Balagueró, Paco Plaza)
4/10

RETURN OF THE LIVING DEAD
(USA 1985, Dan O’Bannon)
5/10

SNOW WHITE AND THE HUNTSMAN
(USA 2012, Rupert Sanders)
3/10