30. November 2008

The Godfather: Part II. An Essay

Keep your friends close. But your enemies closer.

Eine alte Hollywoodregel besagt, dass Fortsetzungen zwei Drittel des Originalfilmes einspielen (vgl. Weyandt, S. 89). Bedenkt man, dass Regisseur Francis Ford Coppola für seine Adaption von Mario Puzos The Godfather etliche Aspekte der Handlung ausgelassen hatte, verwundert die Entscheidung von Paramount Pictures nicht, die übriggebliebenen Teile des Werkes weiter zu verwerten. Neben etlichen Merchandise-Artikeln war The Godfather zugleich der erfolgreichste Film der frühen siebziger Jahre. Der Wunsch diese Kuh weiter zu melken ergibt sich somit von selbst und jenes Geschäftselement schlägt sich bis in unsere heutige Zeit. Doch bei Regisseur Coppola stieß das Studio auf taube Ohren. „Initially, the idea of a sequel seemed horrible to me“, gestand der Oscarpreisträger (vgl. Johnson, S. 147). Die Mutmaßungen, weshalb sich der Italo-Amerikaner anders entschied, sind vielfältig. Seinen eigenen Äußerungen zufolge erhielt er in San Fransisco Besuch von einigen russischen Filmproduzenten, die nachfragte, wann denn The Godfather: Part II erscheinen würde. „It seemed such a terrible idea that I began to be intrigued by the thought of pulling it off“, erläuterte der Regisseur seinen Gedankengang (vgl. Johnson, S. 147). Zwar behauptete Coppola, er müsse aus finanziellen Gründen keinen Film mehr drehen, doch seine anderen, kleineren Projekte verlangten auch nach ihrer Finanzierung. Also sagte er zu und stellte zugleich Forderungen. Die Position hierzu hatte er sich durch den Erfolg des Vorgängerfilmes erarbeitet. Der Titel des Filmes sollte den Zusatz „Part II“ tragen und nach einigen Widerstrebungen von Seiten Paramounts markiert The Godfather: Part II schließlich die erste Fortsetzung in der Geschichte Hollywoods, die nach dem Muster der (römischen) Ziffer funktioniert. Eine weitere Forderung beinhaltete, dass der Großteil der ursprünglichen Besetzung wieder an Bord geholt werden würde. Ein Unterfangen, was sich zum Teil als schwierig erweisen sollte.

Zwei Figuren wird man vermissen. Beide Male aus finanziellen Gründen. Nachdem Paramount während der ersten Dreharbeiten stets gegen die Besetzung von Marlon Brando war, wollte man diesem nicht die Vergütung zukommen lassen, die er für einen erneuten Auftritt verlangt hatte. Ähnlich verhielt es sich bei Richard S. Castellano, der zudem die Forderung stellte, dass ein Freund von ihm seine Dialoge schreiben dürfe. Auf beide verzichtete Coppola und machte sich mit Puzo an das Abfassen des Drehbuches. Nach drei Monaten war man bereits fertig und die Eckdaten von Paramount gesetzt. Zuvor musste jedoch Francis Ford Coppola noch umgestimmt werden, die Regie zu übernehmen. Denn eigentlich wollte dieser sich auf die Produktion beschränken, die Arbeit hinter der Kamera sollte der aufstrebende Regisseur Martin Scorsese leiten. Paramount widersetzte sich. Scorsese – dessen Mutter in einer Gastrolle zu sehen ist – würde Jahre später mit Goodfellas und Casino seine eigenen Mafiafilme drehen. Die Positionen für die Produktion wurden besetzt, die Termine festgelegt. Im März 1974 sollte die Fortsetzung in den Kinos starten, an jenem Tag, an dem zuvor schon der erste Teil erfolgreich gestartet war. Aber es kam alles anders. „Within three weeks the shoot was running badly over budget and seriously behind schedule“, schildern Goodman und Wise (vgl. Goodman/Wise, S. 166). Coppola sah Außendrehs in Lake Tahoe, Las Vegas, New York, Miami, Sizilien und in der Karibik vor. Besonders die Karibik würde seinen Planungen hier ein Bein stellen. Zum einen wollte das Wetter nicht mitspielen, die Sonne nicht scheinen, und zum anderen machte Al Pacinos Gesundheit diesem einen Strich durch die Rechnung. Die Darstellung des Michael Corleone verlangte Pacino einiges ab, sodass er überfordert zusammenbrach. Obschon für März ´74 die Premiere geplant war, liefen im Januar noch die Kameras.

Money isn’t everything.

Der Film war folglich zwei Monate überfällig. Was drei Jahre zuvor für Coppolas Rauswurf gesorgt hätte, verkam nun zu einer Kleinigkeit. Zwar wurden einige Stimmen bei Paramound laut, doch verstummten diese, als American Graffiti den Golden Globe als Bester Film und zudem fünf Oscarnominierungen erhalten hatte. Man ließ Coppola gewähren und nach neun Monaten Drehzeit schloss dieser den Film letztlich ab. Die Arbeit endete jedoch noch lange nicht. Unzählige Minuten musste Coppola aus dem Film schneiden, speziell Szenen in Little Italy, an denen das Herz des Italo-Amerikaners hing. Der Kinostart wurde auf Dezember festgelegt, im Oktober wurde zu einem neuen Höchstpreis der erste Teil im Fernsehen ausgestrahlt. Das Land sollte erneut in ein Godfather-Fieber fallen. Zur selben Zeit besaß der zweite Teil noch eine Lauflänge von fünf Stunden, als Coppola seinem Geschäftspartner und Freund George Lucas schließlich den Film präsentierte, fiel die erste Kritik. „You have two movies. Throw one away. It doesn’t work“, so Lucas (vgl. Goodman/Wise, S. 181). Letztlich stutzte Coppola sein Werk noch auf eine Laufzeit von 200 Minuten herunter, das von Lucas angesprochene Problem ließ sich dadurch jedoch nicht vollends beseitigen. Als der Film zu Weihnachten anlief, konnte er die Erwartungen der Produzenten nicht wirklich erfüllen. Die Faustregel Hollywoods versagte, der Film spielt nur ein Drittel des ersten Teiles (etwa 100 Millionen Dollar) ein. Zwar immer noch das Fünffache seiner Kosten, aber nicht die Summe, die man sich erhofft hatte. Als Ursachen ließen sich das unstimmige Ende und der unsympathische Held der Geschichte ausmachen. Während das Publikum an den Kinokassen etwas bieder reagierte, feierte der Großteil der Presse den Regisseur. Im Frühjahr erhielt The Godfather: Part II elf Oscarnominierungen und wurde mit sechs Auszeichnungen bedacht. Darunter in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Regie“ und „Bestes Drehbuch“ – alle drei Preise gingen somit auch an Coppola selbst. Inzwischen hatte er fünf Trophäen gewonnen. Die Medien „treated Coppola like a prince of filmdom“ (vgl. Goodman/Wise, S. 183). Er war in der Tat „on top of the world“ (ebd.) und mit dem Jahr 1974 sollte die Karriere von Francis Ford Coppola ihren Höhepunkt erreichen.

Eigentlich lässt sich The Godfather: Part II schön in einem Satz zusammenfassen: der Film ist eine „Orestie, das Echo des Bösen aus der Vergangenheit hallt in die Zukunft nach“ (vgl. Weyand, S. 91). Während Coppola und Puzo einerseits die Geschichte des Aufstieges von Vito Andolini aus dem sizilianischen Dorf Corleone erzählen, folgen sie damit jenen Aspekten des Romans, die keinen Einzug in The Godfather gefunden hatten. Andererseits spinnt Coppola die Geschichte jedoch weiter und erzählt parallel dazu den vermeintlichen Niedergang des Michael Corleone. Somit ist der Film schließlich Sequel und Prequel zugleich. „I want to show how two men, father and son, were … corrupted by this Sicilian waltz of vengeance“, erklärte Coppola (vgl. Johnson, S. 155). Nach einer Einstiegseinblendung von Michael Corleone (Al Pacino) beginnt auch gleich die eigentliche Geschichte. Anfang des 20 Jahrhunderts findet in Sizilien eine Beerdigung statt. Einer der Dörfler hatte sich gegen die Mafia und ihren Don Francesco „Ciccio“ (Giuseppe Sillato) aufgelehnt und dies mit seinem Leben bezahlt. Um der Rache der Söhne zuvor zu kommen, will Ciccio diese ebenfalls liquidieren. Als der Ältere der beiden erschossen aufgefunden wird, bittet die Mutter (Maria Carta) bei Don Francesco um das Leben ihres verbliebenen Sohnes Vito (Oreste Baldini). Doch Ciccio lehnt ab und es ist dem wagemutigen und zugleich dummen Verhalten seiner Mutter geschuldet, dass Vito mit dem Leben davon kommt. Früh präsentiert Coppola hier eine atmosphärisch dichte Sequenz, die sinnbildlich für einige andere, kommende Szenen stehen kann. Das Verhalten der Figuren ist unglaubwürdig, die Szene selbst kaum authentisch. Inmitten von Ciuccis Männern zückt Mutter Andolini ein Messer und ermuntert Vito die Flucht zu ergreifen. Ein wenig nachvollziehbares Verhalten, das nur dadurch gesteigert wird, dass es dem Jungen anschließend tatsächlich gelingt, die erwachsenen und bewaffneten Leibwächter hinter sich zu lassen.

This must all end.

Die Dorfbewohner von Corleone nehmen Vitos an, schmuggeln diesen zum Hafen. Warum jene Bewohner ihr eigenes Wohl aufs Spiel setzen, um das Leben dieses Jungen zu retten und wie sie überhaupt die Schifffahrt nach New York bezahlen konnten, wird nicht erläutert. Vito landet letztlich in der neuen Welt, wird jedoch auf Ellis Island erst einmal gezwungen in Quarantäne zu gehen. „This sequence must have been close to the filmmaker’s heart, remembering his own childhood bond with disease and the long months of isolation“ (vgl. Goodman/Wise, S. 182). Eine Analogie zwischen Vito Andolini, nunmehr Corleone genannt, und Francis Ford Coppola drängt sich auf, war der Regisseur als Kind doch selbst Monate lang an sein Bett gefesselt. Hatte Coppola beim ersten Teil noch den Ausspruch geprägt, es sei ein Film über eine Familie von einer Familie, so verkommt The Godfather: Part II zu einem Film von einem Mann über seine Familie. Vitos Isolation macht hier nur den Anfang. „The demons of my own life weren’t serving me well“, erzählt Coppola retrospektiv in seinem Audiokommentar. Zwar verlief die Produktion beim zweiten Teil der Reihe gut, dafür ging es dem Privatleben des Regisseurs immer schlechter. Parallel zur gescheiterten Ehe von Michael und Kay (Diane Keaton) kriselte es auch in der Beziehung zwischen Coppola und seiner Frau Eleanor. Auch die Beziehungen zu seinem älteren Bruder August und seinem Vater Carmine (s. The Godfather) erhielten Einzug in die Handlung. In der Fortsetzung werden nicht nur die Eheprobleme innerhalb der Familie Corleone thematisiert, sondern auch die brüderliche Rivalität und das Gefühl eines Sohnes, seinem Vater gegenüber minderwertig zu sein. „It’s easy to imagine that Coppola might have been facing similar conflicts“ (vgl. Goodwin/Wise, S. 163). Am Ende des Filmes ist Michael Corleone auf dem Höhepunkt seiner Karriere und doch allein von der Frau, die er einst liebte. Während Außenstehende Coppola zu Füßen lagen, litt seine eigene Frau und somit seine Ehe unter seinem Erfolg.

Was Coppola am ersten Teil gestört hatte, war die Tatsache, dass die Zuschauer Michael nicht wirklich verurteilen konnten. Das ging einher mit dem Vorurteil, The Godfather sei ein Euphemismus der amerikanischen Mafia. Was Michael tat, geschah aus dem Interesse der Familie heraus. Diesem positiven Bild von Michael wollte Coppola nun entgegenwirken. Gelungen ist ihm dies nicht wirklich, dafür sorgen die etablierten Antagonisten. Der hinterhältige Hyman Roth (Lee Strasberg) reicht Michael bei der Kommunionsfeier seines Sohnes die rechte Hand, während er ihm mit der linken praktisch ins Gesicht schlägt. Ein Anschlag auf Leib und Leben wird folgen und das in seinem eigenen Schlafzimmer, in Anwesenheit seiner Frau. Nevadas Senator Geary (G.D. Spradlin) hingegen beleidigt bei seinem ersten Treffen mit Michael nicht nur diesen selbst, sondern die gesamte italo-amerikanische Gemeinde. „It is just too much.“, fasst Johnson (vgl. Johnson, S. 153) zusammen. In der ersten Hälfte des Filmes hat sich somit nicht wirklich etwas an Michaels Darstellung geändert. Die Wende geschieht erst auf Kuba. Hier entdeckt Michael den Verrat seines Bruders Fredo (John Cazale) – von Coppola eingebettet in die sozialistische Revolution Fidel Castros. Für sich genommen markiert die Kuba-Sequenz jedoch den negativen Schwachpunkt des Filmes. Nicht nur ist sie langatmig und redundant, sondern sie hat noch nicht einmal etwas zu erzählen. Auch hier setzen sich die inhaltlichen Mängel fort. Aus unerfindlichen Gründen marschiert das Militär in das Krankenzimmer von Hyman Roth. Gerade dann, als sich Michaels Attentäter an diesem vergeht. Genauso verwundert Fredos plötzliche Flucht in die nächtlichen Wirren Habanas während des Regierungssturzes. Ähnlich unplausibel wird später Vitos (Robert De Niro) Rache an Ciucci gezeigt, wenn er im Sommer mit Mantel diesen ersticht und anschließend problemlos vom Anwesen fliehen kann. Johnson hat durchaus Recht, wenn er sagt, dass „every sequence, even the weakest, rewards the viewer for his attentiveness“ (vgl. Johnson, S. 154), doch die narrative Schwäche bleibt.

