30. Dezember 2007

Keinohrhasen

It’s too late to apologize.

Zum Ausklang des Jahres das letzte Review 2007, nach Lobeshymnen von Cinekie und moviescape, dachte ich mir: hey, gib dir einen Ruck und schau ihn dir doch an. Außerdem soll es eine Nacktszene mit Nora Tschirner geben und dass ist das Geld an sich schon allemal wert. Eins muss man mal sagen, auch wenn der Name Barefoot irgendwie doof ist für eine Produktionsfirma, so hat Schweiger beim Logo – wobei ich bezweifle, dass dieses auf seinem Mist gewachsen ist – Einfallsreichtum bewiesen. Wie jeder deutsche Film ist auch dieser von Filmförderungen subventioniert, irgendwie komisch, schließlich sind wir doch Oscar! Wo ist denn nu der finanzielle Aufschwung, wohl doch eher Pustekuchen. Der Trailer preiste sich selbst jedenfalls als „romantischste Liebeskomödie des Jahres“ an und spontan fällt mir auch keine romantische Liebeskomödie ein, die jetzt ein Hit gewesen wäre, was aber auch nur daran liegt, dass jede romantische Liebeskomödie gleich gestrickt ist. Til Schweiger nun war aber bei Keinohrhasen nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch Regisseur, Autor und Produzent…ich schau mal eben nach ob ich was vergessen habe…nee, geschnitten hat er den Film im Gegensatz zu Barfuss diesmal nicht.

Ludo (Til Schweiger) ist Starreporter des Klatsch-Blattes „das Blatt“ und schnappt sich mit seinem Photographen Moritz (Matthias Schweighöfer) immer die ganz heißen Storys. So auch den Heiratsantrag von Klitschko an Catterfeld – dumm nur dass Ludo ungewollt in die Zeremonie platzt und von der Richterin, welche zugleich Ex-Frau seines Anwaltes ist, zu dreihundert Sozialstunden in einem Kinderhort verurteilt wird. In ebenjenem Kinderhort trifft Ludo auf Anna (Nora Tschirner), welche er zuerst für eine seiner Bettmiezen hält. Doch weit gefehlt, Anna lebte mit Ludo in derselben Nachbarschaft und musste mit einem Zahngestell, welches dem Beißer alle Ehre gemacht hätte, und Brille den Tyranneien des Beauty-Kindes Ludo widerstehen – z.B. Magnetbingo, wo man einen Eishockeypuck jemanden in die Fresse schmeißt (Regieanweisung: kräftig lachen!). Langer Rede kurzer Sinn, Anna hasst Ludo und Ludo mag Anna nicht, aber gefickt wird dennoch, sonst gäbe es ja keinen Film. Hinterher ist alles doof, weil Frau sich natürlich in Mann verliebt und dieser abblockt, dann aber erkennt „Ui, verdammt“ und alle Register zieht. Am Ende gibt es ein Happy End und alle haben sich lieb – Vorhang und Abgang.

Am Anfang des Filmes darf sich Schweiger-Spezi Jürgen Vogel mal eben austoben und man will es ihm zugestehen, dass ist auch etwas amüsant und die Moralkeule auch vertretbar. Vorbildfunktion der Eltern bei Schönheitsoperationen für ihre Kinder, hört hört! Dass „das Blatt“ auf der berühmt-berüchtigten „Bild“-Zeitung basiert dürfte hierbei klar sein und Schweiger holt auch hier gerne die Moralkeule heraus, wenn er aufzeigt wie diese Zeitung in die Privatsphäre der Prominente eindringt, um aus ihrem „Unglück“ Kapital zu schlagen. Dass die Bild dabei nur das bedient, wonach sich der Leser sehnt, wird hier natürlich nicht erwähnt, schließlich wird ja niemand gezwungen dieses Schund-Blatt zu kaufen, die Nachfrage regelt also das Angebot. Langsam aber sicher packt der Til dann auch die Moralkeule weg und konzentriert sich auf seine eigentliche Geschichte, nämlich dass sich Gegensätze anziehen – kennt man ja. Der Ex-Mann der Richterin verteidigt ihn vor Gericht (auch teilweise gelungene Szene) und Ludo landet im Kinderhort von seiner Bolzplatz-Nemesis Anna. Wie klein Berlin ist, kann man sich jeden Abend in GZSZ ansehen, erstaunlich auch, dass Anna Ludo auf den ersten Blick erkennt, wobei sie sich doch seit über zehn Jahren (mindestens!) nicht gesehen haben dürften.

Was folgt lässt sich in drei Themen unterteilen: In dem einen schreit Nora Tschirner die ganze Zeit herum, schlägt sich Bretter vor den Kopf oder knallt gegen Autotüren (Regieanweisung: kräftig lachen!), im anderen Thema wird über Sex geredet. Sex, Männer, Frauen, Lecken, Blasen, Verantwortung, One-Night-Stands und schlag mich tot. Spätestens bei einem 3-Minuten-Monolog über die Oralbefriedigung einer Frau glaube ich mich zu erinnern, dass der Film eine FSK von 6 Jahren hat und frage mich wer an jenem Abend wohl besoffen in der Zensurbehörde gelegen haben muss. Immerhin sieht man Herr Schweiger auch zweimal bei der Oralbefriedigung einer Frau und Frau Tschirner auch zweimal nackt. Irgendwie erscheint mir Keinohrhasen daher nicht wirklich ein Familienfilm zu sein, auch wenn die deutsche Jugend es bereits mit acht Jahren pflegt sich die Pornos aus dem Internet zu ziehen. Vielleicht bin ich aber auch nur zu prüde und leg nächstes Jahr bei der Weihnachtsfeier im Kindergarten einfach „Unterm Dirndel wird gejodelt“ ein!

Das dritte Thema des Filmes ist: Til Schweiger spielt mit seinen Kindern und für sechs Euro Eintritt darf Deutschland zuschauen! Kleiner Seitenhieb auf die Ochsenknechts, wenn eines der Kindergartenkinder Cheyenne-Blue heißt und dann von Schweigers Tochter mit dem Namen Emma Tiger (!) gespielt wird und ab dafür. Die andere Tochter Lilli Camille scheint sich außer „Ey Ludo meine Mütze“ keinen Text merken zu können und die übrigen beiden dürfen respektive Klein-Ludo und Klein-Anna spielen. Dann gibt es noch ganz viele Szenen in denen Ludo mit seiner jüngsten Tochter tiefsinnige Gespräche über Schnürsenkel und den Männerverschleiß ihrer Filmmutter führt, welche ach so süß sind und die Frauen im Saal zum Dahinschmelzen bringen, weil die fünfjährige Emma Schweiger so lieb ihren Text rausnuschelt. Wenn ich einen abgehalfterten deutschen Promi beim Spielen mit seinen Kindern sehen will, kann ich mir auch täglich in Blitz auf Sat.1 die Boris-Becker-Show geben. Unterlegt wird der Film dann penetrant laut mit den Chart-Hits 2007 – aus den USA wohlgemerkt. Einen auf deutsche Eigenproduktion machen, aber dann ist die Musik von Roger Cicero, den Sportis oder Rosenstolz nicht gut genug? Dann doch lieber The Killers, Bloc Party und Timbaland rausdödeln, dabei auch noch in einer absolut unpassenden Auswahl.

Spätestens jetzt dürfte man merken, dass ich Keinohrhasen nicht wirklich toll fand und sich die Front gegen mich, welche ich mit The Bourne Ultimatum bereits heraufbeschworen habe, weiter verdichten dürfte. Dass Schweigers Film grausig gespielt und furchtbar unkomisch ist, das liegt nicht an mir. Brett vor die Nase schlagen und den Film in dem ältesten Witz der Welt ausklingen lassen, darüber kann man nun leider wirklich nicht mehr lachen. Dass hier neben der Familie Schweiger auch der Freundeskreis des deutschen Mel Gibson auftritt (von Jürgen Vogel, Armin Rohde, Christian Tramitz zu Barbara Rudnik in einer durch und durch überflüssigen Figur) ist irgendwie nur bemitleidenswert. Das positive am Film ist, dass ich Nora zuletzt doch noch nackt gesehen habe, wobei ihr Alwara Höfels die Schau stiehlt, da sie einfach hinreizend hübsch anzusehen ist. Apropos hübsch anzusehen, eines muss man dem Til dann schließlich doch lassen, denn über Super-Sperma scheint er zu verfügen. Da sieht eines seiner Kinder hübscher aus als das andere, Frauen die demnach Engelsgleiche Kinder großziehen möchten, dürfen sich gerne beim Til um eine Spende bewerben. Ich selber hab das Gefühl, mit deutschen Filmen komm ich nicht mehr auf einen grünen Zweig, sind diese doch alle zu durchsichtig nach immer demselben Muster gestrickt. Da beweist Schweiger doch ein gutes Händchen wenn er OneRepublic’s (It’s too late to) Apologize“ spielt – denn das, lieber Til, ist es in der Tat.