I know it was you, Fredo. You broke my heart.

Die Stärken von The Godfather: Part II finden sich ohnehin in den Vito-Szenen, im Herzen von New York City. Obschon Vito Sizilien und somit der Mafia vermeintlich entflohen ist, begegnet er ihr erneut in einem Theaterstück. Der rücksichtlose Don Fanucci (Gastone Moschin) herrscht über die Straßen von Little Italy und sorgt kurz darauf, wenn auch nicht absichtlich, dafür dass Vito seinen Job verliert. Coppola skizziert hier die Flucht vor der Kriminalität, die kein Ende finden will. Zwar wartet Daheim eine liebende und verständnisvolle Frau auf ihn, doch damit ist es um das Wohl der Familie nicht bestellt. Eine gute Tat gegenüber dem Nachbarn Clemenza (Bruno Kirby) wird schließlich zum Wendepunkt der Geschichte. Als Dankeschön will Clemenza Vito einen Teppich schenken. Zuvor muss dieser jedoch erst einmal gestohlen werden – eine Aktion, die fast in einem Polizistenmord endet. Mit der Akzeptanz des Teppichs öffnet Vito letztlich der Gewalt und der Kriminalität symbolisch die Tür zu seinem Leben. Er hat es auf ehrliche Art und Weise versucht, doch man – oder manifestiert: die Mafia – wollte ihm den Erfolg nicht gönnen. Zur Verbesserung seiner Lebenssituation dient nunmehr Diebstahl. Als Fanucci (s)ein Stück vom Kuchen abhaben möchte, zieht Vito die Konsequenz und entledigt sich des Problems auf profane Art und Weise. Als das Publikum Vito das nächste Mal begegnet, verkörpert er die beste Definition eines Paten. Eine arme Frau soll aus ihrer Wohnung vertrieben werden. Sie wendet sich an Vito, der inzwischen die angesehenste Person im Viertel ist. Als sein Ruf auch den Vermieter ereilt, wird der Konflikt schnell beseitigt. Ihr Ende findet die Geschichte um Vito in dem Mord an Ciucci und somit der Beseitigung alles Bösen aus dem Leben dieses Mannes. Verkörpert wird Vito hierbei von dem damals unbekannten Robert De Niro, der den Part zufriedenstellen spielt, jedoch nicht die Präsenz eines Marlon Brando zu erzeugen vermag. Trotz alledem wurde er von der Academy mit einem Oscar ausgezeichnet und markierte damit ein Novum. Zum ersten Mal erhielten zwei Schauspieler einen Oscar dafür, dass sie dieselbe Rolle spielten und eine identische Figur verkörperten.

Während die Szenen mit Vito in hellen, nostalgischen Sepiatönen gefasst sind, wirken die Einstellungen um Michael kalt und steril. Coppola und Kameramann Gordon Willis zelebrieren hier bildhaft die Abgrenzung dieser beiden Männer. In Parallelmontagen führt der Regisseur die Unterschiede zwischen Vater und Sohn hervor. Während „Vitos Taten (…) den Gestus des Selbstschutz [haben], [werden] Michaels Handlungen hingegen (…) ausschließlich von geschäftlichen Interessen bestimmt“ (vgl. Weyand, S. 95). Vito ermordet Fanucci und Ciucci, um zum einen seine Position und damit die Ernährung seiner Familie sicher zu stellen und zum anderen um Rache für den Mord an seiner Familie zu nehmen. Ehrenhafte Taten, ähnlich denen, wie sie Michael selbst in The Godfather verübt hat. Michael hingegen eliminiert seine Gegner, um seine geschäftliche Position zu verbessern. Hierzu ist er ständig unterwegs, Nevada, Florida, Kuba. Fernab von seiner Familie fühlt sich diese eingesperrt in einen goldenen Käfig. Vito hingegen verbringt die meiste Zeit in New York, selbst als er das Land verlässt, nimmt er seine Familie mit sich mit. „Michael [erscheint] negativ, Vito aber äußerst positiv. Coppola inszeniert ihn wie einen modernen Heiligen“ (vgl. Weyand, S. 94). Durch das Gegenüberstellen der beiden Corleones übt Coppola zugleich Kritik an der zweiten Generation von Immigranten. Diese zeichnet sich meist dadurch aus, dass sie versucht sich so stark anzupassen, dass die traditionellen Werte verloren gehen. Erst die dritte Generation kehrt letztlich zu den alten Werten zurück. Es versteht sich von selbst, dass Coppola zu jener dritten Generation zu zählen ist. Michael hingegen verkörpert den „modernen Kapitalismus amerikanischer Prägung, in dem ausschließlich der Gewinn zählt“ (vgl. Weyand, S. 96). Es wird sein Sohn Anthony sein, der im dritten Teil der Trilogie dem familiären Geschäft den Rücken zuwendet und stattdessen eine Gesangskarriere in Sizilien anstrebt. Die Botschaft von Coppola ist klar: Michael verliert sich, „weil er die Traditionen missachtet, die alten Werte ignoriert“ (vgl. Weyand, S. 97).

This is the business we chose.

„In a funny way, the story to take it further, repeats itself“, gab Coppola in seinem Audiokommentar unumwunden zu, dass seine Fortsetzung sich letztlich derselben Stilmittel bedient, wie bereits der Vorgänger (und auch der Nachfolger). Und in der Tat handelt es sich bei The Godfather: Part II um keine sonderliche Weiterentwicklung der Geschichte des Vorgängers. Coppola verfügt hier über zwei Filme, das Prequel und das Sequel. Weitaus besser wäre er gefahren, wenn er sich auf die Vorgeschichte von Vito konzentriert hätte, denn alle Szenen um Michael rufen nur in Erinnerung, was man aus dem ersten Teil bereits kennt. Eröffnet wird die Geschichte mit einer religiösen Zeremonie, gefolgt von der familiären Feier. Nach einer halben Stunde schließlich erfolgt der Anschlag auf den Paten, nachdem man seine Gegenspieler zuvor in der persönlichen Audienz vorgestellt bekam. Fredo ist der tollpatschige Bruder innerhalb der Familie, das merkte man bereits beim Anschlag auf Vito im Vorgänger. Dass Tom Hagen (Robert Duvall) nicht mehr der consigliere der Corleones ist, abgesetzt und des Vertrauens entzogen, etablierte Coppola gegen Ende von The Godfather. Hier findet sich auch bereits die Entfremdung zwischen Michael und Kay, äußerst harmonisch abgeschlossen in der Abgrenzung der Ehefrau durch das Verschließen der Tür. Auch im Sequel wird ihr erneut die Tür verschlossen, die Botschaft ist jedoch identisch mit der des ersten Teiles. Was will Coppola mit seiner Fortsetzung vermitteln? Michael macht das falsch, was sein Vater richtig gemacht hat. Er korrumpiert die Wertvorstellungen von Vito und verurteilt somit die Familie zum Scheitern, besiegelt seine eigene Isolation. Doch dies ist nichts Neues, ruft man sich in Erinnerung, dass Michael extra bis nach Vitos Begräbnis gewartet hat, um den vier New Yorkern Familien den Kampf anzusagen und somit die Wünsche des Vaters – der zuvor über Sonnys Ermordung aus genau diesen Gründen hinweg gesehen hatte- zu missachten. Wenn Michael seiner Frau in die Augen schaut und sie bezüglich des Mordes an einem Familienmitglied anlügt, nur um dann die Tür vor ihr und somit ihrer Liebe zu verschließen, isoliert ihn das bereits zu jenem Zeitpunkt. Somit ist The Godfather: Part II zu großen Teilen tatsächlich nichts anderes als das Echo des ersten Filmes.

Die Parallelmontage mutet zwar durchaus als nette Idee an, wird jedoch durch die Redundanz der Michael-Episode getrübt. Während der Film technisch gesehen durchaus meisterhaft inszeniert ist – die Musik von Nino Rota und Carmine Coppola wurde verdientermaßen mit dem Oscar ausgezeichnet -, hapert es in der Fortsetzung zum Meisterwerk The Godfather speziell inhaltlich. Dies mag an den zahlreichen entfernten Szenen liegen oder auch lediglich daran, dass einfach versucht wurde zuviel in zu wenig Zeit zu erzählen. „(…) there’s a hopelessly disorganized plot with narrative leaps and loose ends galore“, befindet auch Tookey (vgl. Tookey, S. 306). Da passt dann auch das etwas gezwungene Ende hinein. Nachdem Michael seinen Bruder ermorden lässt, schwelgt er in einer Rückblende. Beim Geburtstag von Vito erklärt Michael seine Bestrebung, in den Zweiten Weltkrieg einzutreten und sein Jurastudium zu unterbrechen. Die Stimmung kocht hoch, schließlich handelt der Jüngste nicht im besten Interesse für die Familie. Konträr dazu platziert Coppola die Schlusseinstellung des Filmes. „Now, ironically, he [Michael, d. Red.] is alone not because he chose to act outside the interest of the family, but because he has relentlessly acted in the best interest of the family” (vgl. Johnson, S. 162). Die Schauspieler agieren überzeugend, wirklich hervorstechen vermag jedoch nur John Cazale. Recht eindimensional erscheint Michael V. Gazzos Interpretation von Frankie Pentangeli, Duvall und Keaton sind aufgrund der fehlenden Präsenz ihrer Figuren unterfordert. De Niro spielt wie gesagt überzeugend, jedoch ohne das Charisma eines Marlon Brando evozieren zu können. Al Pacino hingegen ruft lediglich in der Szene, als Kay die Abtreibung gesteht, wirklich sei Potential ab. Im Nachhinein „scheitert“ die Fortsetzung wohl daran, dass Coppola sich zu sehr auf die Ideale des ersten Teiles zu stützen versuchte. So ist The Godfather: Part II zwar ein vielfältigerer Film geworden, jedoch nicht so umwerfend wie sein Vorgänger.

8.5/10 – in anderer Form erschienen bei Wicked-Vision


Quellen und Literatur:

• Audiokommentar von Francis Ford Coppola, The Godfather: Part II –The Coppola Restoration, Paramount Pictures 2008.
• Goodwin, Michael/Wise, Naomi: On the Edge. The Life and Times of Francis Coppola, New York 1989.
• Johnson, Robert K.: Francis Ford Coppola, Boston 1977.
• Tookey, Christopher: The Critic’s Film Guide, London 1994.
• Weyand, Gabriele: Der Visionär. Francis Ford Coppola und seine Filme, St. Augustin 2000.

28. November 2008

South Park - Season Twelve

I’m so startled.

Wenn sich die Jahre neigen, bauen Serien für gewöhnlich stark ab. Bestes Beispiel ist Matt Groenings The Simpsons, die mit jedem Jahr schwerer zu ertragen sind und schon vor etwa sieben Jahren begonnen haben an Qualität einzubüßen. Ein Gegenbeispiel ist dagegen South Park, die Serie aus der Feder von Trey Parker und Matt Stone. Vor elf Jahren erblickte sie das Licht der Welt und begründete Comedy Central als tragfähigen Sender. Und auch in ihrer zwölften Staffel hat die Serie nichts von ihrer Kreativität und Spritzigkeit verloren. Ihren Ursprung fand South Park dabei bereits 1992, als Parker und Stone in der Kurzfilmanimation Jesus vs. Frosty bereits die Kultfiguren Cartman und Kenny eingebaut hatten. Drei Jahre später sah der FOX-Vorsitzende Brian Graden den Kurzfilm und beauftragte das Duo einen weiteren Film zu drehen. Mit Jesus vs. Santa hatte man sich bereits stark an jenem Schema orientiert, welches später den Charme der Serie ausmachen sollte. Deren erste Sendung, Cartman Gets an Anal Probe, wurde schließlich am 13. August 1997 ausgestrahlt und ist inzwischen ein Klassiker innerhalb des South Park-Universums. Nachdem die ersten vier Staffeln zu einem Großteil noch mit ausgeschnittener Pappmasche gefilmt wurden, hat die Serie heutzutage einen gewöhnlichen Zeichenstil als Grundlage. Ihre Inspiration für die Pappmasche-Elemente zogen Parker und Stone aus Monty Pythons Flying Circus, einer Serie von der die beiden Komiker bekennende Fans sind. Was South Park jedoch besonders auszeichnet, ist sein soziokultureller Charakter beziehungsweise seine Stellung als kritisierendes Organ von verschiedenen, meist aktuellen, amerikanischen Themenkomplexen. Seien es Fragen der Religion oder Sexualität, sowie politische Entscheidungen und Entwicklungen im pop-medialen Bereich, alles findet Einzug in die Handlungen der Kleinstadt in Nevada und werden auf teils provozierende, stets jedoch humoristische Art und Weise konterkariert.