2.5/10

28. Dezember 2007

Filmjahresrückblick 2007: Die Top Ten

Every great film should seem new every time you see it.
(Roger Ebert)

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und retrospektiv gesehen war es nicht wirklich ein schlechtes Jahr. Stand es vorab im Zeichen der Threequels, konnten weder Sam Raimis Spider-Man 3, noch Steven Soderberghs Ocean’s Thirteen oder Shrek 3 an den Kassen vollends überzeugen und an den bisherigen Rekordmarken kratzen. Lediglich Jack Sparrows drittes Abenteuer Pirates of the Caribbean: At World’s End näherte sich hauchdünn der Milliarden-Dollar-Marke. Von all den angekündigten Blockbustern, zu denen auch Michael Bays Spielzeug-Schlacht Transformers zählte, konnte lediglich Spider-Man 3 inhaltlich überzeugen, während die übrigen Vertreter sich von jeder Handlung verabschiedeten.

Finanziell muss man jedoch eingestehen, dass alle Projekte ihren Zweck erfüllt haben und unter den Top 30 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten zu finden sind, sodass in den meisten Fällen einem Sequel nichts mehr im Wege stehen dürfte. Sequels, ohnehin in den vergangenen Jahren das Szene-Wort in Hollywood, werden auch für 2008 versprochen, wenn Spielberg seine Kommerz-Kuh Indiana Jones erneut auf Abenteuer schickt, Harry Potter in sein vorletztes Kinoduell steigt oder Rambo wieder mit Messern durch den Dschungel schreitet. Auch die Comic-Helden Batman, Hulk und Hellboy kehren auf die Leinwand zurück, nebst anderer illustrer Gestalten wie Iron Man. An den Kinokassen dürfte der Rubel somit rollen.

Persönlich gesehen durfte ich Zeuge von über 100 Filmen aus diesem Filmjahr sein, wenn mich nicht alles trügt waren es 105 Filme, eventuell auch zwei oder drei mehr (inzwischen scheinbar erfolgreich verdrängt). Für meine Entwicklung bedeutet dieses Jahr, dass ich mich scheinbar mehr und mehr vom Mainstream verabschiede. Immer weniger mit der massentauglichen Ware anfangen kann, wobei der Gegenbegriff Arthouse hier vielleicht etwas zu leichtfertig gebraucht scheint. Doch es trügt nicht, dass die meisten Filme meiner Top 20 eher abseits des völkischen Bewusstseins liefen, zum großen Teil auch abseits von meinen regionalen Lichtspielhäusern (wie es Christoph Maria Herbst so schön ausdrückte).

Wer sich für meine Top Ten der magic movie moments 2007 interessiert, den verweise ich auf die Kommentarfunktion von Equilibriumblog, damit ich sie hier nicht nochmals posten muss. In meinen eigenen Kommentaren kann man Einblick in meine Flop 10 des Jahres erhalten, die heute Vormittag nochmals prominenten Nachwuchs bekommen hat. Traurig aber wahr, die meisten „meiner“ schlechten Filme musste ich in der Sneak ertragen (die ich dieses Jahr somit mehr oder weniger erfolgreich zu 80% besuchen konnte). In der Hoffnung, dass sich dies nächstes Jahr nicht wiederholt, schreite ich somit zu meinen persönlichen, favorisierten, durch und durch subjektiv bewerteten besten zehn Filmen des Jahres 2007:


10. Letters from Iwo Jima (Clint Eastwood, USA 2006): Kongenialer Antikriegsfilm vom Altmeister Eastwood und vielleicht sogar seine beste Regiearbeit überhaupt. Abseits von Kriegspathos und militärischer Tradition zaubert er mit seinem Sidequel eine starke Geschichte über Überleben und Kriegssinn auf die Leinwand, auch wenn sie sich am Ende doch mitunter zu sehr der (alt-)bekannten Klischees des Genres bedient.

9. Ratatouille (Brad Bird, USA 2007): Wie so oft serviert Pixar dem Publikum nicht mehr und nicht weniger als ein Meisterwerk. Oscarpreisträger Bird weiß nicht nur durch seine Liebe zum Detail und die perfekte Animation zu überzeugen, sondern auch mit reichlich witzigen narrativen Einfällen. Selbst der in diesem Jahr aufgekommene TV-Kochwahn vermag das Erlebnis nur bedingt zu trüben. Einen Film für Große und Kleine.

8. This is England (Shane Meadows, UK 2006): Basierend auf eigenen Erlebnissen demaskiert Meadows das Bild einer Generation ohne Hoffnung und Ziele, sich desillusioniert in die Unweiten der rechten Szene und Skinhead-Welt flüchtend. Eine ganze Epoche von Thatcherismus, Arbeitslosigkeit und Falkland-Krieg wird hier durch die Figur des Shaun (starker Newcomer: Thomas Turgoose) dem Publikum nahe gebracht.

7. Atonement (Joe Wright, UK/F 2007): Einer der Academy Award Favoriten und Golden Globe Anführer, basierend auf der Vorlage von Ian McEwan über Liebe, Schuld und Sühne, Vergebung und Reue - alles eingebettet in die dramatischen Umtriebe des Zweiten Weltkrieges. Wright gelingt eine klassische Liebesgeschichte, die das Publikum allein mit ihrem ersten Akt  weghaut - der Rest ist dann (fasziniertes) Schweigen.

6. Little Children (Todd Field, USA 2006): Großartig gespielte und so authentische wie ehrliche Demaskierung des heilen Suburbia-Mythos. Zudem Offenlegung von häuslicher Einengung, verlorenen Träumen und den daraus resultierenden Sehnsüchten. Getragen wird dieses starke Adaption (Field hat es einfach drauf) von einer wie so oft brillanten Kate Winslet und dem sich ins Rampenlicht spielenden Jackie Earle Haley.

5. Superbad (Greg Mottola, USA 2007): Mottola, Rogen und Goldberg gelingt mit dieser kleinen Komödie all das, was American Pie nie geschafft hat: ein glaubhaftes Bild jugendlicher Teenager in unserer heutigen Zeit abzubilden. Mit der Hilfe zweier grandios anarchischer Cops unterhält und amüsiert diese verrückte Geschichte einer ungewöhnlich-gewöhnlichen Nacht dreier Teens mehr als jede andere Komödie des Kinojahres.

4. The Prestige (Christopher Nolan, USA/UK 2006): Mit drei Sichtungen mein meistgesehener Film dieses Jahr. Nolan gelingt es ein wahres Meisterwerk voller Spannung, Mystik, Phantasie und allen voran natürlich Magie über Ehrgeiz, Annerkennung und Konkurrenzkampf auf die Leinwand zu bannen. Perfekte Bilder mischen sich mit perfekten schauspielerischen Leistungen zum Mainstream-Film des Jahres.

3. El laberinto del fauno (Guillermo del Toro, MEX/E/USA 2006): Was del Toro hier gelungen ist, ist nicht nur ein atemberaubend schönes, liebevolles Märchen für sich genommen, sondern zugleich eine Parabel über (Un-)Gehorsam und Porträtierung des Grauens, welches vom Franco-Regime verbreitet wurde. Wieviel hier ohne großartiges CGI-Feuerwerk möglich ist, die Liebe zum Detail, ist Lehrstück für alle Hollywood-Macher.

2. The Fountain (Darren Aronofsky, USA 2006): Eigentlich nur noch grotesk, wie dieses weitere Meisterwerk von Aronofsky sowohl von der Öffentlichkeit wie den Kritikern ignoriert wurde. Aronofsky erschafft eine schon fast metaphysische Geschichte über Liebe, Leben, Tod, Akzeptanz und Glauben, bebildert in drei verschachtelten Handlungssträngen, eingefangen in betörenden Bildern und mit träumerischer Musik.

1. Toki o Kakeru Shōjo (Hosoda Mamoru, J 2006): Mein persönliches Highlight des Jahres, ein Anime der alle Superlative verdient, die ich im Lexikon nachschlagen könnte. Eine phantastische Fabel vom verpassen des richtigen Momentes, Anerkennung von Liebe, sowie Verantwortung gegenüber den Menschen um uns herum. Zum ersten Mal lief mir bei einem Abspann ein kalter Schauer über den Rücken - danke Hosoda-san!

25. Dezember 2007

Hitman

Do you think we have time for foreplay?

Zur Massenware Hollywoods zählen neben den derzeitigen Comicverfilmungen inzwischen auch die filmischen Umsetzungen von Spielzeug, bevorzugt Videospiele. Dass Dr. Boll auf diese kein Monopol zu besitzen scheint, beweist beispielsweise Hitman. Basieren tut der Action-Reißer auf der gleichnamigen Videospielserie rund um Agent 47, die im Jahr 2000 begann. Bereits 2003 traten die Schöpfer des Spiels mit Studiobossen bezüglich einer Verfilmung in Kontakt. Vin Diesel sicherte sich damals die Rechte und wollte auch die Hauptrolle übernehmen, entschied sich aber scheinbar anders und verblieb beim Projekt nur als ausführender Produzent. Die Regie übernahm Xavier Gens, der sich dieses Jahr bereits mit dem politischen Film Frontière(s) auszeichnen durfte, das Drehbuch stammt von Skip Woods, der bereits die Grundlage zu Swordfish geliefert hatte. Da es sich bei Hitman um ein indiziertes Spiel handelt, kann man sich denken, dass es in der Handlung nicht zimperlich zugeht. Um dennoch an den Kinokassen keine Miesen zu machen, engagierte das Studio gegen den Willen von Gens den Cutter Nicolas De Toth, welcher den Film wie zuvor schon Live Free or Die Hard auf eine niedrigere Jugendfreigabe herunterschnitt.