In die zwölfte Staffel finden verschiedene Aspekte des Kalenderjahres 2008 Einzug. Zum einen die Entwicklung von Britney Spears, die Veröffentlichung von Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull, aber auch die Wahl von Barack Obama zum 44. Präsident der Vereinigten Staaten. Aber auch mit anderer Kritik spart die Staffel nicht aus. Gleich zu Beginn behandelt Tonsil Trouble die Vernachlässigung von AIDS in unsere Gesellschaft. Wie üblich verliert man den Blick für etwas, das an Aktualität nachlässt. Sei es BSE oder eben HIV, sprich AIDS. In Breast Cancer Show Ever dagegen beschäftigen sich Parker und Stone ausführlich mit Brustkrebs und rufen damit den Jugendlichen die medizinischen Gefahren in unserer Gesellschaft ins Gedächtnis. Mit aktuellen Entwicklungen beschäftigen sich die Folgen Elementary School Musical, welches den momentanen Hype rund um Disneys High School Musical aufgreift, und The Ungroundable, das den aufkeimenden „Vampir“-Kult bei Jugendlichen portraitiert (und sicherlich Nahrung in Stephenie Meyers Twilight findet). In Over Logging wird dagegen die Abhängigkeit der Menschheit vom Internet parodiert, wenn sich die Bevölkerung in Flüchtlingcamps um den letzten Internetanschluss prügelt. Nachdem im letzten Jahr mit Imaginationland ein Dreiteiler gedreht wurde, antworten die Macher mit der Pandemic-Doppelfolge auf den Hype rund um Wackelkamerafilme wie Cloverfield und Blair Witch Project. Eine der besonders starken Folgen beschäftigt sich jedoch ausführlich mit der Boulevard-Verfolgung von Britney Spears. In Britney’s New Look gibt es die „Britney Watch“-Nachrichtenunterbrechung und allerlei Verweie auf die Probleme der Popsängerin. Brillant halten Parker und Stone hier der Medienlandschaft ihres Landes den Spiegel vor. Die Schuldzuweisung nicht nur an die Medien, sondern auch deren Konsumenten ist fraglos mehr als gerechtfertigt.

Während Cartman in The China Probrem die Invasion der Chinesen fürchtet, dreht sich die Folge eigentlich um einen ganz anderen Aspekt: die Vergewaltigung von Indiana Jones. „Aliens don’t belong in an ‚Indiana Jones’ movie“, schluchzen die Jungs da die Meinung vieler Indy-Fans weltweit in die Kamera. So gelungen die Verschiebung des Franchises in die fünfziger Jahre auch sein mochte, mit den Außerirdischen kann man durchaus seine Probleme haben. Auf die Idee, George Lucas und Steven Spielberg deswegen zu verklagen, kann man jedoch nur in „South Park“ kommen. Zum Brüllen, will sagen Quieken, sind dann auch die Phantasiesequenzen, wenn Lucas und Spielberg Indy in etwaigen Filmreferenzen (The Accused, Deliverance) vergewaltigen. Dass Parker und Stone durchaus ihre Probleme mit ihren beiden Kollegen haben, machten sie bereits in Free Hat (Staffel 6) deutlich. Auch in Folgen wie Super Fun Time (Ferris Bueller’s Day Off, Die Hard), About Last Night… (Ocean’s Eleven/Twelve/Thirteen) und Eek, a Penis! (Stand and Deliver) finden Referenzen an andere Filme gebührend Einzug. Am offensichtlichsten ist dies jedoch in Major Boobage der Fall – ohnehin der besten Folge der Staffel. Hier verbeugen sich Parker und Stone nicht nur inhaltlich, sondern auch graphisch vor dem Kultfilm Heavy Metal – allerdings nicht, ohne erneut Kritik amerikanischen Fernsehsystem zu nehmend. Die mit Brüsten vollgepflasterte Landschaft ist grandios und ein intelligenter Seitenhieb gegen die Regel, keine nackten Brüste zu zeigen – allerdings nur wenn sie am weiblichen Körper „befestigt“ sind.

Die schwächeren Folgen wie Canada On Strike (trotz phantastischem Running Gag) oder Elementary School Musical wissen zwar durchaus die eine oder andere gelungene Szene zu präsentieren, können aber als Ganzes weit weniger unterhalten, wie es beispielsweise Britney’s New Look oder Super Fun Time zu gelingen vermag. Doch in seiner Gesamtheit ist die zwölfte Staffel wieder als ausgesprochen gelungen anzusehen, bewegt sie sich doch auf einem hohen Level und wird all jenen Aspekten der Serie gerecht, die diese seit Anbeginn ausgezeichnet haben. Dass hier auch Raum ist, um Cartman gelegentlich etwas humaner zu gestalten, nur um ihn kurz darauf wieder zum asozialen Arschloch zu deklassieren, beweist die Klasse der Serie. Schön ist ebenfalls zu sehen, dass man zu gegebenem Zeitpunkt Nebenfiguren wie Craig, Wendy oder den Goth-Kindern gebührend Aufmerksamkeit zur Entfaltung schenkt. Es versteh sich von selbst, dass die Show wieder einmal viel Angriffsfläche für Kritiker bietet. Allein der spielerische Umgang mit AIDS in der Auftaktfolge ist ein klassischer Ausgangspunkt für eine Kontroverse. Man sollte jedoch bei South Park nie den Fehler machen, nicht hinter die Kulisse zu blicken und das Geschehene stets aus retrospektiv zu betrachten. Diese Fähigkeiten, über zwölf Jahre hinweg nicht nur stets die mehr als nötige Kritik am System aufrecht zu erhalten, sondern zugleich noch eine extrem amüsante und unterhaltsame Serie zu erschaffen, nötigt enormen Respekt ab. Allerdings kommt die Show nun auch in ein problematisches Alter, denn schon die Simpsons mussten ab der zwölften Staffel stark an Frische einbüßen. Immerhin schreiben sich Parker und Stone mit lediglich 14 Episoden pro Jahr nicht tot, was viel Hoffnung für den kommenden Sommer schürt, wenn die Erfolgsserie in ihre 13. Auskopplung geht.

8/10 - erschienen bei Wicked-Vision

26. November 2008

Hadashi no Gen

Roger. Releasing bomb.

Während des Zweiten Weltkrieges war die japanische Stadt Hiroshima von Bombenangriffen seitens der Vereinigten Staaten verschont geblieben. Bis zu jenem historischen Tage am 6. August 1945. Hiroshima war der Sitz des Hauptquartiers der 2. Armee unter Feldmarschall Hata Shunroku. Kriegswichtige Güter wurden hier gelagert und die Stadt selbst war ein Truppensammelpunkt. Die meisten der etwa 255.000 Einwohner waren jedoch Zivilisten. Am 31. Juli hatten die Amerikaner die drei Meter lange und vier Tonnen schwere Uranbombe „Little Boy“ einsatzbereit gestellt. Sie verfügte über eine Sprengkraft von 12.500 Tonnen TNT. As Abwurfziel wurde Hiroshima ausgewählt, da sie die einzige japanische Stadt ohne Kriegsgefangenlager war. Die B-29, von ihrem Piloten Paul Tibbets nach seiner Mutter „Enola Gay“ benannt, startete um 2:45 Uhr. Um sieben Uhr schlug das Frühwarnsystem der Japaner an. Doch da die „Enola Gay“ absichtlich etwas höher flog und die USA die Tage zuvor bereits Aufklärungsflugzeuge entsandt hatten, gab die Stadt um acht Uhr Entwarnung. Der Stadtbevölkerung wurde somit der Gang in ihre Luftschutzbunker vorenthalten, der Trick der Amerikaner hatte funktioniert. Um 8:15:17 Uhr klinkte Tibbets die Atombombe in 9.450 Metern Höhe aus, 45 Sekunden später detonierte sie in 580 Metern Höhe über der Innenstadt. Weitere 43 Sekunden später hatte die Druckwelle der Bombe 80 Prozent der Innenstadt ausgelöscht, der entstehende Atompilz besaß eine Größe von 13 Kilometern und war noch in 560 Kilometern Entfernung zu sehen. Bei den Opfern in der Innenstadt verdampfte buchstäblich die oberste Hautschicht, zwischen 90.000 und 180.000 Menschen waren sofort tot. Die nukleare Strahlung tötete in den Folgewochen weitere 60.000 Überlebende, insgesamt starben über 240.000 der damaligen Einwohner und somit rund 98 Prozent der Stadtbevölkerung. Die zwei Prozent der Menschen, die den Angriff überlebt haben, werden in Japan als Hibakusha (dt. Explosionsopfer) bezeichnet. Einer von ihnen ist Keiji Nakazawa.

Nakazawa ließ seine Erlebnisse von 1973 bis 1985 in der Manga-Serie Hadashi no Gen Revue passieren. Jener Manga diente als Vorlage für Mori Masakis gleichnamigen Kinofilm von 1983. Gemeinsam mit seinen Eltern sowie seiner älteren Schwester Eiko und dem jüngeren Bruder Shinji lebt der sechsjährige Gen in Hiroshima. Die Familie leidet Hunger, da verkommt eine Zuckerrübe schon mal zum Streitobjekt zwischen den beiden Brüdern. Obwohl sich der Vater mit dem Fabrizieren von Hausschuhen rumschlägt, langt das Essen speziell für seine schwangere Frau kaum. So kommt es, dass Gen und Shinji sich selbst in die Verantwortung ziehen und Karpfen aus dem Teich eines Mitbürgers stehlen. Masaki schildert zuvor bereits einen vermeintlichen Luftangriff der Amerikaner – einer jener Aufklärungsflüge, die als Tarnung für die bevorstehende Bombardierung dienen sollten. Am Vorabend des Angriffs schenkt er der Familie Nakaoka dann noch mal einen harmonischen Moment, wenn die Brüder sich bei Kuchen auf dem Dach vergnügen und für den nächsten Tag zum Spielen verabreden. Ein Gang zur Schule soll Gen am 6. August das Leben retten, als er sich bei Detonation der Uranbombe hinter einer Stadtmauer versteckt. Das Mädchen neben ihm hat dabei weniger Glück. Die Hitze der Druckwelle sorgt dafür, dass ihre Hautschicht verdunstet, ihre Augäpfel schmelzen ihr sprichwörtlich aus den Höhlen heraus. Ein heranstürmendes, brennendes Pferd erzeugt ein Bild der Apokalypse. Barfüßig eilt Gen zurück zu seinem Familienhaus und findet hier lediglich seine Mutter vor. Sein Vater und die beiden Geschwister sind unter der Hausruine gefangen. Mutter und Sohn bleibt nichts anderes übrig, als ihre Familienmitglieder bei lebendigem Leib verbrennen zu sehen. Da setzen bei Gens Mutter die Wehen ein und der Sechsjährige muss in den kommenden Wochen nicht nur sein Überleben sichern, sondern auch das seiner Mutter und Schwester.

Speziell zu Beginn und auch gegen Ende des Filmes baut Masaki viele humoristische Elemente ein, die Ähnlichkeiten mit Miyazakis Ghiblis erwecken. So zum Beispiel die innige Beziehung zwischen Gen und Shinji zu Beginn, sowie zwischen Gen und Ryuta zum Ende hin. Es ist dabei auch jene Verbindung der historischen Ereignisse mit gelegentlich amüsanten Nebenhandlungen, die dem Film etwas schaden, so homogen die Kombination mitunter auch wirken mag. Szenen wie der Tod der Nakaokas werden allerdings zu sehr emotionalisiert und drohen fast ins Kitschige zu entgleiten. Zudem wirken jene Szenen fast wie Phantasiekonstrukte, betrachtet man die schonungslose Härte des restlichen Filmes. Nicht nur die Gewalt von Erwachsenen an Kindern wird hier portraitiert, sondern auch der Atomanschlag im Detail dem Zuschauer näher gebracht. Masaki macht hier auch nicht vor der Darstellung verbrannter Babys und verwesender Kleinkinder halt. Die Gewalt der Bombe erhält hier Bilder von Szenarien, die man sich hinterher wünscht, nie mit eigenen Augen sehen zu müssen. Der Horror, den Nakazawa und alle anderen Hibakushas Gewahr wurden dürfte von unbeschreiblichem Ausmaß gewesen sein. Der Film dürfte jenen Tag wohl nur grob visuell einfangen und schockiert bereits durch jene minimalen Augenblicke. Dass jene taktierte Auslöschung seitens der amerikanischen Regierung überhaupt jemand überleben konnte, erscheint einem nach Sichtung von Hadashi no Gen (dt. Barfuß durch Hiroshima) als kleines Wunder.

Masakis Film ist sicherlich ein bedeutsamer Beitrag zu einem meist sträflich vernachlässigten Thema. Allerdings ist Hadashi no Gen nicht frei von Fehlern. Der Einbezug von komischen Momenten wirkt gelegentlich etwas deplatziert, oftmals auch durch seine chronologische Einordnung in das Geschehene. Zudem erweckt der Film den Eindruck, als hätten sich in Hiroshima überhaupt keine Soldaten aufgehalten, da zu Beginn hauptsächlich die Nakaokas und andere Zivilisten gezeigt werden. Ungeachtet der abgrundtiefen Unmenschlichkeit des amerikanischen Angriffs wird hier das Bild der Realität etwas verzerrt. Allerdings ist „Hadashi no Gen“ alles andere als parteiisch. Im Gegenteil schiebt Masaki an mehreren Stellen die Schuld der eigenen Regierung in die Schuhe. Als Sprachrohr fungieren hierbei die beiden Elternteile von Gen. Zuerst kritisiert Vater Nakaoka das Vorgehen der Regierung und hebt seine Entscheidung nicht dem Wehrdienst beizutreten hervor. Als Japan schließlich kapituliert greift Mutter Nakaoka diese Entscheidung an, weshalb sie nicht früher getätigt worden sei. Abgesehen von den US-Piloten tauchen Amerikaner überhaupt nicht im Film auf. Die Szenen mit und in der „Enola Gay“ sind zudem von einem anderen, „härteren“ Zeichenstil durchzogen. Letztlich ist die Umsetzung von Hadashi no Gen sicherlich gelungen, unterstreicht nochmals das amerikanische „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und vergegenwärtigt einen Aspekt in der Geschichte, welcher den meisten Menschen nur oberflächlich in Erinnerung sein dürfte. Drei Jahre später erschien mit Hadashi no Gen 2 eine Fortsetzung, die sich erneut um Gens Überleben in den Ruinen Hiroshimas befasste. Verständlich, dass jener Film nicht die Intensität des Vorgängers zu erreichen vermochte. Masakis Werk ist ein wichtiger und bedeutsamer Beitrag und somit allemal eine Sichtung wert.

8.5/10

24. November 2008

Roswell - Season Two

We create our own destiny.

Es passiert nicht allzu oft, dass Serien in ihrem zweiten Jahr größere Einschaltquoten erzielen, als ihre Debütsaison. Doch im Gegensatz zur ersten Staffel wusste die zweite Runde von Roswell einige neue Zuschauer an Bord zu locken. Insgesamt war die zweite Staffel jedoch weit weniger erfolgreich, als ihr Vorgänger, baute sie besonders inhaltlich stark ab. Das Notsignal wurde aktiviert, alle anderen möglichen Außerirdischen am Ende der vergangenen Staffel informiert. Die Königlichen Vier geben sich quasi preis und erhalten sogleich Antwort. Zwar hat Nasedo (Jim Ortlieb) die Identität von Agent Pierce (David Conrad) übernommen, doch scheint die Regierung in Form der Kongressabgeordneten Whitaker (Gretchen Egolf) nicht von Max (Jason Behr) und den Anderen lassen zu wollen. Allerdings geht die Gefahr für die Außerirdischen in dieser Staffel nicht von der amerikanischen Regierung aus, sondern vielmehr von anderen Außerirdischen, den sogenannten „Skins“.

Die stehen stellvertretend für das Volk von Kavar, jenem Mann, der Max von seinem Thron verdrängt und sein Volk in die Sklaverei genötigt hat. Da versteht es sich von selbst, dass Kavar seine rechte Hand, Nicolas (Miko Hughes), aussendet, um Max und die Anderen auszulöschen oder zumindest von einer Rückkehr in die Heimat abzuhalten. Das ganze Szenario rückt dann auch Isabelles (Katherine Heigl) Vergangenheit als „Velondra“ in ein neues Licht. Als Geliebte von Kavar hatte sie einst ihren Bruder und ihr Volk verraten. Für Max geht es nunmehr darum, seine Freunde vor den Übergriffen der Skins zu bewahren und zugleich seine große Liebe Liz (Shiri Appleby) zurück zu gewinnen. Diese will jedoch dem Schicksal von Max und Tess (Emilie de Ravin) nicht im Wege stehen.

In der letzten Staffel offenbarte sich das ganze Ausmaß von Max, Tess, Isabelle und Michael (Brendan Fehr). Als Königliche Vier sollen sie eines Tages auf ihren Heimatplaneten zurückkehren, um gegen die dortigen Unterdrücker vorzugehen und somit ein ganzes Volk aus der Tyrannei zu befreien. Jene Entwicklung macht insbesondere Max und Liz zu schaffen. Liz will sich nicht in den Weg des Schicksals stellen und somit für die Unterdrückung eines ganzen Volkes verantwortlich sein. Besondere Gewichtung erhielt dies durch die beste Folge der zweiten Staffel: The End of the World. Max aus der Zukunft reist mit Hilfe des Granolithen zurück in die Vergangenheit, um Liz davon zu überzeugen, dass beide kein Paar werden dürfen. Das Leben der Außerirdischen hänge davon ab. Mit jenen Schuldgefühlen versucht Liz fortan Max auf Abstand zu halten, ihn vielmehr sogar mit Tess zusammen zu bringen.

Doch Max lässt nicht locker, sodass Liz so weit geht, ihn vorsätzlich zu verletzen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Max selbst will sich seinem deterministischen Schicksal nicht fügen, die Beziehung mit Tess bedeutet ihm nichts. Ohnehin hat er nun weitaus mehr mit dem (rechtmäßigen) Status des Anführers zu kämpfen als zuvor. Dies kulminiert in Ask Not, wenn er seine eigenen Entscheidungen mit denen von Kennedy in der Kubakrise gleichzusetzen versucht. Als er gegen Ende der Staffel speziell gegenüber Isabelle seinen Königsstatus gerecht werden will, hat er mit merklichen Problemen zu kämpfen. Das Schicksal seines Volkes ignoriert Max dabei die meiste Zeit hindurch, was für einen Teenager mit Liebeskummer auch sicherlich schwer nachzuvollziehen ist. Im besten Interesse seines Volkes handelt Max jedoch während der gesamten Serie (!) hindurch kaum bis gar nicht. Vordergründig steht immer das Wohl von Isabelle, Michael und Liz. Eine ungewöhnliche Heldengeschichte, die primär egoistisch ausgerichtet ist.

Wie bei einer Teenager-Serie nicht ungewöhnlich, spielt die Liebe weiterhin inhaltlich die erste Geige. Allem voran natürlich jene zwischen Max und Liz, aber auch die Beziehung von Michael und Maria (Majandra Delfino) wird eine Spur ernster. Es gibt kein Hin und Her mehr, beide gehen eine feste und dauerlastige Beziehung miteinander ein. Erschüttert wird diese lediglich kurzfristig von der Anwesenheit Courtneys (Sara Downing), einer abtrünnigen Skin, die sich auf die Seite der Außerirdischen stellt. Eigentlich ohne große Erklärungen wird die Romanze zwischen Isabelle und Alex (Colin Hanks) ad acta gelegt. Einer von vielen Aspekten, die in der zweiten Staffel ohne wirkliche Begründung einen Wandel erfährt.

Von Kyle (Nick Wechsler) braucht man erst gar nicht reden, eine generell vernachlässigte Figur, die meist nur dem comic relief dient, wie auch bei Alex mehr und mehr der Fall. Weiterhin im Fokus bleibt dagegen Sheriff Valenti (William Sadler), der wie einige andere Figuren im Laufe der Staffel einen ultimativen Preis für seine Freundschaft und Unterstützung der Außerirdischen bezahlen muss. Vermehrt nimmt er jetzt die Rolle der Vaterfigur für alle ein, nicht nur für Tess, die er praktisch adoptiert hat. Auffällig ist diese Konstellation gerade in Viva Las Vegas, allerdings auch an anderen Stellen. Die Entwicklung der Beziehung zwischen Valenti und den Kids ist generell eine der positiven Elemente der zweiten Staffel und macht viel von dem neuartigen Charme der Serie aus.

Auch in der zweiten Staffel findet wieder eine thematische Untergliederung statt – diesmal jedoch in mehrere Subplots, die meist drei oder mehr Folgen umfassen. Den Anfang macht die Nachforschung von Whitaker gegenüber Max und den Anderen. Abgelöst wird dieses Element von der Ankunft der Skins, die kurzfristig zur Bedrohung werden, ehe sie von dem zweiten Satz der Königlichen Vier abgelöst werden. Neben der Zukunfts-Max-Folge macht dies den Höhepunkt der Staffel aus und findet mit den Folgen 8 (Meet the Dupes) und 9 (Max in the City) in etwa auch die Mitte der zweiten Instanz. Anschließend schlägt die Serie eine völlig andere Richtung ein und fokussiert sich innerhalb von vier Folgen auf die Obduktion von Laurie Dupree (Allison Lange), die eine gemeinsame Vergangenheit mit Michael besitzt. Was genau jenes Storyelement soll, wird dem Zuschauer dabei nicht klar, denn innerkontextuell spielt Laurie und ihr Hintergrund keine wichtige Funktion.

Jene vier Folgen zählen neben den anderen „Lückenbüßern“ zwischendrin (die keinen Zusammenhang mit den anderen Folgen haben) auch die Schwachpunkte der Staffel dar. Die Ausnahme bildet hier Viva Las Vegas, die im Prinzip zum Teil an The End of the World anknüpft und immerhin Spaß macht. Abgesehen von „Off the Menu“, der vorletzten Folge der Staffel, die produktionshistorisch jedoch klar früher anzusetzen wäre (ein herber Fauxpas bei der Ausstrahlung/Zusammenstellung) bilden die abschließenden Folgen auch die Klimax der zweiten Staffel. Auf der einen Seite natürlich Alex’ Tod als Auslöser der Ereignisse, aber auch die Entfremdung zwischen Liz und Max sowie daraus folgernd die Annäherung von ihm und Tess. Kulminierend in Tess’ Schwangerschaft muss in der finalen Episode The Departure auch einiges auf Teufel komm raus überhastet erklärt werden. Hätte man sich mehr Zeit hierfür genommen, wäre jene Auflösung auch weitaus plausibler geraten.

Selbstverständlich hat die zweite Staffel ihre starken Momente, allen voran natürlich die Konzeption des futuristischen Max’ oder des zweiten Satzes, aber auch die „gezwungene“ Liebesbeziehung zwischen Max und Tess. Dennoch schadet der Staffel insbesondere die Quantität an Handlungen, die deren Qualität erheblich beeinflussen. Die Skins, Laurie Dupree, Alex’ Tod und dazu noch die kleinen Beziehungskrisen wollen nicht so wirklich unter einen Hut passen. Hinzukommen dann noch Folgen wie Summer of ´47, die dermaßen belanglos und uninteressant sind, dass es wehtut. Großen Schaden verursacht auch das Staffelfinale. Es wird nicht wirklich klar, warum Alex im Stande gewesen sein soll, das Buch der Außerirdischen zu übersetzen, sprich wie Tess darauf gekommen ist. Und weshalb sie nicht einfach gefragt hat, anstatt es ihm aufzuzwingen. Von der Tatsache ganz zu schweigen, was sie alles für Illusionen hat aufbauen müssen und das über zwei Monate, während ihre Kräfte in Roswell (s. Amy DeLuca) keine wirkliche Beständigkeit haben.

Das wirkt dermaßen gezwungen, dass es nur mühsam zusammengehalten wird. Scheinbar wusste man nichts besseres als Cliffhanger anzubieten oder musste de Ravin auf die einfachste Art aus der Serie schreiben. Immerhin ist es mit der restlichen Stimmung der Staffel, dass Schicksal nichts in Stein gemeißeltes ist, vereinbar. Die Königlichen Vier sind getrennt, somit hat man im Grunde ein Terminator-ähnliches Szenario erschaffen, in welchem sich die Ereignisse nicht mehr abwenden lassen. Der Heimatplanet der Außerirdischen ist jetzt eigentlich schon dem Untergang geweiht, doch wird diese Thematik in der abschließenden Staffel noch mal gelegentlich aufgegriffen werden. Als Cliffhanger versagt das Finale etwas, die ganze Staffel ist aufgrund ihrer Schwächen ein Rückschritt im Vergleich zum Vorgänger.

8/10

22. November 2008

Im Winter ein Jahr

Vielleicht kann ja einer mal fragen wie’s mir geht.

Vor sieben Jahren lag ihr ganz Deutschlad zu Füßen, allerdings weit weniger euphorisch als Florian Henckel von Donnersmarck im vergangenen Jahr. Dabei war Caroline Link der Ruhm und Oscar für Nirgendwo in Afrika weitaus verdienter zugesprochen worden (größter Konkurrent war Zhang Yimous Hero) als es bei Donnersmarck gegenüber Guillermo del Toros brillantem El laberinto del fauno der Fall gewesen ist. Doch seither war es still um Link, die in den letzten sieben Jahren dem Filmgeschäft ferngeblieben war. Dieses Jahr feiert sie mit „Im Winter ein Jahr“ sozusagen ihr „Comeback“. Sie adaptierte den unbekannten (und kaum in der Originalsprache erhältlichen) Roman Aftermath von Scott Campbell und verlegte die Handlung nach Deutschland. Was bei Adaptionen wie Michel Houellebecqs Elementarteilchen gerne mal gehörig in die Hose geht, weiß Link durch ihr Talent mit Bravour zu meistern. Obschon in München platziert, merkt man dem Film seine geographische Zugehörigkeit nicht an, könnte er doch praktisch überall in Deutschland spielen. Abgesehen von einigen technischen Makeln beziehungsweise Fragwürdigkeiten zu Beginn und einem stark hinausgezögerten Ende vermag Link den wahrscheinlich besten deutschen Film der letzten Jahre abzuliefern. Ihr Familienportrait, in welchem Corinna Harfouch ausnahmsweise mal nicht negativ auffällt, besticht durch eine Stärke und Intensität wie man sie in deutschen Filmen oft vergeblich sucht. Getragen wird der Film dabei hauptsächlich von der intensiven Darstellung Karoline Herfurths, die kongenial von der Josef Bierbichlers ergänzt wird.