Der glatzköpfige Agent 47 (Timothy Olyphant) trägt nicht nur einen Barcode auf seinem Hinterkopf, sondern auch eine gehörige Menge Waffen an seinem Körper. Seines Zeichens Auftragskiller soll er den russischen Präsidenten Belicoff (Ulrich Thomsen) ausschalten. Gesagt getan, doch als er in sein Hotelzimmer zurückkehrt, erhält er die Mitteilung, dass es eine Zeugin gab. 47 macht sich auf, die hübsche Nika (Olga Kurylenko) aus dem Weg zu räumen, kann jedoch selbst zuvor nur knapp einem Attentat eines anderen Agenten ausweichen. Wie sich herausstellt, existiert ein Doppelgänger von Belicoff und da 47 und Olga die einzigen sind, die darüber Bescheid wissen, werden sie fortan nicht nur von anderen Agenten, sondern auch dem russischen Geheimdienst gejagt. Währenddessen ist Interpol Agent Michael Whittier (Dougray Scott) Agent 47 auf der Spur, wird in seinen Ermittlungen jedoch durchgehend vom FSB-Leiter Marklov (Robert Knepper) behindert. Für alle Parteien scheinen ihre Richtungen auf einen gemeinsamen Nenner raus zu laufen, welcher sie am Ende alle zusammenführen soll: ein weiteres Attentat auf Belicoff.

Das Hitman geschnitten ist, will man ihm zuerst nicht einmal anmerken, auch wenn natürlich manche Szene nicht so blutig sind, wie man erwarten könnte. Ob nun Kopfschüsse gezeigt werden oder nicht, tut letztendlich der Handlung keinen Abbruch und wenn man mit dem Computerspiel per se nicht vertraut ist, wird man auch nicht großartig etwas vermissen. Mut zur Selbstironie beweist Gens wenn er Agent 47 in einer Fluchtsequenz in ein Hotelzimmer stürzen lässt, in welchem gerade zwei Kinder dabei sind selbst die Hitman-Serie zu spielen. Auch sonst nimmt sich der Film nicht immer allzu ernst und weiß den negativen Eindruck des Trailers etwas weg zu wischen. Dem Konzept des Ballerspiels einen politischen Unterton zu geben, hilft im Gegensatz zu der anderen Spieleadaption Transformers eine gewisse glaubhafte Handlung zu etablieren. Bedauerlicherweise bleiben jedoch viele Dinge im Unklaren und werden im Laufe des Filmes auch nicht aufgeklärt (zumindest nicht in diesem Teil). Was genau sind die Agenten, woher kommen sie, für wen arbeiten sie, wie funktionieren sie? Diese Fragen werden nicht beantwortet, finden leider auch kaum Berücksichtigung. Dass dieses Wissen vorausgesetzt wird oder der Film lediglich für die Fans der Spielereihe konzipiert wurde ist dabei nicht sonderlich wahrscheinlich.

Gut möglich, dass die Antworten hierauf erst in einer Fortsetzung gegeben werden sollen, wobei man sich mit diesem Schachzug, sowie mit der gekürzten Fassung, bei den Fans und dem daraus resultierenden Einspiel keinen Gefallen gemacht haben dürfte. Am Ende hat man einen Film gesehen über einen Mann, dessen Herkunft unklar ist, genauso wie seine Motivation oder die Organisation für die er arbeitet. Ebenso wenig weiß man, wer der Belicoff-Doppelgänger und was seine Motivation und die seiner Komplizen gewesen ist. Dass der Film an diesen Fragen nicht gänzlich scheitert ist wohl der Regie von Gens zu verdanken, dem es gelingt trotz alledem eine für das Publikum interessante Geschichte zu erzählen, auch wenn deren Ende zu Beginn des Filmes vorweg genommen wird.

Obschon Vin Diesel für die Rolle wie maßgeschneidert schien, verleiht ihr Olyphant wohl einen menschlicheren Charakter, als es Diesel je gekonnt hätte. Zudem stimmt die Chemie zwischen ihm und Kurylenko. Die meisten anderen Darsteller spielen dagegen zumeist etwas steif, allen voran Dougray Scott, der sich den ganzen Film über nicht entscheiden kann, ob er seine Zigaretten nun anstecken soll oder nicht. Spielen die Darsteller nicht gerade steif, so betreiben sie oftmals overacting. Dennoch ist Hitman ein durchaus akzeptabler Actioner, der sich klar über andere Vertreter diesen Jahres wie Shoot ’Em Up oder Death Sentence heben kann, da seine Inszenierung trotz der inhaltlichen Fragen zu gefallen und zu unterhalten weiß. Dies liegt zu einem Großteil an der scharfen – hierbei handelt es sich um das passende Wort – Olga Kurylenko, neben der alles verblasst. Ein durchschnittlicher Action Film erhält daher von mir noch anderthalb Bonuspunkte, sowohl für die Kurylenko, als auch für den großartigen Henry Ian Cusick und dass sie Justice gespielt haben.

7/10

Zodiac

Just because you can’t prove it doesn’t mean it isn’t true.

Ende der 1960er Jahre versetzte ein unbekannter Täter in San Francisco eine ganze Region in Panik. Zwischen Dezember 1968 und Oktober 1969 brachte ein Mann, der sich selbst „Zodiac“ nannte, fünf Menschen um und verletzte zwei weitere schwer. Seine ersten Opfer waren am 20. Dezember 1968 die erst 16-jährige Betty Lou Jensen und ihr 17-jähriger Freund David Faraday, welche in Vallejo von dem Killer ermordet wurden. Am Unabhängigkeitstag im folgenden Jahr wurde die Kellnerin Darlene Ferrin auf der Lover’s Lane, einem Treffpunkt für Pärchen, erschossen, während ihr Begleiter Michael Mageau überlebte. Am 27. September attackierte er in einem Park ein weiteres Pärchen, Cecilia Shepherd und Bryan Hartnell, auch hier konnte der Mann schwer verletzt überleben. Sein letztes Opfer fand der Zodiac offiziell in dem Taxifahrer Paul Stine, welchen er am 11. Oktober 1969 erschoss. Was anschließend begann, war eine briefliche Konferenz zwischen Täter und Polizei, die sogar einen Ausflug ins Fernsehen fand. Schließlich hörte der Zodiac auf zu morden und die Ermittlungen gerieten ins Schleppen. Zwei Jahre später glaubte man in Arthur Leigh Allen einen Verdächtigen gefunden zu haben, doch konnte dieser nie mit den Morden in Verbindung gebracht werden. Der Zodiac verschwand und allmählich auch die Erinnerung an ihn.

Bereits 1971 fand der Zodiac ein Forum in der medialen Welt. Don Siegel inszenierte Dirty Harry, in welchem Clint Eastwood einen Serienkiller mit dem Decknamen „Scorpio“ jagte. In David Finchers Verfilmung von Robert Graysmiths Büchern Zodiac und Zodiac Unmasked ist eine Kinovorführung von Siegels Film für die Polizei von San Francisco zu sehen. Fincher, der selbst noch mit dem Zodiac aufgewachsen war, findet in diesem ungelösten medialen Thrillerstoff eine großartige Plattform für einen Film. Anderthalb Jahre recherchierte er Material für seine Adaption, während das Drehbuch von James Vanderbilt gemeinsam mit Robert Graysmith entstand. Fincher bildete dabei Paramounts erste Wahl für den Stoff, hauptsächlich wegen seiner Arbeit an Se7en. Zur selben Zeit war Fincher jedoch für eine Verfilmung von James Ellroys The Black Dahlia vorgesehen, konnte sich aber mit den Produzenten auf keinen gemeinsamen Nenner einigen. Für seine Verfilmung des Zodiac-Stoffes verwendete Fincher zum ersten Mal in der Filmgeschichte ausschließlich eine digitale Kamera, für die er in den Jahren zuvor durch Werbungen für Nike oder Heineken Erfahrungen sammelte.

Die Handlung von Zodiac setzt beim Mord von Darlene Ferrin ein, beginnt also ein halbes Jahr, nachdem der Zodiac zum ersten Mal gemordet hat. Die Redaktion des San Francisco Chronicle erhält daraufhin einen Brief des Täters, dessen Veröffentlichung er verlangt. Dem Brief anbei liegt ein chiffriertes Rätsel, welches die Identität des Killers offenbaren soll. Redakteur Paul Avery (Robert Downey Jr.) beginnt seine Recherchen für den Fall und kollidiert dabei mit den Interessen der San Franciscoer Ermittler David Toschi (Mark Ruffalo) und William Armstrong (Anthony Edwards). Stattdessen beginnt sich der Karikaturist Robert Graysmith (Jake Gyllenhaal) für den Fall, insbesondere das Rätsel, zu interessieren. Nachdem die Ermittlungen gegen den Zodiac jedoch im Sande verlaufen, widmet sich Toschi anderen Fällen, auch wenn er den Ermittlungen gegenüber offen bleibt. Während sich Armstrong versetzen lässt und Avery am Scheitern des Falles zugrunde geht, ist es Graysmith, der nach mehreren Jahren erneut den Fall aufzurollen versucht. Doch Toschi will von seinen privaten Erkenntnissen nichts wissen und auch Graysmiths Ehe mit seiner Frau Melanie (Chloë Sevigny) ist im Begriff, an seiner Zodiac-Manie zu scheitern.