Zu sanften Klängen tanzt ein blonder junger Mann (Cyril Sjöström) mit seinem iPod im Schnee. Während ihn seine Schwester Lilli (Karoline Herfurth) von ihrem Zimmer aus beobachtet, befindet sich seine Mutter Eliane (Corinna Harfouch) mit einer Videokamera draußen bei ihm. Die Beziehung der beiden scheint herzlich, sie tollen gemeinsam im Schnee. Beim anschließenden Joggen wird Eliane von einem Schuss plötzlich aufgeschreckt. Die Ursache verrät sich erst allmählich, obschon sie absehbar ist. Nach einem Schnitt befinden wir uns im Atelier des Malers Max (Josef Bierbichler). Er wurde Eliane empfohlen, ist er doch nicht nur ein talentierter Künstler, sondern jemand, der Erfahrung damit hat Tote zu zeichnen. Eliane wünscht sich ein Familienportrait, ihre beiden Kinder sollen gemeinsam abgebildet werden. Was die Tochter denn so mache?, fragt Max. Lilli studiert an einer Kunstakademie Gesang, Schauspiel und Tanz. Momentan bereitet sie sich auf die Hauptrolle in einer Adaption von Lewis Carrolls Alice im Wunderland. „Und der Bub?“, fragt Max weiter. „Ja, das ist das Problem“, erwidert Eliane. Bei einem Jagdunfall sei er im Winter vor einem Jahr ums Leben gekommen. Für 20.000 Euro lässt sie sich nun ein Portrait ihrer Kinder anfertigen. Ein Portrait, mit dem sich die rebellische Lilli nicht so recht anfreunden will. Doch mit ihrem sturen Verhalten stößt sie bei Max auf Granit. Durch die gemeinsamen Gespräche beginnt sich die junge Studentin allmählich zu öffnen. Aber die Familie befindet sich in einem emotionalen Tief, und das Ausmaß von Lillis Depression drückt sich speziell in ihrer neuen Beziehung zum Bildhauer Aldo (Misel Maticevic) aus.

Gegebenfalls mag es an meinem Kino gelegen haben, doch nehme ich dies für diese Besprechung einfach einmal nicht an. Zu Beginn ihres Filmes spielt Link bewusst mit der Schärfe der Kamera. Besonders gut zu sehen bei Elianes ersten Besuch im Atelier. [Sollte dies doch an meinem Kino gelegen haben, entfällt selbstverständlich die Kritik]. Während die Objekte im Vordergrund unscharf erscheinen, sind es die Dinge, die sich dahinter abspielen, die Link in den Fokus rücken lässt. Für diesen Kniff findet sich sicherlich die Begründung, dass die Familie Richter, um die es im Film geht, selbst aus dem Fokus gerückt und somit gegenseitig als unscharf wahrgenommen wird. Sinnbildlich und gemeinsam mit dem Film rücken die Ereignisse somit Stück für Stück wieder in ihren Ursprung zurecht und werden für den Zuschauer dadurch scharf. Der psychologisch-philosophische Aspekt dieses Kniffes ist oder wäre durchaus erkennbar, ist dem Film selbst jedoch nur bedingt zuträglich. Wenn die Unschärfe von Link beabsichtigt war, ist sie als misslungen oder zumindest unnötig anzusehen. Denn dass die Richters nicht mehr das sind, was sie einst waren, erkennt man auch so. Genauso verstört zu Beginn die wackelnden Kamera, die Link scheinbar nicht für nötig befunden hat auf ein Stativ zu setzen. Ähnlich wie alle technischen „Mängel“ verschwindet jedoch auch dieser Aspekt im Laufe des Filmes. Als letzter Makel wären die aufdringlichen Nahaufnahmen der Darsteller zu benennen, die – Francis Ford Coppola hat es im Laufe der Jahre zurecht kritisiert – den Figuren unnötig auf die Pelle rücken. Eine einfache Totalaufnahme scheint Link zu Beginn des Filmes wohl zu profan gewesen zu sein.

Mit sehr viel Sorgfalt und Bedacht widmet sich Link der allmählichen Exposition ihrer Geschichte. Den Schwerpunkt legt sie dabei nicht auf Alex’ Tod und dessen Ursachen – vielmehr bleiben diese bis zum Schluss eher im Dunkeln und lassen sich nur mutmaßen -, sondern stattdessen auf seine Schwester Lilli und mit Abstrichen auch auf ihre Mutter. Obwohl ein Jahr vergangen ist, kämpfen sich beide noch durch die fünf Stadien der Trauer, wollen Alex’ Ableben nicht wirklich akzeptieren und werden auch von ihren Erinnerungen an ihn nicht losgelassen. Zuflucht suchen beide, speziell jedoch Lilli in ihrer rebellischen Abgeschottenheit. Bewusst und wahrscheinlich auch absichtlich vermisst Lilli ein ums andere Mal die Problem für „Alice“. Die logische Konsequenz ist ihr Rausschmiss aus dem Musical, der für die junge Studentin dann doch überraschend kommt. Es ist der Familienvater (Hanns Zischler), der die meisten emotionalen Fortschritte macht. Er will sein Landhaus hinter sich lassen und zurück in die Stadt ziehen. Bis zuletzt versucht er auch die Ehe mit Eliane zu retten, trotz seiner Affäre mit seiner Lektorin. Allerdings ist auch er es, den Alex’ Tod am wenigsten nahe geht. Stets musste der Sohn Ansprüchen des Vaters genügen, wie auch Lilli. Dass Alex als (erfolgreicher) dabei in der interfamiliären Gunst vorne lag, ergänzt hier nur noch das Bild. Die Richters sind somit eine dieser reichen Klischeefamilien, die zwar vor Geld nur so strotzen, einen Skibegabten Sohn auf einem Internat und eine künstlerisch begabte Tochter auf einer Medienschule haben, jedoch dennoch innerlich zerrüttet sind. Man darf es als Links Verdienst ansehen, dass Im Winter ein Jahr aber dennoch nicht in seinen Klischees ertrinkt, sondern sich sogar über diese zu stellen vermag. So ist Links Film weniger auf Verlust ausgerichtet, als auf „beschädigte Güter“, wie es Dominic Greene in Quantum of Solace so schön umschrieben hatte.

Besonders hervorgehoben wird hierbei die Beziehung zwischen Max und Lilli. Ganz bewusst versucht diese jegliche Verbindung zwischen den beiden zu unterminieren, den Maler vor den Kopf zu stoßen. Doch Max stellt sich mit seiner Lebenserfahrung dagegen und Stück für Stück entfaltet sich auch seine Geschichte, seine Verluste, die ihre Narben hinterlassen haben und die durch die Begegnung mit Lilli zu Heilen beginnen. Gerade jene Szenen zwischen Bierbichler und Herfurth machen die ungemeine Stärke von Links Film aus. Zu verdanken ist dies natürlich den beiden Darstellern. Während Bierbichler die stoische Ruhe des Max gekonnt runterspielt, ist es Karoline Herfurth, welcher der Film gehört und die ihn auch durchweg zu tragen vermag. Lediglich ein emotionaler Ausbruch zur Mitte hin lässt die junge Schauspielerin kurzzeitig ins Overacting abgleiten, was jedoch von ihrer ansonsten makellosen Leistung kaschiert wird. Zischler spielt seinen Part ebenso gekonnt wie Bierbichler, Corinna Harfouch schafft es die meiste Zeit hindurch ebenfalls, nicht in ihr sonst grottiges Spiel abzugleiten. Für Gastauftritte waren sich dann auch die Jungstars Paula Kallenberg und Franz Dinda nicht zu schade. Alles in allem ist Im Winter ein Jahr wahrscheinlich der beste deutsche Film des laufenden Kalenderjahres. Es wäre zu wünschen, dass man ihn dem unsäglichen Baader Meinhof Komplex als deutschen Oscarbeitrag vorzieht, die Chancen für Link erneut zu gewinnen wären sicherlich nicht gering. Abgesehen von den technischen Schwächen zu Beginn macht der Film dann lediglich am Ende noch mal einen Fehler, indem die Regisseurin den Schluss der Geschichte unnötig hinauszögert. Zwar ist die finale Einstellung eine schöne Analogie zum Anfang des Filmes, doch hätte man den Film auch an drei anderen Stellen zuvor gut abschließen können. Caroline Link jedenfalls beweist hiermit erneut, weshalb sie zu den besten deutschen Regisseuren der Gegenwart zählt.

8/10

20. November 2008

How to Lose Friends & Alienate People

I got cock on my hand.

Was haben die beiden nicht jahrelang das britische Komödienfach geruled. Die Rede ist von Hugh Grant und Colin Firth, den beiden Charmebolzen aus England. Nett anzusehen, aber meist eher in den Bereich der Softies zu zählen, welche die Frauen für sich gewinnen. Doch wenn Grant und Firth Softies sind, dann ist Simon Pegg wohl Vernel, sprich extrasanft. Zwar haben auch die anderen beiden keinen Waschbrettbauch vorzuweisen, doch immerhin haben sie durch ihr Gesicht einen Pluspunkt bei den Frauen. Was nun nicht heißen soll, dass Pegg als „hässlich“ anzusehen ist, doch punktet der Komiker aus Gloucester wohl eher durch seinen Humor, denn sein Aussehen. Insidern der Filmszene dürfte er seit einigen Jahren ein Begriff sein, zu verdanken der Sitcom Spaced aus der Feder von Edgar Wright. Ebenjener Regisseur verhalf 2004 dann nicht nur sich selbst, sondern auch Pegg zu internationalem Ruhm, als sie mit der Zombie-Zote Shaun of the Dead auf sich aufmerksam machten.

Mit der Action-Persiflage Hot Fuzz legte man anschließend noch einmal nach und seither war Pegg vollends in die A-Liga der Comedians aufgestiegen. Zwar war seine Run, Fatboy, Run-Klamotte unter der Regie von Kumpel David Schwimmer nicht so erfolgreich wie die Kollaborationen mit Wright, doch änderte dies nichts an der Nachfrage für Pegg. Im nächsten Jahr gibt er den liebenswerten Schiffstechniker unter J.J. Abrams Neustart des Star Trek-Franchises und übernimmt dadurch zum zweiten Mal nach Mission: Impossible III eine Nebenrolle in einem Blockbuster. Zuvor ist er jedoch noch als tölpelhafter Journalist in Robert B. Weides Adaption von Toby Youngs Memoiren How to Lose Friends & Alienate People zu sehen. Bereits 2004 war Pegg für eine Bühnenadaption vorgesehen, musste jedoch aufgrund seiner Shaun-Beteiligung absagen. Vier Jahre später hat es nun also geklappt und mit einer namhaften Besetzung versuchte sich Curb Your Enthusiasm-Regisseur Weide an Youngs Erinnerungen an seine fünfjährige Leidenszeit im amerikanischen Vanity Fair Magazin.

Sidney Young (Simon Pegg) hat es nicht leicht, dabei will er doch nur für sein Magazin auf VIP-Partys. Da er jedoch nur eine kleine Nummer ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit getürkten Mittel eine kleine Sau als Schweinchen Babe auszugeben. Der Trick misslingt, doch Sidney schafft es dennoch auf die Party, wird dort jedoch letztlich von Clint Eastwood aus der Tür befördert. Sein Einfallsreichtum animiert immerhin „Sharp“-Chefredakteur Clayton Harding (Jeff Bridges) ihm eine Stelle in New York anzubieten. Zu sehr erinnert Sidney den Chef an seine eigene Vergangenheit. Doch in New York findet sich Sidney zuerst äußert schlecht zurecht. In einer Bar gerät er mit der Schriftstellerin Alison (Kirsten Dunst) aneinander, die sich am Tag darauf als seine neue Arbeitskollegin entpuppt. Auch mit seinem vorgesetzten Redakteur Maddox (Danny Huston) will Sidney nicht so richtig warm werden.

Ohnehin entpuppt sich die erste Tür der Promiwelt als ziemliche Ansammlung arroganter Persönlichkeiten. Sei es die Publizistin Eleanor (Gillian Anderson) oder ihr narzisstischer Protege, der aufstrebende Regisseur Vincent LePak (Max Minghella). Einziger Lichtblick schient die viel versprechende Schauspielerin Sophie Maes (Megan Fox) zu sein, die gerade mit einem Film über das Leben von Mutter Theresas großer Liebe den Durchbruch schafft. Nach vier Monaten hat Sidney allerdings immer noch keinen selbständigen Artikel verfassen dürfen und den Regeln der Branche will er sich einfach nicht beugen. Während er mit Alison in eine immer innigere Freundschaft rutscht, muss sich Sidney allmählich entscheiden, was er in seinem Leben wirklich will. Und was er bereit ist, dafür aufzugeben.

Toby Young veröffentlichte 2001 seine Memoiren unter dem Titel How to Lose Friends & Alienate People und machte dem zweiten Zusatz jenes Titels während der Dreharbeiten zu Weides Film alle Ehren. Scheinbar hielt Young sich am Set auf und trat an die Schauspieler, namentlich Kirsten Dunst, heran, um mit ihnen über ihre Rollen zu sprechen. Als es den Darstellern zu lästig wurde, ließ Weide den Schriftsteller vom Set entfernen. Ein Elefant im Porzellanladen ist auch der gute Sidney. Sei dies an seinem ersten Abend in New York, wenn er statt früh Schlafen zu gehen noch eine Transsexuelle mit nach Hause bringt oder wenn er ebenjene Transsexuelle seinem Vorgesetzten gegenüber in ein Meeting schickt.

Hierin finden sich nur einige der Fauxpas des guten Sidney, der nebenbei auch noch die Tochter des Verlagschefs bespuckt oder den Hund von Sophie Maes tötet. In jenen Momenten rutscht Weides Film bedauerlicherweise in die Gefilde einer Farrellykomödie hinab. Kruder Humor, wie er auch schon in Run, Fatboy, Run aufgetreten war. Dabei weiß How to Lose Friends & Alienate People durchaus mit einigen großartigen Szenen aufzuwarten, speziell dann, wenn Sidney und Alison gemeinsam auf der Leinwand zu sehen sind. Was leider viel zu kurz kommt ist eine gewisse Bissigkeit gegenüber der High Society beziehungsweise jenem Magazin, für das Sidney arbeitet. Hier wäre eine kritischere Herangehensweise a la The Devil Wears Prada wünschenswerter gewesen.