Seine Produktionskosten von 65 Millionen Dollar konnte der Film weltweit mit einem kleinen Gewinn wieder einspielen, wieso er jedoch gerade in den USA mit lediglich 30 Millionen Dollar so geflopt ist, erscheint unverständlich. Schließlich ist der Zodiac ein amerikanischer Serientäter, zudem einer, der nie überführt wurde. In einem Land, das seine Mörder so sehr verehrt wie die USA, sollte eigentlich eine größere Begeisterung für das Thema existieren. Dass es sich bei Zodiac um keinen zweiten Se7en handelt, sollte den meisten Zuschauern klar gewesen sein. Da kann es schon eher an der Laufzeit von zweieinhalb Stunden gelegen haben, dass manch Amerikaner dem Film fernblieb. Wie so oft spiegeln die Kritiker ein anderes Bild wieder, als das tatsächliche Einspielergebnis, mit 89% bei Rotten Tomatoes erreicht der Film seine besten Werte. Dabei liefert Fincher keinen klassischen Thriller mit Spannungselementen, sondern offeriert seinen Zuschauern eine minutiöse Abhandlung der Ermittlungen von Avery, Graysmith und Toschi.

Der Film ist durchzogen von Zeitsprüngen, meist werden mehrere Wochen übersprungen, teilweise auch Jahre. Was allerdings zwischen diesen teilweise sehr langen Sprüngen passiert, bleibt dem Zuschauer verschlossen. David Fincher erzählt hier keine stringente Geschichte einer einzelnen oder mehrerer Figuren, sondern er springt von Entwicklung zu Entwicklung. Was die Charaktere denken, fühlen oder tun, zwischen dem einen Brief und dem nächsten, zwischen diesem Ereignis und einem darauffolgenden, bleibt im Unklaren und macht es schwer, ein wirkliches Interesse für die Charaktere aufzubringen. Insbesondere Robert Graysmiths Leben ist dabei kritisch zu betrachten, denn wenn er auch zu Beginn gleich auftaucht, spielt er schließlich erst im letzten Drittel eine entscheidende Rolle. Seine plötzliche Begeisterung und Manie für den Fall über vier Jahre nach dem letzten Mord wird nicht wirklich verständlich. Auch sein Verrennen in die Mordfälle, sodass sein Familienleben scheitert, wirkt nicht sonderlich glaubwürdig oder für den Zuschauer ergreifend. Dazu wurde sein Familienverhältnis zu wenig gezeigt.

Inwiefern der Fall das Leben der anderen vier Protagonisten beeinflusst, bleibt ebenso unklar. Auf einmal ist Avery ein seelisches Wrack, wie genau es dazu kam, wird nicht ausreichend geschildert. Ebenso verhält es sich bei Armstrong und teilweise Toschi, von denen allein einzelne Reaktionen gezeigt werden. Fincher stellt die Figuren eindeutig hinter die Geschichte, vernachlässigt ihre Entwicklungen und zeigt nur den Verlauf des Zodiac-Falles. Obschon er hierbei keine wirkliche Handlung erzählt, sondern Fakten und Verbindungen diskutiert, wird dennoch das Interesse am Film aufrecht erhalten. Zodiac ist dabei nicht zu dokumentarisch, um nicht zu unterhalten, zugleich zu sehr für sich stehend, um reine Dokumentation zu sein. Manche Klischeehafte Charakterisierung wie Avery als Pausenclown mit etwaigen Faxen und Einzeilern oder Graysmiths nerdiger Cartoonist mit Begeisterung für Rätsel fallen dabei leicht aus dem Rahmen. Die Figuren bleiben folglich etwas blass,  fast so wie die Visuelle Gestaltung des restlichen Films über weite Strecken – kein Wunder, dass er bisher ohne Auszeichnungen blieb.

Positiv zu vermerken ist, dass sich Fincher nicht irgendwelchen eigenen Spekulationen hingibt, sondern an den wahren Tatsachen und Mutmaßungen orientiert. Wie dem Tatverdacht gegenüber Arthur Leigh Allen. Ebenso positiv ist Finchers Ansatz, einen unkonventionellen Thriller der Gegenwart zu drehen, der sich nicht dem Gore hingibt und somit die perversen Phantasien einer gewaltgeilen Generation bedient. Vielleicht liegt hier der Grund, dass der Film beim Publikum scheiterte, vielleicht fehlten ihm nur ausgeschnittene Augen und abgetrennte Schädel. Wenn Fincher jedoch den Zodiac seine Opfer angreifen lässt, erschreckt dies nicht wegen dem Tathergang an sich, sondern aufgrund seiner Umstände. Wer würde schon damit rechnen, am helllichten Tag an einem See mehrfach abgestochen zu werden? Technisch ist Zodiac also makellos inszeniert, es bleibt lediglich fraglich, ob eine 1:1-Verfilmung eines Tatsachenberichtes vollends als Unterhaltungsfilm funktioniert, da hierbei Handlung und Figuren bisweilen zum Opfer fallen.

8/10

22. Dezember 2007

Little Children

You couldn't change the past. But the future could be a different story.

Bereits im Jahre 2001 konnte Todd Field mit In the Bedroom beweisen, dass er es versteht mit familiären Themen umzugehen. Damals sollte eine Affäre eines Studenten mit einer verheirateten Frau zwei Familien in eine Tragödie stoßen. Es gab damals nicht nur drei Oscarnominierungen für die Schauspieler, sondern auch zwei für Todd Field selber, sowohl für den besten Film, als auch das beste adaptierte Drehbuch. In diesem Jahr erschien eine neuerliche Romanadaption von Todd Field, in der ebenfalls wieder Affären das Familienleben beeinflussen. Field adaptierte gemeinsam mit dem Romanautor Tom Perrotta dessen 2004 erschienenen gleichnamigen Roman und erhielten dafür dieses Jahr eine weitere Oscarnominierung, ebenso wie Kate Winslet und Jackie Earle Haley. Es möchten sich unweigerlich Vergleiche mit dem thematisch ähnlichen American Beauty aufdrängen, dennoch erzählt Little Children eine andere, eigenständige, aber nicht weniger dramatische Geschichte, jedoch ohne an den Witz und Humor von American Beauty anknüpfen zu können. Dafür ist der Subplot, der sich um Kindesmisshandlung dreht, viel zu ernst, als dass Field sich hier humoristische Töne erlauben würde – auch wenn der Film dennoch dieses ernste Thema, wie die meisten Filme, nicht zentral ins Licht rückt, sondern sogar im Vergleich zur Romanvorlage beschneidet.

In einer kleinen amerikanischen Vorstadt treffen sich die Hausfrauen mit ihren Kindern beinahe täglich im Park und während die Kinder spielen, wird unter den desperate housewives der neueste Klatsch ausgebreitet. Sowohl dazugehörend, als auch Außenseiterin ist dabei die feministische Sarah (Kate Winslet), die mit ihrer Tochter Lucy oftmals überfordert zu sein scheint. Abschätzige Blicke erhält sie insbesondere von der erzkonservativen Mary Ann. Aufregung bildet sich unter den Frauen nur, wenn der „Abschlussballkönig“ Brad (Patrick Wilson) mit seinem Sohn den Park betritt. Obschon Grundlage für viele Tagträume der Frauen, hat noch keine der Damen je mit ihm geredet. Da Sarah die anderen verklemmten Frauen ohnehin überdrüssig sind, geht sie zu Brad und beginnt ein Gespräch, welches schließlich in einen kurzen Kuss zur Abschreckung der anderen mündet. Doch der Augenblick will beiden nicht aus dem Kopf und da sowohl Sarah, als auch Brad in seiner Ehe mit der Dokumentarfilmerin Kathy (Jennifer Connelly) unglücklich sind, beginnt das Interesse der beiden aneinander zu wachsen und endet in täglichen kleinen Refugien im städtischen Bad. Zur selben Zeit wird in die Gemeinde der entlassene Kinderschänder Ronnie (Jackie Earle Haley) entlassen, der fortan nicht nur von der Gemeinde, sondern auch vom frühpensionierten Polizisten Larry (Noah Emmerich) unter Beobachtung steht.

Das Highlight von Fields Little Children ist, dass er sich eines allwissenden Erzählers bedient, der hin und wieder das Seelenleben oder Hintergrundinformationen über die Figuren ans Publikum übermittelt. Bedauerlicherweise nimmt dies zum Ende, wenn die Handlung in ihre dramatische Phase eindringt, etwas ab. Trotz allem verleiht gerade dies der Geschichte einen besonderen Charakter und verleiht dem ganzen eine gewisse Erzählstruktur. Zum Teil entpersonalisiert es auch die Figuren in der Geschichte, wirkt aber nie fehl am Platze. Verwendung findet dieser Kniff zumeist dann, wenn etwas erzählt werden soll, was zu viel Platz einnehmen würde, wenn man es ausführlich darstellen würde. Dies trifft zum Beispiel auf Sarahs Ehemann Richard zu, der für die Handlung nur eine untergeordnete Rolle spielt und lediglich als Impuls für Sarahs Verhalten dargestellt wird. Wenn Richard in seinem Büro sitzt und sich auf seinem Rechner Pornos der verruchten Hausfrau Slutty Kay ansieht oder in seinem Arbeitszimmer zu Hause mit einem getragenen Höschen auf dem Kopf von Sarah beim Masturbieren unterbrochen wird, entbehrt dies natürlich nicht einer gewissen Komik. Symbolisch steht es natürlich für die Entfremdung der beiden innerhalb ihrer Ehe, wenn keiner der Partner mehr das bekommt, wonach er sich eigentlich sehnt. Während es bei Richard das Ventil der Pornographie ist, schaltet Sarah bei einem Spaziergang ab.