Dabei steht und fällt der Film natürlich mit der Figur des Sidney, der hier durchaus gelungen von Pegg dargestellt wird. Großartig wie nebenbei kleine Details über seine Persönlichkeit eingeführt werden. Dass er beispielsweise über einen Master of Arts in Philosophie verfügt, Vinylplatten CDs gegenüber bevorzugt oder wie er begründet, weshalb Con Air der beste Film aller Zeiten ist. Trotz all seiner Makel bleibt Sidney somit eine durchweg liebenswerte und sympathische Figur. Einzig und allein für die Exposition der offensichtlichen Liebesgeschichte zwischen ihm und Alison hätte Weide mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. Dass sich beide ineinander verlieben lässt sich von Beginn an erahnen, umso wichtiger wäre das „wie“ gewesen. Doch jenes „wie“ wirkt wenig authentisch, quasi nebenbei, aber ohne dass es wirklich Nahrung erfahren hätte. Eventuell liegt dies lediglich am Schnitt und der Aussparung einiger Szenen, oder aber man hat es versäumt dies genauer im Drehbuch einzuarbeiten.

Auch der plötzliche Aufstieg des Briten wirkt reichlich überhastet, wie auch generell seine ursprüngliche Berufung in den Big Apple nicht sonderlich nachvollziehbar erscheint. So ist How to Lose Friends & Alienate People nichts weiter als eine durchschnittliche US-Komödie ohne besondere Schauwerte. Die absehbare Geschichte plätschert vor sich hin, bietet hin und wieder zwar durchaus amüsante Momente, weiß aber ihren eigenen Handlungsbogen wenig glaubhaft zu verkaufen. Scheinbar fühlt sich Pegg ohne seine beiden Partner Wright und Nick Frost nicht sonderlich wohl. So spielte Weides Film in den USA gerade einmal ein Drittel des Einspiels von Run, Fatboy, Run ein und damit nur ein Sechstel von Shaun of the Dead. Vielleicht verheißt dies ja positive Nachrichten für seine nächsten beiden Projekte Paul und The World Ends – beide an der Seite von seinem kongenialen Partner Frost und letzterer unter der Regie von Wright.

6/10

18. November 2008

Futurama: Bender’s Game

I didn’t see it coming.

Ich könnte ja jetzt wieder anfangen wie groß doch Matt Groening und wie lange er schon im Geschäft ist. Dass er The Simpsons erschaffen hat und auch Futurama. Und sowieso und überhaupt. Aber das war ja bereits meine Einleitung zu Bender’s Big Score und The Beast with a Billion Backs. Von daher kann man sich das auch schenken. Nur soviel: die fünfte Staffel von Futurama neigt sich dem Ende zu. Anstatt 16 Episoden regulär auszustrahlen, hatten die Macher die Idee, vier Filme zu produzieren, die aus jeweils vier Folgen bestehen würden. Mit Bender’s Game erschien nun der dritte und vorletzte dieser Filme. Im Gegensatz zu TBWABB knüpft der Film jedoch nicht unmittelbar an seinen Vorgänger an, sondern bewegt sich auf eigenständigem Terrain. Zum Inhalt wird dunkle Antimaterie gesetzt, deren Monopol Mom und ihre drei missratenen Söhne besitzen. Die Preise steigen exorbitant, zu verdanken einem ominösen Kristall, der sich in Moms Besitz befindet. Erschaffen hatte diesen einst Prof. Farnsworth, ebenso wie einen Gegenkristall. Ziel der „Planet Express“-Crew und somit des Filmes ist es, beide Kristalle zusammen zu führen, damit Mom Einhalt geboten werden kann. Außerdem fließen auch noch Leelas ungezügelte Aggressionsschübe in die Handlung mit ein, wie auch die Rasser der Nibbler Teil im Geschehen findet. Seinen Titel nimmt der Film jedoch von Benders Abenteuer, welches sich im Grunde von dem der Anderen unterscheidet. Als Cubert und Dwight mit Freunden Dungeons & Dragons spielen, muss Bender die Erkenntnis machen, dass er keine Vorstellungskraft hat. Nach starken Bemühungen verliert sich Bender letztlich in seiner eigenen Phantasiewelt. Eine zusätzliche Handlung, welche die zwölfte Folge ausmachen soll.

Im Vergleich zu den beiden vorherigen Filmen ist Bender’s Game inhaltlich mehr als schwach. Schlimmer noch, er eigentlich gar keine richtige Handlung und wirkt mehr als zusammengeschustert. Am deutlichsten wird dies durch die beiden parallel stattfindenden Handlungen von Leela, Fry und dem Professor einerseits, sowie Bender andererseits. Seine Klimax findet das ganze dann in der Phantasieepisode, die grundsätzlich nicht mehr ist, als ein Abklatsch von Peter Jacksons Lord of the Rings, gewürzt mit einigen Dungeons & Dragons-Anspielungen. Es sind ohnehin die filmischen Referenzen, die den neuesten Futurama-Film auszuzeichnen wissen. Neben Lord of the Rings werden auch The Jetsons, 2001: A Space Odyssey, One Flew Over the Cuckoo’s Nest oder The Fly referiert. In jenen Anspielungen finden sich auch die Höhepunkte des Filmes, der sonst wenig bis gar nichts zu bieten hat. Allen voran natürlich die Sequenz im HAl Institute for Criminally Insane Robots. Ich könnte immer noch schwören, dass der Psychiaterroboter von Alan Rickman synchronisiert wird. Hier findet sich auch die gelungene Wiedervereinigung mit Roberto, in der amüsantesten Szene von Bender’s Game, die mich sicherlich eine geschlagene Minute lang hat Lachen lassen. Neben Cubert und Dwight kehren auch die in TBWABB noch vermissten Scruffy (allerdings nur kurz) und Morbo zurück. Auch Nibbler und seine Brüder bilden mit Mom und ihren Söhnen einen essentiellen Teil der Geschichte. Dafür muss man dieses Mal auf Kiff, die Robotermafia und erneut Hypnotoad und all die anderen Nebenfiguren verzichten. Dass sich jedoch nicht alle Figuren des Universums auf eine Folge oder einen Film vereinen lassen, ist nachvollziehbar und verständlich.

Dass es ebenso schwer ist, vier Folgen zu einem funktionierenden Film zu vereinbaren, ist auch klar. Aber man hätte sich hier weitaus mehr Mühe geben können und müssen. Diese Versatzstücke verschiedener Handlungselemente wollen sich nicht so recht zu einem glaubwürdigen Gesamtbild zusammenfügen. Das gelingt ja selbst der durchschnittlichen Family Guy-Folge besser und das mag was heißen. So drängt sich auch der Vergleich mit Family Guy dieses Mal sehr auf, denn abgesehen von einigen – zugegeben durchaus gelungenen – Momenten animiert Bender’s Game nicht wirklich zum Lachen, geschweige denn zum Unterhalten. Hatte ich bei TBWABB noch darauf gehofft, hier eine stringente Geschichte präsentiert zu bekommen, wurde ich bitter enttäuscht. Alle Entwicklungen innerhalb des Filmes wirken gezwungen und aufgesetzt. Nur selten erreicht der Film wirklich den Standard von Futurama und ist daher als Enttäuschung anzusehen. Diesmal will ich aber die Hoffnung äußern, dass Into the Wild Green Yonder als Abschluss des Futurama-Franchises eine Steigerung darzustellen vermag. Zudem sollte das gewählte Ende für alle Figuren – speziell natürlich Fry und Leela – möglichst authentisch innerhalb des Groening’schen Universums sein. Letztlich hebt sich Bender’s Game dann tatsächlich über TBWABB, weniger wegen der eigentlichen Handlung, sondern einzig und allein deswegen, weil er öfters zum Lachen animiert, als es dem Vorgänger gelungen war.

5.5/10

16. November 2008

Body of Lies

Nobody's innocent in this shit.

Wenn ein Mann als größten Erfolg Gladiator vorzuweisen hat, sollte man seine Karriere mit etwas Vorsicht beäugen. Wenn selbiger Mann einst innerhalb von drei Jahren zwei Filme wie Alien und Blade Runner gedreht hat, wächst der Unglauben ins Unermessliche. Was ist eigentlich aus Ridley Scott geworden? Zwar besitzen Filme wie Legend, White Squall oder Black Hawk Dawn durchaus ihren Charme und Momente, doch der Großteil von Scotts Œuvre ist gerade innerhalb des letzten Jahrzehnts doch eher zum Heulen. Filmen wie G.I. Jane oder Kingdom of Heaven fehlt jegliche Substanz und Tiefe. Ein Manko das inzwischen exemplarisch für Scotts Filme geworden ist. Dass er innerhalb von sieben Jahren vier Mal mit dem Neuseeländer Russell Crowe zusammengearbeitet hat (davon allein drei Filme in den letzten zwei Jahren) gereicht wohl weder dem einen noch dem anderen zum Vorteil. Was bei Martin Scorsese und Bobby De Niro oder Tim Burton und Johnny Depp gut geht, wirkt bei Scott und Crowe allmählich etwas ausgelutscht und war vielleicht selten deutlicher als in Body of Lies, dem neuen Film der beiden Freunde und Künstler. Basierend auf dem gleichnamigen Roman des US-Journalisten David Ignatius aus dem vergangenen Jahr beschäftigt sich der Film mit einer Thematik, die aktuell nicht präsenter sein könnte im amerikanischen Kino. Der 11. September findet in seinen Auswirkungen vermehrt Einzug in Filme, die jedoch meist zugleich ihrem amerikanischen Pathos zum Opfer fallen. Weder Home of the Brave noch In the Valley of Elah oder Rendition konnten ihrer eigenen Thematik gerecht werden. Von der momentanen politischen Situation ganz zu schweigen. Dass dies auch Ridley Scott nicht zu gelingen vermag, sollte und dürfte deshalb niemanden überraschen. Doch auch als Thriller gelingt es dem Film nicht zu überzeugen, viel zu sehr orientiert sich Scott dazu an konventionellem Hollywood-Kitsch.

Ein Sondereinsatzkommando pirscht sich in Manchester an ein Gebäudekomplex heran. Im selbigen befinden sich einige Araber und jede Menge Sprengstoff. Als diese die Anwesenheit des SoKo bemerken, sprengen sie sich und damit auch das Gebäude kurzerhand in die Luft. Der Krieg gegen den Terror ist in voller Aktion und einer der tapferen amerikanischen „Krieger“ findet sich in Roger Ferris (Leonardo DiCaprio), einem Agenten der CIA. Im Irak ist Ferris auf der Jagd nach Al-Saleem (Alon Abutbul), genannt „der weiße Wal“, der hinter all jenen Anschlägen in Europa steckt. Während Ferris im Irak bei seiner Untersuchung auf einen möglichen Informanten stößt, will sein Vorgesetzter in Washington, Ed Hoffman (Russell Crowe), diesem keinen Schutz gewähren. Die Situation eskaliert beinahe und Ferris’ wird schwer verletzt auf einen Militärstützpunkt gebracht. Dort offeriert ihm Hoffman den Posten des Geheimdienstchefs in Jordanien. Als eine erste Operation schief geht, landet Ferris erneut in einem Krankenhaus. Dort verliebt er sich in iranische Schwester Aisha (Golshifteh Farahani) und beginnt eine riskante Beziehung mit dieser. Gleichzeitig versucht er sich das Vertrauen des jordanischen Geheimdienstchefs Hani (Mark Strong) zu sicheren. Doch ein ums andere Mal fährt ihm Hoffman in die Parade. Ferris beginnt einen komplizierten Plan auszuhecken, um Al-Saleem aus der Reserve zu locken. Doch die Frage ist, wer hier eigentlich wen aus welchen Gründen benutzt. Und wer am Ende lebend aus der ganzen Situation herauskommen wird.

Wenn man die zwei Stunden Laufzeit von Body of Lies überstanden hat, fragt man sich wahrscheinlich zu Recht, was Scott hier seinem Publikum eigentlich erzählen wollte. Der Realismus, den er versucht zu erzielen, wird durch die offensichtliche Unlogik in den Handlungen der Protagonisten konterkariert. Allen voran erschließt sich nicht, weshalb Ferris stets alles schluckt, was ihm Hoffman in den Rachen wirft. Kein Aufbegehren von Seiten des Agenten, der außerhalb der Hoffman-Szenen trieft von Idealen, diese jedoch stets verrät, wenn es darum geht sie geltend zu machen. Das Hoffman dabei die eigene Mission sabotiert nimmt Ferris nie zum Anlass Beschwerde bei dessen Vorgesetzten einzureichen. In einer Szene erläutert Ferris gegenüber einer anderen Figur, dass Hoffman nur deshalb über die Lage im Mittleren Osten informiert ist, da Ferris ihn informiert. Einer seiner Vorgänger bestätigt dann auch zwischen den Zeilen, dass der CIA-Agent innerhalb der Agency einen renommierten Ruf hat, stetig aufgestiegen ist. Die Tatsache, dass er sich daher von Hoffman alles gefallen lässt, erklärt sich somit lediglich dadurch, dass die Handlung am Laufen gehalten werden muss. Rückschlag um Rückschlag muss sich Ferris nach vorne arbeiten, dass sich die USA dabei eher selbst im Wege stehen, scheint keiner der Figuren klar zu werden.

Aktuell sehr beliebt: Leo mit Bart und Knarre - vorzugsweise auch mit Kappe.

Amüsanterweise zelebriert auch Scott das Bild des bärtigen Leonardo DiCaprio mit Knarre in der Hand, welches man zuvor bereits in dessen letzten beiden Filmen The Departed und Blood Diamond begutachten konnte. Somit hat DiCaprio sich seine eigene kleine „Bearded Weapon“-Trilogie geschaffen. Während The Departed scheint er sich zudem von Jack Nicholson beeinflusst haben zu lassen. Vermehrt finden sich in Body of Lies Gesten und Mimiken des Altstars wieder, was immerhin für einige nostalgischen Momente sorgt. Differenzierungen zu DiCaprios beiden vorherigen Rollen sind schwer erkennbar, zu ähnlich die Rollen in ihrer Struktur und Aufbau. Obschon er die meiste Leinwandzeit inne hat, kann er dem Film schwerlich seinen Stempel aufdrücken. Selbiges gilt, mit Ausrufezeichen, für Russell Crowe. Abgesehen von zwei Szenen darf dieser stets mit Kopfhörer durch das Bild stapfen und seine dazu gefutterten 30 Kilo präsentieren. Sein Charakter Ed Hoffman ist bedauerlicherweise eine statische Figur, ohne Tiefe und Erläuterung. Lediglich einige Züge lassen sich erahnen, zum Beispiel, dass Hoffman Arbeit gerne von anderen erledigen lässt. Bevorzugt kommuniziert er über das Telefon, und bespricht hier gerne auch geheime Militärschläge, während er seine Kinder in die Schule bringt oder ihnen beim Sport zuschaut. Auch seine Arbeiten diktiert er und den Kofferraum seines Wagens lässt sich ebenso elektrisch schließen. Dass Hoffman ein bequemer Mensch ist, der sich die Arbeit anderer – wie Ferris’ – zu Eigen macht, sieht man auch an seiner Körperfülle. Seine politische Motivation jedoch, seine Interessen an der augenblicklichen Lage, all diese Elemente, die zum Verständnis des Filmes beitragen könnten oder sollten, fehlen Hoffman. Dass Crowe sich darin gefällt, grinsend den „Bösewicht“ zu geben, macht die Figur nicht sonderlich glaubwürdiger. Es ist daher Mark Strong, der als Hani Salaam das beste Bild aller Beteiligten abgibt. Er weiß seiner Figur zugleich ein enormes Maß an Würde wie auch Bedrohung zu verleihen.

Letztlich krankt Body of Lies jedoch sowohl an seiner „Verhollywoodisierung“ als auch an ebenjenen Schwächen, die bereits American Gangster ausgemacht haben. Dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Ferris irgendwo in irgendeine Frau rennt, mit der er anschließend eine Romanze beginnen kann, ist so vorhersehbar wie das Amen in der Kirche. Natürlich muss es sich hier noch um eine Vertreterin des Islam handeln, die als Krankenschwester nur darauf gewartet hat, dass/bis ein tougher Amerikaner auf ihrer Trage Platz nimmt. Es ist dann auch diese Romanze, die den Film unnötigerweise streckt, gerade weil sie zum einen ohne Bedeutung ist und andererseits nirgendwo hinführt. Dies trifft im Übrigen auf die gesamte Handlung zu, die schließlich eine derartig dämliche Wendung nimmt, dass man sich an den Kopf schlagen muss. Selten hat man einen unglaubwürdigeren Plan gehört, um einen Terroristen zu jagen. Dass man sich darüber nicht einmal wirklich aufregen will, liegt an der fehlenden Substanz des Filmes. Wie in American Gangster tangiert einen hier alles lediglich peripher. Man folgt zwar dem Geschehen auf der Leinwand, nimmt jedoch nicht wirklich daran Teil. Dass dies von Scott aus technischer Sicht alles gut gelöst ist, hilft einem dann nicht sonderlich weiter. Schnitt und musikalische Untermalung unterstützen den Film zwar, tragen diesen jedoch nicht. Die eigentliche Krise des Anti-Terrorkrieges versucht Scott dabei nicht mal anzusprechen. Sie dient ihm lediglich als Kulisse für einen konventionellen Thriller, in welchem jeder jeden versucht auszuspielen. Das wirkt alles derartig belanglos, dass man sich wirklich fragt, wie jener Mann Alien und Blade Runner drehen konnte. Und dass es für sein nächstes Projekt Nottingham nicht besser bestellt sein dürfte, erahnt man bereits. Übrigens, Russell Crowe spielt dann auch wieder mit. Wie überraschend.

5.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision

14. November 2008

Novemberkind

Sie hätte glücklich Hundert werden können. Dafür ist es zu spät.

„Schon wieder ein Ost-Film? Muss das sein?“, paraphrasiert Regisseur Christian Schwochow das, was viele Kinogänger beim ersten Blick auf seinen Film Novemberkind wohl denken. Gemeinsam mit seiner Hauptdarstellerin Anna Maria Mühe hatte sich Filmschulabsolvent Schwochow auf den Weg nach Bremen gemacht, um an einer Vorpremiere seines Abschlussfilmes der Ludwigsburger Filmakademie teilzunehmen. Das Engagement der Bremer Kinobesitzer, sich die Anwesenheit der Regisseure zu sichern (s. Mein Freund aus Faro) ist bemerkenswert. Neben Regisseur Schwochow reichten auch Produzent Matthias Adler und Kameramann Frank Lamm den 90-minütigen Beitrag als Diplomfilm ein. Ähnlich wie Mein Freund aus Faro war Novemberkind - während der Produktionsphase: „Novemberlicht“ - beim diesjährigen Filmfestival Max Ophüls Preis vertreten und wurde mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.

Letztlich lässt sich sagen, dass dies durchaus gerechtfertigt ist. Zudem gelang es Adler mit Schauspielern wie Anna Maria Mühe (Was nützt die Liebe in Gedanken), Juliane Köhler (Nirgendwo in Afrika) und Ulrich Matthes (gab den Goebbels in Der Untergang) etablierte deutsche Schauspieler zu gewinnen und somit seinem Film zusätzlich Professionalität zu verleihen. Das Drehbuch, welches Schwochow gemeinsam mit seiner Mutter Heide verfasst hat, basiert dabei teilweise auf eigenen Erfahrungen. Entgegen der Befürchtung einiger Zuschauer, gehört Novemberkind aber nicht zu jenen monopolartigen deutschen Filmen, die sich ausschließlich mit Nationalsozialismus oder DDR auseinander setzen können. Vielmehr ist es erfrischender Coming-of-Age-Film über eine junge Frau ohne Identität.

Die Bibliothekarin Inga (Anna Maria Mühe) lebt in einem kleinen mecklenburgischen Dorf. Ihrem Vater ist sie nie begegnet und vermutet: „Wahrscheinlich war er Mutter zu peinlich“. Mutter Anne sei den Großeltern zufolge wiederum bei einem Badeurlaub ums Leben gekommen. Doch eine Waise ist Inga dem eigenen Verständnis nach nicht. „Ich habe Eltern. Die heißen Oma und Opa“, erklärt sie bestimmt. Ihre Idylle beginnt zu bröckeln, als ihre beste Freundin Steffi (Christina Drechsler) wegzieht und Inga fortan auf sich alleine gestellt in ihrem Alltag gefangen scheint. Da ihr Großvater (Hermann Beyer) bettlägerig wird und sich seine Frau (Christine Schorn) nicht mehr allein um ihn kümmern kann, ist Ingas Rückzug ins „elterliche“ Haus mehr als wahrscheinlich. Aus den Fugen gerät ihr Leben endgültig, als sie der ihr fremde Robert (Ulrich Matthes) aufsucht. Doch die scheinbar zufällige Bekanntschaft hat tiefer greifende Ursachen.

Robert erzählt Inga, er sei Literaturprofessor in Konstanz. Vor zwanzig Jahren wäre eine aus Ostdeutschland stammende Studentin namens Anne bei ihm gewesen, die es sich nie verziehen hat, ihr Kind im Osten gelassen zu haben. Allmählich erschließt sich Inga ihre Kindheit und die betrübende Wahrheit um ihre Mutter. Aus Liebe zu einem sowjetischen Deserteur war sie einst über die Grenze geflohen. Roberts Offenbarung bringt Inga nachvollziehbar durcheinander. Von einer Waise unglücklicher Umstände wird sie auf einmal zum sozialen Pflegefall. Zum verstoßenen Kind. „Sie hätte glücklich Hundert werden können“, urteilt Robert im Laufe des Filmes. Und während Inga sich gemeinsam mit Robert auf die Spurensuche nach ihrer Mutter begibt, verfolgt der Literaturprofessor eigene Ziele.

Schwochows Entscheidung, sowohl Mutter Anne als auch Tochter Inga von Darstellerin Anna Maria Mühe spielen zu lassen (selbst wenn sich beide Figuren im selben Alter befinden), wirkt durch die Untermauerung des Regisseurs, sein Publikum nicht verwirren zu wollen, wenig glaubwürdig. Mühe tut sich auch sichtlich schwer, in die Rolle der Anne zu schlüpfen, was mitunter daran liegen kann, dass jene Figur wenig Dreidimensionalität und Aufmerksamkeit erfährt. Dennoch erfüllt die Doppelbesetzung zumindest innerhalb der Geschichte ihren Zweck, wenn Annes Weggefährten Inga begegnen und ihre Mutter in ihr wieder erkennen. Ohnehin sind es die Rückblenden, die den Film als Independent-Projekt „bloßstellen“, wenn Lamm mittels Farbfiltern versucht, das Flair der 1980er wiederzubeleben.

Dass dies gelingt, verdankt sich letztlich eher der musikalischen Untermalung von Daniel Sus. Stets zum richtigen Zeitpunkt setzt seine Komposition ein und verleiht dem Film dabei über weite Strecken gar eine eigene narrative Kraft. Da sich neben Mühe auch Ilja Pletner in der Rolle des jungen Deserteurs schwer tut, sind die DDR-Rückblenden fraglos der Schwachpunkt von Schwochows Diplomfilm. Es ist jedoch jener Anfängerstatus, der den Zuschauer gegenüber dieser Makel etwas gnädig stimmen lässt. Bedenkt man seine Mittel und die Erfahrung seiner jungen Macher, ist Novemberkind durchaus ein sehr gelungener Film, der sich gegenüber Eichinger-Produktionen nicht zu verstecken braucht.

Gerade durch die schwächeren Rückblenden zeigt sich die Stärke der Gegenwartspassage. Mühe beeindruckt in der Rolle der Inga, der plötzlich ihre Identität geraubt wird. Die junge Schauspielerin zeigt hier durchgängig, weshalb sich Schwochow noch vor Beenden der finalen Drehbuchfassung auf sie als Inga festgelegt hat. Aus der Masse an durchschnittlichen deutschen Filmen hebt sich Novemberkind nun gerade deswegen empor, da seine Geschichte einen sympathischen, anti-deutschen Charakter besitzt. Schwochow erschafft eine Selbstfindungsgeschichte von internationaler Stärke, ganz ohne den Beigeschmack üblicher deutscher Filme. Dass die Handlung im Nachhinein weniger verschachtelt ist, wie sie hätte sein müssen, stört da kaum noch.

Bei seinem Debüt verzeiht man Schwochow, dass er einige Figuren einführt, die keinen Zweck erfüllen und andere dafür aus dem Blickfeld verliert, die noch etwas hätten beitragen können. Seine Bemühungen jene Geschichte auf eine durchaus authentische und ehrliche Art und Weise zu präsentieren, lassen viel erhoffen vom geborenen Ostdeutschen. Novemberkind stellt die „Frage nach dem richtigen Leben im Falschen. Und diese Frage ist nicht an die DDR und ihr Danach gebunden“, erläuterte Schwochow in Bremen. „Deshalb ist Novemberkind kein Ostfilm geworden“. Denn selbst wenn die DDR ein Teil des Filmes ist, behandelt der Film nicht die DDR. Novemberkind ist damit einer der besten deutschen Filme 2008 und von Schwochow werden wir sicher noch hören.

8/10

12. November 2008

Quantum of Solace

Everything he touches withers and dies.

Casino Royale ist kein Bond-Film, er ist die Vorbereitung auf einen Bond-Film und (..) Craig (…) ist (..) noch nicht vollends angelangt, den Gentleman-Spion zu verkörpern, den Bond eigentlich darstellt. Wohl auch noch nicht in Quantum of Solace (…)“. So lautete meine Meinung zum Neustart der Kinoreihe um den smarten MI6-Agenten aus der Feder von Ian Fleming. Und letztlich wird sie durch Marc Forsters Film sowohl untermauert als auch widerlegt. Mit dem neuesten Abenteuer von 007 verbindet MGM sowohl das Alte mit dem Neuen, schickt sich in Referenzen an die Vorgänger und bleibt seinem zuvor begonnenen Weg dennoch treu. Dabei begeht der neue Bond durchaus neue, ungewöhnliche Wege. Unabhängig davon, dass er wie die meisten neuen Bonds scheinbar finanziell die Rekorde des Vorgängers zu brechen weiß auch in anderer Hinsicht. Inhaltlich knüpft der Film direkt an Casino Royale an, was ihn nicht unbedingt zu einer direkten Fortsetzung macht, allerdings dennoch auf dem letzten Werk fußt.