Mit Sehnsucht findet sich auch das übergeordnete Thema von Little Children, denn jede der Figuren sehnt sich nach etwas in ihrem Leben, nach einem Zustand, den sie einst innegehabt, dann jedoch irgendwann verloren haben. Bei Sarah scheint dieser Wandel mit der Geburt ihrer Tochter eingesetzt zu haben, welche sie die meiste Zeit vernachlässigt und nicht wirklich auf sie eingeht. Die Wünsche und Bedürfnisse von Lucy kollidieren in den meisten Fällen mit denen von Sarah, wenn sich diese nur ein paar Minuten Ruhe für ihre Literatur wünscht. In einer Szene begutachtet Sarah im Bad lieber ihre Haut, als ihrer Tochter die Tür zu öffnen, welche den ganzen Tag damit verbracht hatte ihr ein Geschenkt zu basteln und es ihr übergeben wollte. Erst später soll Sarah herausfinden, wie viel sie tatsächlich für Lucy empfindet. Ebenso wie Richard bleibt auch Kathy eher im Hintergrund. Das Problem in der Ehe zwischen Brad und Kathy liegt darin, dass Kathy diejenige ist, die durch ihre Arbeit das Geld verdient, während Brad, der bereits zweimal durch die Zulassungsprüfung für Anwälte gefallen ist, das Heimchen gibt. Unter Druck gesetzt fühlt er sich dabei von seiner Frau, die nicht zu verstehen scheint, dass er eigentlich gar kein Anwalt sein will. So endet sein nächtlicher Weg zur Bibliothek immer am örtlichen Skaterpark, wo er stundenlang den Jugendlichen bei ihrer Leichtigkeit zusieht.

Während die Feministin Sarah gegen das eheliche Gebilde erfolglos rebelliert und schließlich in Brad ihren innerlichen Aufschrei, ganz wie Emma Bovary, findet. Die Analyse des Romans von Gustave Flaubert wird in einer Buchgruppenreflexion direkt auf den Zustand von Sarah übertragen. Brad hingegen findet in Sarah Aufmerksamkeit und Verständnis für seine eigenen Wünsche und Sehnsüchte. Sarah erkennt sofort, dass Brad nicht glücklich damit ist, Anwalt zu werden und unterstützt ihn im Gegensatz zu Kathy bei seinen nächtlichen Football-Spielen mit Larry und seinen Polizistenfreunden. Klimatischer Gipfelpunkt ist ein Essen zwischen beiden Familien, bei welchem Sarah überrascht reagiert, als sie etwas über Brad erfährt, was sie vorher nicht wusste. Mit ihrer Reaktion bewirkt sie den ersten Verdachtsmoment bei Kathy. Sowohl Brad als auch Sarah fühlen sich also in der konservativen Vorstellung der Familie gefangen, unberücksichtigt und eingeschränkt. Dies mündet in einer großartigen Szene, als sich Sarah einen Badeanzug bestellt, damit sie mit Lucy in das öffentliche Bad gehen kann, von dem sie weiß, dass Brad mit seinem Sohn öfters dort ist. Und tatsächlich treffen sich die beiden, jedoch hinreißend geplant zufällig. Die täglichen Treffen im Freibad bilden für beide ein erstes Ventil, welches sich jedoch im körperlichen Kontakt Luft verschaffen muss. Wie Field und Perrotta dies ganz allmählich aufbauen lässt sich nur als sagenhaft beschreiben, von einer beeindruckenden Ehrlich- und Glaubwürdigkeit.

Sehnsüchte haben auch Larry und Ronnie. Larry, der einst durch ein Missverständnis einen Teenager erschossen hat, leidet unter seinem Trauma und musste in Frühpension bei der Polizei gehen. Dabei vermisst er seinen Job so sehr, dass er sich der Nachbarschaftspolizei anschließt und sich nach Bedeutung in seinem Leben sehnt, sei dies in der Sicherung der Nachbarschaft oder beim Footballspielen. Da kommt ihm der entlassene Kinderschänder Ronnie gerade recht, der wieder bei seiner Mutter eingezogen ist. Im Gegensatz zur Romanvorlage hat Ronnie im Film die Sehnsucht einfach ganz normal zu sein und lässt sich sogar von seiner Mutter zu einem Blind Date breitschlagen, welches er zu Beginn auch noch ganz gut meistert, ehe es am Ende aus dem Ruder läuft. Die Außenseiterrolle Ronnies gipfelt in der wahrscheinlich besten Szene des Filmes, wenn Ronnie mit Flossen und Schnorchel das Freibad aufsucht und unter Wasser an einem heißen Sommertag die tollenden Kinder beobachtet. Als die Mütter ihn schließlich erkennen, mündet dies in einer hastigen Rettungsaktion aller Kinder aus dem Becken, als befände sich ein weißer Hai darin. Während Ronnie wie dieser seine Runde unter Wasser dreht, stehen die Mütter mit ihren Kindern gaffend am Beckenrand, ehe die Polizei Ronnie aus dem Freibad entfernt. Und sofort als er aus dem Becken ist, löst sich die drückende Stimmung wie ein dunkler Schleier.

Gerade diese kleinen Details sind es, die Little Children so besonders machen, was es bei Brad bewirkt, wenn sein Sohn beim Anblick seiner Mutter seinen Lieblingshut davon schmeißt, oder Sarahs erwartungsvoller Blick, als sie ihren Badanzug in den Händen hält und darin ihre Hoffnung wiederspiegelt. Wie bereits in In the Bedroom liefert Todd Field ein demaskierendes Bild der glücklichen (amerikanischen) Familienidylle, ohne humoristisch-künstliche Kniffe wie Sam Mendes in American Beauty. In Little Children sagen Blicke mehr wie tausend Worte und besonders Kate Winslet kann sich durch ihre Verkörperung der Sarah wieder einmal hervortun. Wann schenkt man dieser Frau endlich ihren langverdienten Oscar, fragt man sich beim Betrachten, genauso wie es Paul Bettany eigentlich geschafft hat, diese atemberaubende Jennifer Connelly zu seiner Frau zu machen. Todd Field zeigt ebenfalls wieder sein Talent und sein Gespür für ruhige Dramen, auch wenn das Ende wieder typisch amerikanische Züge annimmt, selbst wenn es für die Entwicklung der Charaktere steht. Einziger Wermutstropfen ist, dass wie nur allzu oft in Hollywood-Produktionen das Thema der Kindesmisshandlung, wie in Mystic River oder Gone Baby Gone, lediglich als Aufhänger für den Narzissmus der Erwachsenen dient. Denn dafür ist das Thema an sich eigentlich viel zu ernst und dramatisch.

8.5/10

21. Dezember 2007

3:10 to Yuma

I've always liked you Byron, but even bad men love their mommas.

Es war 1997 als Regisseur James Mangold mit einem Cop-Thriller der Sonderklasse die Kinoleinwand betrat. Cop Land, mit einem übergewichtigen Sylvester Stallone in der Hauptrolle, war Mangolds Hommage an einen Western-Klassiker seiner Jugend, welchen er zum ersten Mal mit 17 gesehen hatte – 3:10 to Yuma. Dieser kam vierzig Jahre zuvor unter der Regie von Delmer Daves und mit Glenn Ford sowie Van Heflin in den Hauptrollen in die Kinos, basierend auf einer gleichnamigen Kurzgeschichte von Kultautor Elmore Leonard aus dem Jahre 1953. Die Hommage des Filmes ging soweit, dass Stallones Charakter Sheriff Freddy Heflin den Nachnamen von Van Heflin erhielt. Als er 2002 dann an seinem Thriller Identity drehte, kam ihm zum ersten Mal der Gedanke an ein richtiges Remake des Western-Klassikers. Das ursprüngliche Drehbuch von Halsted Welles, der anschließend nur noch fürs Fernsehen schrieb, sollte von dem Autorenduo Michael Brandt und Derek Hass, die sich zuvor durch 2 Fast 2 Furious „ausgezeichnet“ hatten, überarbeitet werden. Die beiden Hauptrollen sollten Tom Cruise (Ben Wade) und Eric Bana (Dan Evans) spielen, doch Cruise schied letzten Endes aus dem Projekt aus.

Ein Geräusch in der Nacht weckt die Familie Evans auf, der junge William und sein einbeiniger Vater Dan (Christian Bale) müssen mit ansehen, wie ihre Gläubiger ihre Scheune in Brand setzen. William gibt dem feigen Verhalten seines Vaters die Schuld an der familiären Misere, welche auf ihrer Farm hoffnungslos auf das Ende der Dürre wartet. Als Dan mit William und seinem jüngsten Sohn am nächsten Tag das Vieh wieder einfangen will, werden sie Zeuge eines Überfalls auf eine Geldkutsche durch den berüchtigten Ganoven Ben Wade (Russell Crowe). Mit dem einzigen Überlebenden, dem Kopfgeldjäger Byron McElroy (Peter Fonda), macht sich Dan auf den Weg in die Stadt, wo sich herausstellt, dass Wade immer noch anwesend ist. Es gelingt den Männern von Bisbee Wade gefangen zu nehmen – fraglich ist nur, wer ihn nach Contention City bringt und in den Zug nach Yuma ins Gefängnis setzt. Für $200 meldet sich Dan freiwillig, in der Hoffnung neben dem Geld für seine Schulden auch das Ansehen seiner Familie zurück zu gewinnen. Doch der Weg nach Contention City ist lang und nicht ungefährlich – außerdem versammelt Bens rechte Hand Charlie Prince (Ben Foster) zur selben Zeit die Bande und macht sich auf, seinen Boss zu befreien.

Zuerst einmal ein Stoßgebet, dass einem Cruise mit seinem Zahnpastalächeln erspart geblieben ist, der wäre als Ben Wade nämlich eine Tortur gewesen. Auch wenn sich Russell Crowe inzwischen als Fill-Out-Boy gibt, der gerne mal andere ersetzt – im Januar z.B. bei State of Play und Brad Pitt der Fall -, passt er dennoch hervorragend nicht nur als charismatischer Ben Wade, sondern generell in das Western-Genre, wie er bereits in Sam Raimis The Quick and The Dead beweisen konnte. Umso erfreulicher, dass er mit Thomas Fritsch seine alte Synchronstimme erhalten hat und nicht mit Martin Umbach die von George Clooney, wie zuletzt in American Gangster. Fritschs Stimme passt auch wie die Faust aufs Auge in einen Western und das ständige Wechseln der Synchronstimmen wie zuletzt bei Casey Affleck der Fall ist nur noch grausam. Während Ben Foster eben Ben Foster ist und an seine overacting Leistungen aus Alpha Dog und 30 Days of Night anknüpft, kann sich besonders Peter Fonda als in die Jahre gekommener Kopfgeldjäger auszeichnen. Seine Figur fand sich in der Originalversion des Filmes nicht und ist somit neu eingefügt, bringt politisch-kritische Untertöne. Erfreulich ist es, Alan Tudyk wiederzusehen, auch wenn seine Figur fast das exakt selbe Ende nimmt, wie in Serenity. Wer genau aufpasst, darf auch Luke Wilson in einer kurzen Rolle bewundern.

Dagegen spielt Christian Bale den Dan Evans zwar solide, aber nicht besonders erfrischend. Traurigerweise scheint bei Bale inzwischen der Saft raus zu sein und er beginnt sich neben Schauspielern wie Al Pacino und Denzel Washington einzureihen, die auf einem bestimmten (wenn auch hohen) Level stagnieren. Denn ob hier nun Bruce Wayne, Alfred Borden oder Dieter Dengler mit dem Gewehr in der Pampa sitzen, kann man nicht erkennen. Bale Gesichtsmimik und Schauspielansatz scheint bei allen seinen Rollen gleich zu sein, egal ob er nun den sich leer fühlenden Wayne, nach Freiheit strebenden Dengler oder den um seine Ehre kämpfenden Evans spielt. Vielleicht sollte Bale nicht einfach nach Regisseuren (Herzog, Mangold) wählen, sondern nach den Rollen, vorzugsweise nach denen, die ihn als Schauspieler herausfordern und neue Grenzen ausloten lassen. Andernfalls bleibt ihm nichts anderen übrig, als bis an sein Lebensende den Batman zu geben, bzw. vielleicht demnächst seine Gesichtsmimik als John Connor einzusetzen. Was ihm gut tun würde, wäre ein Familiendrama oder auch mal eine Komödie, raus aus den altbekannten Mustern zumindest. Denn gegen Russell Crowe zieht er hier eindeutig den Kürzeren, dem kauft man seine Drama-Komödien (A Good Year, Breaking Up) zwar nicht ab, dafür zeigt er sich in seinen Rollen wandlungsfähiger.

Das Thema von 3:10 to Yuma ist Ehre, besser gesagt die Ehre eines Mannes. Nicht nur die Ehre von Ben Wade oder Dan Evans wird geprüft, sondern die Ehre aller beteiligten männlichen Protagonisten. Der einbeinige, verschuldete Dan Evans lebt ganz und gar für seine Familie, bekommt aber weder von seinem ältesten Sohn William noch von seiner Frau Alice (Gretchen Mol) den Respekt, der ihm gebührt. Da der Jüngste, Mark, an Tuberkulose litt, zog Dan mit seiner Familie in ein trockeneres Klima. Dieses verhindert jedoch, dass das Land fruchtbar wird und sein Vieh an Qualität gewinnt. Als die Eisenbahn sein Land kaufen will und ihm das Wasser abdreht, wird die Lage von Dan immer enger. Mit dem Geld, das er vom Staat für seinen im Bürgerkrieg abgeschossenen Fuß bekommen hat, kann er schon lange nicht mehr leben. Als letzten Ausweg sieht er die Überführung von Ben Wade nach Contention City, eine Tagereise von Brisbee entfernt. Da der Eisenbahngesellschaft kein Geld zu teuer ist, um Wade, der bereits zweiundzwanzig Geldtransporter überfallen hat, aus dem Weg zu räumen, macht sich Dan mit Byron und den anderen auf. Ein wirkliches Interesse hat Evans nicht an Wade und alle Annäherungsversuche blockt er ab.

Problematisch wird die Situation, als Dans Sohn William dem Convoy folgt und ihn anschließend begleitet. William, der Ben Wade für seine Mannhaftigkeit bewundernd und aus demselben Grund seinen Vaters belächelt, wird von Wade geschickt umgarnt, sodass Dan sich nur noch mehr beweisen muss. Am Ende bringt er Wade weniger des Geldes wegen nach Contention City, als um vor seinem Sohn nicht das Gesicht zu verlieren. Mehrfach versucht Wade auf der Reise Dan zu kaufen, da in seinen Augen lediglich die $200 die Motivation des Mannes ausmachen. Zu diesem Zeitpunkt ist das ganze jedoch bereits zu einer Rettung der Ehre verkommen, denn Dan begleitet ein dunkles Geheimnis, welches er später Wade in einem intimen Austausch offenbaren wird. Wade im Gegensatz hat seine eigenen Gespenster im Schrank und ist an sich nicht wirklich böse, wenn man ihn denn in Ruhe lässt. Das bekommen zwei Mitglieder des Treks alsbald am eigenen Leib zu spüren. Im Herzen sucht Wade jedoch nur nach seiner Herzensdame, mit schönen grünen Augen, und zeichnet für sein Leben gerne. Beide Aspekte dienen zur Sympathisierung der Figur, der Vorbereitung des Klimax. Ben ist nicht so kaltblütig wie sein Ziehsohn Charlie und das soll und wird natürlich später noch von Bedeutung sein.

Das Skript von Brandt und Haas ist sehr viel actionlastiger, das merkt man auch ohne das Original zu kennen. Gleich zu Beginn gibt es Explosionen und sich überschlagende Wagen, Maschinengewehrfeuer und so weiter. Dieser Ton wird glücklicherweise später etwas in den Hintergrund gerückt, verschwindet jedoch nicht vollends aus dem Film. Dabei hat Action an sich in einem Western – zumindest in dem Ausmaß wie hier dargestellt – nichts zu suchen. In Hollywood stellt man sich jedoch gerne auf die Sehgewohnheiten der neuen nach Gewalt lüsternen Generation ein. James Mangold inszeniert, mit schöner, wenn auch klischeehafter Musik von Marco Beltrami, eigentlich einen sehr soliden Western, obschon er zu keinem Punkt herausragend ist. In seiner letzten Viertelstunde fährt er ihn dann jedoch vollends gegen die Wand, wenn er aus dem Western plötzlich einen Buddy-Movie macht. Geradezu lächerlich das ganze, in einem noch viel lächerlicheren Finale mündend. Da war das Ende der Originalversion sehr viel besser und plausibler. Wieso Mangold dieses Remake gemacht hat, nachdem ihm mit Cop Land eine tolle Hommage gelungen war, verstehe mal wieder wer will.

5.5/10

20. Dezember 2007

Eastern Promises

Sentimental value? Ah. I heard of that.

Wenn David Cronenberg einen Film dreht, dann handelt es sich dabei weder einfach nur um einen Film, noch um einen einfachen Film. Dabei sind Cronenbergs Filme der Masse eher unbekannt, vielleicht einmal von The Fly abgesehen. Dies dürfte bei Eastern Promises wohl anders werden, denn der Film hat relativ wenig bis gar nichts von Cronenbergs sonst so typischer Innovation und Kreativität was seine Charaktere und die Handlung betrifft. Stattdessen liefert er einen kalten, glatten Mafiathriller im Londoner Milieu, in welchem er sich mit seinem A History of Violence Hauptdarsteller Viggo Mortensen wiedervereint und diesem sogleich eine Oscarnominierung als bester Hauptdarsteller in einem Drama beschert. Bei den Kritikern kam sein neuer Film überraschend gut an, wobei diese, wie auch bei seinem Kollegen David Lynch, ohnehin meistens allein durch die Bildgewalt auf seiner Seite stehen. Das Interessante ist jedoch, wie erwähnt, dass Eastern Promises irgendwie so ganz anders ist, wie die anderen Cronenberg-Filme. Die Figuren wirken aus dem Leben gegriffen, die Handlung könnte sich so tatsächlich ereignen und auch sonst bewegt sich so ziemlich alles im normalen Bereich. Die Titelwahl weiß dabei auf die Handlung anzuspielen und funktioniert im Grunde auch in seiner deutschen Entsprechung Tödliche Versprechen, wobei der Titel hier etwas arg das Geschehen vorweg nimmt. Im Übrigen sei vorab erwähnt, dass der Film im Original weniger "lächerlich" wirkt, wie das vielleicht bei der Synchronisation der Fall sein dürfte.