Hierbei ist Jeffrey Wright der erste Darsteller, der zweimal hintereinander in die Rolle des CIA-Agenten Felix Leiter schlüpfen darf. Zum ersten Mal wird der Bond-Song auch von zwei Künstlern gemeinsam angestimmt. Natürlich dürfen für die Post-Brosnan-Ära die Missstimmungen nicht folgen. Ich selbst erachte Jack Whites und Alicia Keys Another Way to Die als Verbesserung zu Chris Cornells vorherigem Beitrag. Der Song ist kraftvoll und rebellisch, verfolgt seinen eigenen Sinn und passt damit durchaus zu Quantum of Solace. Lediglich die Titelsequenz ist wenig kreativ von MK12 gestaltet worden, da gefällt mir sogar die Coke Zero Werbung von der Aufmachung besser. Selbst der Filmtitel, so dümmlich er zu Beginn auch geklungen haben mag, will im finalen Film mit dessen gezeigter Handlung durchaus harmonieren. Eine konsequente Fortführung von Bonds „Wiedergeburt“, wenn auch nicht frei von Mäkeln und unnötigen Fehlern.

Barbara Broccoli sagte Quantum of Solace würde zwei Minuten nach Casino Royale einsetzen. Daniel Craig behauptet es wären zwanzig Minuten. Produzent Michael G. Wilson erklärt es sei eine Stunde. Man mag davon halten was man will, auf jeden Fall scheint es für James Bond (Daniel Craig) leichter gewesen zu sein, an Mr. White (Jesper Christensen) heran zu kommen, als wieder von dessen Anwesen weg zu gelangen. Zu Beginn des Filmes flieht er in seinem Aston Martin vor Maschinengewehrwütigen Gegnern und liefert sich eine wilde Verfolgungsjagd Richtung Siena (in Italien, nicht Miller). Mit im Gepäck ist der werte Mr. White. Doch was Bond und seine Vorgesetzte, M (Dame Judi Dench), von White erfahren, erfreut sie nicht sonderlich. Er sei Mitglied einer geheimen Untergrundorganisation. So geheim sogar, dass der MI6 von ihrer Existent keine Kenntnis hat. Außerdem habe man etliche Einrichtungen und Regierungen infiltriert. Sagte er und schon wird auf M und Bond ein Attentat verübt – aus den eigenen Reihen. Eine interessante und gelungene Wendung, die Dench’s M später mit unbeholfener Verletztheit schauspielerisch überzeugend darzustellen weiß.

007 setzt kurzerhand über die Dächer Sienas zur Verfolgung an, welche wenige Minuten später mit einem toten Zeugen endet – sehr zum Missfallen von M. Die einzige Spur die dem MI6 bleibt, führt nach Haiti. Bond begibt sich nach Port-au-Prince und stößt dort alsbald auf den nächsten toten Zeugen zu seinen Füßen. Als er dessen Identität annimmt landet er prompt zwischen den Fronten. Zum einen macht er die Bekanntschaft der hart gesottenen Camille (Olga Kurylenko), zum anderen des kühlen und kalkulierten Öko-Industriellen Dominic Greene (Mathieu Amalric). Um Camilles Leben zu retten gibt Bond seine Identität preis, trifft aber bereits kurz darauf in Bregenz erneut auf Greene. Hier werden die Ausmaße seiner Organisation für den MI6 erst wirklich erfassbar. Doch eine weitere unnötige Leiche bringt M’s Fass zum Überlaufen. Bond wird der Fall entzogen, doch für 007 ist es längst eine private Vendetta geworden.

In Casino Royale charakterisierte ich Bond noch als jemanden, „(…) der sich zu Beginn des Filmes bereits in bester Bourne-Manier durch das Geschehen prügeln darf“. Ähnlich verhält es sich bedauerlicherweise auch in Quantum of Solace. Enttäuschend ist hier weniger, dass man sich an der Figur Bournes selbst orientiert, sondern dass man mit der Häuserverfolgungsjagd in Siena, sowie der Zimmerprügelei in Port-au-Prince direkt zwei Szenen aus der Bourne-Reihe übernommen hat. Dabei hat Bond dies gar nicht nötig, ist er doch Bestandteil einer weitaus unterhaltsameren und stringenteren Serie. Was dem ganzen jedoch noch die Krone aufsetzt ist der überzogene Schnitt in der ersten Viertelstunde. Hier lässt Regisseur Marc Forster die Kamera kaum zwei vollständige Sekunden auf einem Bild ruhen, was durch die diffuse Wahl seiner Einstellungen nur noch verstärkt wird. Die Schnitte sind zwar nicht diffus, aber zu mannigfaltig.

Dies bessert sich zwar im Laufe des Filmes, verrät allerdings die Wurzeln des gebürtigen Deutschen im Drama-Fach und seine Schwierigkeiten mit dieser actionlastigen Handlung. Dennoch verfügt sein Film über die notwendige Waage an ruhigen wie schnellen Momenten, wobei letztere oft schöne kleine Reminiszenzen an die dalton’schen Bonds The Living Daylights und Licence to Kill beinhalten. Zudem verfügt das Drehbuch von Oscarpreisträger Paul Haggis noch über eine offensichtliche Hommage an den Klassiker Goldfinger. Doch auch wenn sich die Produzenten bemüht haben den Geist vergangener Tage hochzuhalten, bleiben sie ihrer bond’schen Frischzellen-Kur weiterhin treu. Bonds Vendetta unterscheidet sich durchaus von Daltons Rachefeldzug in Licence to Kill. War jener rein privater Natur, wird er diesmal in den Auftrag integriert bzw. geht mit diesem einher. Hier wie dort beginnt 007 sich jedoch von seinem Arbeitgeber zu distanzieren, als dieser ihm einen Riegel in seine Ermittlungen vorschieben möchte. So bleibt der smarte Brite weiterhin der etwas störrische Bulle, auch wenn seine Entwicklung zum Schluss wieder vorangetrieben wird.

Die meiste Zeit des Filmes über ist Bond weiterhin vom Tod Vesper Lynds (Eva Green) gebeutelt. Und das obwohl sie ihn verraten hat, selbst wenn sie es für ihren Freund tat. 007 bedeutet es etwas, jene Verantwortlichen zur Strecke zu bringen. Dazu gehört Mr. White, aber auch Dominic Greene. Auf beeindruckende Weise hält Haggis hier seiner Figur aus Casino Royale die Treue, wenn er Camille obschon ihrer offensichtlichen Reize die meiste Zeit auf sexueller Basis ignoriert. Das ist bei Bond nicht selbstverständlich. Und es zugleich ein Ausdruck von Respekt, den Bond für die Bolivianerin empfindet, was man gerade an seinem Verhalten gegenüber Agent Strawberry Fields (Gemma Arterton) merkt. Kaum auf dem Hotelzimmer, entledigt er sich kurzerhand seiner Klamotten. Kein großes Geplänkel, kein Werben oder Umgarnen wie bei Vesper der Fall. Bezeichnend ebenso für die Figur von Fields, dass sie ohne Kommentar, vielmehr mit einem Lächeln im Gesicht, quasi „Gehorsam“ leistet und sich ihrer Rolle als reine sexuelle Staffage fügt. Sehr schön auch die Einbettung in das Bond-Motto des Filmes, welches von Greene treffend formuliert wird: „Everything the touches withers and dies.“ Denn wenig später liegt auch Fields tot zu Füßen von Bond.

Generell reiht sich Arterton bestens in die lange Liste der klassischen eindimensionalen Betthäschen des britischen Agenten ein. Was jedoch Bond und Camille verbindet – wie die Szene in der chilenischen Wüste schön einzufangen weiß – ist der ungestillte Rachedurst für den Verlust einer geliebten Person. Wie sehr beide von diesem eingenommen sind, zeigt Bonds Entschuldigung Camille gerettet zu haben, als sie die Chance hatte ihr Hassobjekt, General Medrano (Joaquin Cosío), zu erschießen. „This man and I have some unfinished business“, gilt somit sowohl für Bond als auch für Camille. Im Gegensatz zu anderen stark emanzipierten Bond-Filmen, gerade denen der Brosnan-Ära, ist Camille in ihrer Rolle jedoch weniger Unterstützung als Begleitung. Obschon einst eine Agentin ihrer Regierung verfügt sie nicht über die Härte und Schlagkraft einer Wai Lin (Michelle Yeoh) oder Jinx (Halle Berry). Umso erstaunlicher, dass Bond sie im Finale auf eigenen Pfaden wandeln lässt.

Sehr schön ist auch die Weiterführung der QUANTUM-Handlung gelungen, die in Anlehnung an die klassische SPECTRE-Organisation geschieht. Hatte es Bond einst mit Dr. No als Handlanger der Untergrundverbindung zu tun, arbeitete er sich Stück für Stück empor, bis er schließlich beim Kopf, Blofeld, angelangt war. Ähnlich verhält es sich beim Neustart der Reihe. Hatte es 007 zuvor mit dem Banker von QUANTUM, Le Chiffré (Mads Mikkelsen) zu tun, arbeitet er sich nunmehr ein Stück in deren internen Personalstruktur empor. Ähnlich wie Le Chiffré ist auch Greene kein physischer Gegner für den Briten. Ein kühler, kalkulierter Kopf und gerade deswegen so bedrohlich. Als unbestimmbares Mitglied von QUANTUM nimmt Greene eine hohe, allerdings wie schon bei Le Chiffré nicht unersetzbare Position ein. Die Gefahr, die Greene ausstrahlt, transferiert Amalric dabei beeindruckend allein durch seine Augen.

Bedenkt man wie unterschiedlich Greene und White von QUANTUM behandelt werden, lässt dies hohe Hoffnungen für den kommenden Teil zu. Das ganze Konzept der Organisation, der in „Quantum of Solace“ nicht einmal sonderlich Gefahr von Bond oder einer der Regierungen droht, könnte sich als Gewinn für die craig’schen Bonds auszahlen. Allerdings bedarf es dann auch hierfür eines derartigen starken Charakters vom Niveau eines Ernst Stavro Blofeld. Jedoch ohne diesen über mehrere Teile zur Witzfigur verkommen zu lassen wie in On Her Majesty’s Secret Service geschehen. Aber ein Gegner auf Augenhöhe im nächsten Beitrag der Reihe wäre in der Tat eine wünschenswerte Ergänzung zu einem bisher durchaus akzeptablen Neustart von Flemings Erbe. Denn ernsthafte (körperliche) Gefahr geht für Bond jedoch im aktuellen Film nicht aus, dafür sind Anatole Taubman als Witzfigur Elvis, sowie Fernando Guillén Cuerco als Polizeichef der bolivianischen Polizei zu blass und keinerlei Konkurrenz zum Dobermann-artigen Craig.

Reizvoll ist auch die Rückkehr der beiden Figuren Felix Leiter (Jeffrey Wright) und René Mathis (Giancarlo Giannini). Während ersterer wie bereits in Casino Royale nicht über den Part des Schubsgebers im entscheidenden Moment hinaus kommt, ist es gerade Giannini, der mit seiner Figur nachhaltig für Eindruck sorgen kann. Bonds Besuch bei Mathis zur Mitte des Filmes hin ist damit eine durchaus gelungene Aufarbeitung der Ereignisse des vorangegangenen Teiles, gebührend abgeschlossen von ihrer Szene in La Paz. Lobend erwähnt werden sollte auch die musikalische Untermalung von David Arnold, dessen Stücke sich gut mit den Bildern zu verbinden wissen. Letztlich ist Quantum of Solace weit weniger actionreich geworden, wie man zuerst hat befürchten müssen. Ignoriert man die erste halbe Stunde hat Marc Forster einen durchaus überzeugenden Bond-Beitrag geleistet, der gerade in seinem schön fotografierten Finale Spaß macht. Auch wenn nicht klar werden will – oder erläutert wird – was ein Öko-Hotel mitten in der chilenischen Wüste macht. Passenderweise ist dieses dann so aufgebaut, dass es eher als Bühne für einen finalen Kampf wirkt, als zur Entspannung anregt.

Höhepunkt des Filmes ist sicherlich das QUANTUM-Meeting während der Aufführung von Tosca in Bregenz. Löblich zudem, dass Haggis den emotionalen Aspekt, insbesondere die Weiterentwicklung der Figur, nicht vernachlässigt hat. Zwar ist Bond noch immer nicht wirklich Bond, aber er ist erneut einen guten Schritt weitergekommen auf seinem Weg dorthin. Dass er sich schon längst nicht mehr über seine persönliche Vorstellung, Cocktailwünsche oder technischen Spielereien definiert, konnte man bereits in Casino Royale etablieren. Für mich selbst ist Craig jedoch weiterhin nicht Bond, wird es vermutlich auch nie werden. Unabhängig davon schlägt er sich jedoch wacker und gut, absorbiert den Charakter und rechtfertigt unterm Strich gesehen seine Besetzung. Es wäre allerdings zu empfehlen, nicht wie bei Brosnan den Zug zum Absprung zu verpassen. Noch zwei, maximal drei Filme rund um QUANTUM und Craig und man könnte äußerst gelungen eine Serie innerhalb der Serie integrieren. Letztlich vermag Quantum of Solace nicht an die Stärken von Casino Royale anzuknüpfen, was an den nicht wirklich ausgearbeiteten Figuren liegt, aber auch an der etwas simplen und ausgedehnten Handlung. Nichtsdestotrotz ist es ein solider Beitrag innerhalb der Serien-Geschichte, der immerhin Potential für den nächsten Beitrag bietet.

6.5/10