Eine junge schwangere Frau wird in die Notaufnahme gebracht, während die Hebamme Anna (Naomi Watts) das Neugeborene zur Welt bringen kann, stirbt die Mutter. Alles was Anna bei Tatiana, der Verstorbenen, findet, ist ein Tagebuch – allerdings in russischer Schrift. Anna, selber russischer Abstammung, sucht anhand einer Visitenkarte im Tagebuch das Restaurant Trans-Siberian auf. Dessen Besitzer Semyon (Armin Müller-Stahl) erinnert sich an keine Tatiana, schlägt Anna jedoch vor das Tagebuch für sie zu übersetzen. Was Anna nicht weiß, ist dass Semyon der Kopf der wor v zakone, der Russischen Mafia, ist und das Tatiana in ihrem Tagebuch über ein Geheimnis von Semyon und dessen Sohn Kirill (Vincent Cassel) gestoßen ist. Kirill wiederum hat gemeinsam mit seinem Fahrer Nikolai (Viggo Mortensen) einen anderen vor umgebracht und damit unbewusst einen kleinen Untergrundkrieg begonnen. Nikolai, an sich nur der Chauffeur von Kirill und dessen Mädchen für alles, sieht sich kurz darauf als Werkzeug von Semyon wieder und steht zwischen den Fronten von Anna, für die er Gefühle entwickelt und der Russischen Mafia.

Generell wäre von einem atmosphärisch dichten Thriller zu sprechen, wenn er sich nicht an manchen Stellen aus diesem Muster herausbewegen würde. Besonders ungeschickt sind die Szenen mit Ekrem, der lediglich eine Witzfigur darstellt und irgendwie nicht in das Bild zu passen scheint. Auch wenn dies sicherlich so gewollt ist, dass er als unschuldige Figur in dieses schmutzige Geschäft hineingezogen wird und am Ende den Tribut dafür zahlen muss. Auch die Figur seines Vaters Azim hätte man besser schreiben oder besetzen können, sie erhält durch Mina E. Mina jedenfalls keine gute Darstellung. Naomi Watts wirkt in ihrer Rolle als Anna etwas verschenkt, auch wenn sie diese problemlos darstellen kann. Da sie jedoch nicht wirklich herausfordernd ist, hätte man sicherlich auch eine schwächere Aktrice wie die im Gespräch gewesenen Kate Beckinsale oder Rachel McAdams wählen können, ohne dass dabei der Qualität des Filmes ein Abbruch getan worden wäre. Denn die Handlung gehört allein Viggo Mortensen, der die Leinwand mit seiner Interpretation von Nikolai beherrscht, dagegen kann nur noch Cassel ankommen, der in der Figur des Kirill wie zu Hause angekommen scheint. Dem guten Armin Müller-Stahl will man dagegen den Mafiaboss nicht so ganz abkaufen, wenn er mit seinem Altherrenlächeln daherkommt. Obschon er zu den besten seiner Klasse zählt, wäre ein Brian Cox an dieser Stelle vielleicht besser gewesen, da sich auch Stahls deutscher Akzent im Original fremd gegenüber den russischen Gewichtungen in Cassel und Mortensens Sprache anfühlt.

Während die Kameraarbeit von Peter Suschitzky, Cronenbergs Stammkameramann, solide ist, ohne wirkliche Höhen wie Tiefen, ist es die Musik von Oscarpreisträger und ebenfalls Stammkomponist Cronenbergs, Howard Shore, die an manchen Stellen, besonders gegen Ende hin, falsch gewählt zu sein scheint. Die musikalische Untermalung unterstützt nicht wirklich die Bilder, bzw. trifft nicht den entsprechenden Ton des auf der Leinwand gezeigten. Schwer vorstellbar, dass der Mann, der Mittelerde ein Gehör geliefert hat, hier versagt haben soll, doch scheint dem leider so. Dabei ist der Score nicht per se schlecht, er weiß durchaus zu gefallen. Aber allein die finale dramatische Szene zeugt von einer musikalischen Epik, die einem Doctor Shivago angehören möchte, hier aber nicht wirklich hinpasst. Hatte A History of Violence noch eher einen Cronenbergschen Charakter, so scheint dieser Eastern Promises völlig abzugehen, da der Film abgesehen von seinem Gore-Gehalt auch von einem F. Gary Gray hätte inszeniert werden können. Die Charaktere sind so, wie man sie aus Gangsterfilmen nun mal kennt. Der ruhige, nach außen freundliche Patriarch, der den alten Idealen nachtrauert und sein Sohn, ein Heißsporn, wild und draufgängerisch. Dasselbe Muster findet man bereits in Coppolas The Godfather. Dagegen steht dann wiederum Nikolai, der es pflegt zu betonen, dass er nur der Fahrer ist, der nach links, rechts oder geradeaus fährt – sich dennoch aber auch nicht zu schade ist, alles andere zu machen, was man von ihm verlangt, sei es die Verstümmelung einer Leiche oder Geschlechtsverkehr mit einer Prostituierten.

Anna wiederum, die gute Seele, ist selber russischer Abstammung, kann jedoch kein Russisch. Es dauert eine Weile, bis sie merkt mit wem sie sich überhaupt angelegt hat und dennoch zeigt sie anschließend keine Angst, sondern treibt das Spiel weiter und weiter. Hier weicht Cronenberg zur Abwechslung ab von seinem Portrait der realen Welt, denn Anna versteckt sich nicht, sondern sucht im Gegenteil die Konfrontation. In der Wirklichkeit hätte man sich als Mafiosi wohl Anna gleich zu Beginn entledigt, hier steht jedoch eine Beseitigung der unliebsamen Person zu keinem Zeitpunkt zur Debatte. Semyon wird nicht müde die gute Anna auf ihre russische Vergangenheit anzusprechen, wenn er sie immer mit ihrem Patronym Anna Ivanovna nennt. Ganz nach dem Motto „es bleibt in der Familie“ soll Anna ihm das Tagebuch geben und die Sache ist vergessen. Auch Nikolai weist sie daraufhin, dass sie sich von Menschen wie ihm fernhalten soll. Sie tut es jedoch nicht, geht allerdings auch nicht zur Polizei, will die Sache auf eigene Faust mit der Russischen Mafia klären. Das ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mutig, sondern dumm, an sich besonders dumm, wenn man bedenkt dass Anna selber russische Wurzeln hat und mit diesem Kulturkreis mehr vertraut ist, wie andere. Ebenso fragwürdig ist die Figur des Kirill, der als nichtsnutziger Säufer dargestellt wird, aber am Ende das Zünglein an der Waage ist. Für seinen Vater nicht gut genug, muss er von seinem Fahrer Nikolai geschützt werden. Dieser Vater-Sohn-Konflikt soll wohl letzten Endes das Finale des Filmes erklären, macht es aber nur noch unglaubwürdiger, als es für sich alleine genommen ist. Schließlich stammt Kirill aus diesem patriarchischen Lebensraum, wo Familie und Ehre alles bedeutet, wo man es nicht anders kennt. Kirill zeigt mehrfach, dass er sich dieses Lebensraumes und seiner Regeln bewusst ist und unterordnet. Warum er sich am Ende so entscheidet, wie er sich entscheidet beziehungsweise inwieweit sich das Schicksal von Nikolai hier einordnen lässt, lässt Cronenberg offen.

Star des Filmes und ihn problemlos alleine schulternd, ist aber Viggo Mortensen, welcher sich so intensiv auf seine Rolle vorbereitete, dass er durch seine Tätowierungen selbst nach Drehschluss beim Abendessen in einem russischen Lokal in London noch für einen Mafiosi gehalten wurde (wobei die Geschichte zwischen einem Lokal und einem Ehepaar, sowie einer Bar und zwei Jugendlichen wandelt). Wie dem auch sei, Mortensen geht – trotz etwas depperter Frisur – in seiner Rolle ganz auf, besonders natürlich in der viel gelobten Sauna-Szene, welche Filmkritikmogul Roger Ebert sogleich als Maßstab über Jahre hinweg charakterisiert. Dem kann man zwar nicht beipflichten, trotz allem ist es sicherlich die Cronenberg-Szene des Filmes schlechthin, falls nicht sogar die überhaupt einzige, die auch ebenso gut aus A History of Violence hätte stammen können. Sie bedient sich zwar einer kleinen Inkonsequenz, welche Cronenberg zwar plausibel zu rechtfertigen weiß, folgt aber dennoch einem typischen Gut-gegen-Böse-Klischee, wie die meisten solcher Filme, die gegen den Strom der Realität schwimmen. Die Szene hätte auch von eminent wichtiger Bedeutung für Nikolais Charakter sein können, doch auch hier greift Cronenberg lieber auf das Klischee zurück. Natürlich wird so von einer ungemeinen Härte getragen, wieso manch einer aber hier bereits einen mentalen Orgasmus erlebt, bleibt diesen Menschen vorbehalten. Das fließende Kunstblut wirkt unecht, die Szene selbst äußerst unwahrscheinlich und von ihrer Botschaft her auch im Kontext der Handlung etwas unnötig beziehungsweise zu ausführlich.

Für Fans von Cronenberg dürfte Eastern Promises daher sicherlich eine kleine Enttäuschung sein, da er nicht „abgedreht“ oder unkonventionell genug ist und sich zu sehr an den gängigen Genrekonventionen bedient. Hinterfragungen wie bei Naked Lunch oder eXistenZ sind hier nicht nötig, Cronenberg spielt nicht mit dem Verständnis des Zuschauers, sondern bietet ihm eine Handlung an, die von A bis Z durchstrukturiert ist. Und selbst dabei verwendet er dieselben Mittel, wie sie sich in zig anderen Filmen ebenfalls finden, ohne im Grunde eigene Wege zu gehen. Doch das ist scheinbar subjektiv, denn viele finden auch, dass Cronenberg die Genreklischees benutzt ohne diese zugleich zu bedienen. Hierfür könnte beispielsweise die Godfather-Referenz dienen, gänzlich rausreden kann man sich hier jedoch nicht. Seine Erklärung für die Verwendung von Linoleummessern anstelle von Pistolen klingt zwar plausibel und entspricht dem gängigen Muster, im wahren Leben hätte man sich jedoch der Pistolen bedient und das Ergebnis wäre ein anderes als im Film gewesen. Auch die Auflösung von Nikolais Motivation ist Klischee durch und durch – dabei hätte man einen viel persönlicheren und glaubwürdigeren Beweggrund wählen können. Am Ende ist Eastern Promises nicht mehr als ein etwas überdurchschnittlicher Gangsterfilm, der einem jedoch nach dem Kinobesuch nicht lange im Gedächtnis bleiben wird. Daran ändert auch nichts, dass Mortensen, Cassel und Watts den Film mit ihren Darstellungen alleine tragen. Die Geschichte selbst ist nicht wirklich innovativ, die Handlung regt nicht sonderlich zum Nachdenken an. All das, was einen Cronenberg-Film eigentlich ausmacht, feht Eastern Promises.

7.5/10

17. Dezember 2007

Heroes - Volume Two (Generations)

It’s for the greater good.

Die Autoren von Tim Krings Superheldenserie Heroes hatten das durchaus geschickt gemacht, im Staffelfinale How to Stop an Exploding Man. Innerhalb weniger Minuten beförderte man das Schicksal der drei herausragenden und interessantesten Figuren in die Schwebe. Dass alle drei in der zweiten Staffel anschließend über weite Strecken ihr eigenes Süppchen kochen, auch wenn das nicht sonderlich gelungen ist, verschafft zwar ihren Darstellern mehr Raum, dehnt die Handlung jedoch über einen derartigen Raum (und Zeit), dass das große Ganze, welches die eigentliche Geschichte des zweiten Bandes Generations vorantreiben soll, zur Nebensächlichkeit verkommt. So hält die zweite Staffel von Krings Dramaserie zwar weitestgehend ihr Niveau, baut jedoch gleichzeitig ab.

Angefangen mit Hiro (Masi Oka), der bereits im Epilog des ersten Staffelfinales ins feudale Japan des 17. Jahrhunderts befördert wurde. Hier trifft er auf seinen Jugendhelden Takezo Kenzei (David Anders), der sich jedoch wenig heldenhaft aufführt. In der ersten Hälfte des zweiten Bandes muss Hiro dafür sorgen, dass sich die Geschichte so abspielt, wie sie ihm zugetragen wurde - was zu dem amüsanten Zeitparadoxon führt, dass Hiro selbst für die Geschichten sorgt, die ihm sein Vater (George Takei) als Kind erzählt hat. Die Japan-Episode wirkt jedoch unwahrscheinlich nutzlos, da beispielsweise Hiro trotz seines Erscheinungsbildes keine Probleme hat, sich in die 400 Jahre alte Kultur zu integrieren (was seinem filmischen Vorbild Marty McFly in Back to the Future Part III schon schwerer fiel).

Auch Peter (Milo Ventimiglia) befindet sich an einem anderen Ort, dessen Vorgeschichte erst gegen Ende in Four Months Ago erläutert wird. Ohne Gedächtnis wacht er in Südirland auf und versucht nur widerwillig seine Erinnerungen zurück zu erlangen. Die Amnesie führt zu dem netten Aspekt, dass Peter wieder peu a peu auf all seine Kräfte stößt, ohne sich über deren Existenz bewusst zu sein. Wie im Vorjahr ist es eine Warnung aus der Zukunft, dieses Mal von ihm selbst erlebt, die ihn auf den Pfad der Weltenrettung und somit auf Kurskorrektur zur Haupthandlung bringt. Von allen drei „verlorenen“ Protagonisten ist die Wiederfindung von Peter noch der interessanteste und unterhaltsamste Nebenkriegsschauplatz, da früh eine Verbindung zur eigentlichen Haupthandlung existiert.

Der Dritte im Bunde ist der tot geglaubte Sylar (Zachary Quinto), der in einer abgelegenen Hütte in Mexiko auf Anordnung der Company aufgepäppelt wird. Im wahrsten Sinne des Wortes kraftlos versucht sich Sylar anschließend wieder zurück in die USA und zu Suresh (Sendhil Ramamurthy) durchzuschlagen, erhofft er sich doch vom Genetiker Antworten auf seine fehlenden Kräfte. Unterwegs trifft Sylar auf das Zwillingspärchen Maya (Dania Ramirez) und Alejandro (Shalim Ortiz), die es ebenfalls zu Suresh in die USA zieht, damit Maya von ihrer tödlichen Mutation befreit wird. Vielleicht noch der leidigste Handlungsstrang, gehen einem doch alle drei Figuren (Sylar, Maya, Alejandro) mit der Zeit auf den Keks, sodass man auf diese Handlung gerne verzichtet hätte.

Denn für die eigentliche Geschichte spielt die Episode der „illegalen Immigranten“ keine wirkliche Rolle, was leider auch erneut auf Micah (Noah Gray-Cabey) und Niki (Ali Larter) zutrifft, deren Privatleben man sich ebenso widmen muss, wie dem von Claire (Hayden Panettiere) und Noah Bennet (Jack Coleman). Zwar sind die jeweils neu integrierten Figuren von Monica (Dana Davis) und West (Nicholas D’Agosto) für die Verdauung dieser wenig gehaltvollen Handlungsstränge von Vorteil - speziell durch die romantische Verknüpfung von Claire und West, sowie dessen Vergangenheit mit Bennet gewinnt das Szenario an Spannung -, letztlich jedoch sie wie auch die Helden, mit denen sie in Verbindung gebracht werden, für die eigentliche Geschichte recht bedeutungslos.

Selbst wenn Bennet über Umwege noch mit Suresh und dieser wiederum mit Parkman (Greg Grunberg) verbunden wird, scheitert die Erzählung des zweiten Bandes an der Tatsache, dass zum einen die beiden Sub-Handlungsstränge rund um das Shanti-Virus und die dahingehende Involvierung von Company-„Chef“ Bob (Stephen Tobolowsky) mit den Sünden der Vorgängergeneration wenig harmoniert und zum anderen die übrigen Handlungen (Claire, Sylar, Micah/Niki/Monica) für diese gar keine Rolle spielen. Des Weiteren stoßen einige halbgar ausgearbeitete oder ausgelassene (die crossmediale Verknüpfung mit nebenher laufenden Comics darf keine Entschuldigung sein) Charakterentscheidungen um einige der zentralen Figuren beim Zuschauer reichlich sauer auf.

So wird D.L. (Leonard Roberts) auf lächerliche Weise eliminiert, Parkmans Ehe mit einer Randbemerkung ausgelöscht (von seiner erstaunlichen Rettung von vier Kugeln, die aus nahester Entfernung direkt in seine Brust befördert wurden, ganz zu schweigen) und Nathan (Adrian Pasdar) ist plötzlich ein runtergekommener Penner, der seinen Posten als Kongressabgeordneter aufgegeben hat. Wenig überraschend, dass der Shanti Virus selbst eher als schwacher MacGuffin herhalten muss, will es sich einem doch nicht erschließen, warum eine Organisation einen Virus kreiert (und behält), der einmal losgelassen nahezu jedes Leben (und damit auch das eigene) terminiert. Selbst der 2006 aufgetretene Autorenstreik in den USA ist für diese Erzählfehler keine Ausrede.

Ansonsten werden die Rezepte des ersten Bandes neu aufgekocht, wenn von den neuen Figuren manche wie Monica („I was supposed to be somebody“) ihre Kräfte freudig annehmen, während andere wie Maya sie verfluchen. Sporadisch darf auch Niki wieder in alte Tugenden verfallen, wenn sich nach Jessicas Abwesenheit kurzzeitig eine neue Persönlichkeit manifestiert und Angela Petrelli (Cristine Rose) mit beispielloser Bereitschaft gewillt ist, ihren „Lieblingssohn“ Peter mal wieder im Finale zu opfern. Bedauerlich zudem, dass sich von den neuen Figuren, Kristen Bell gibt mit Elle die leicht soziopathische Tochter von Bob, im Grunde nur West wirklich harmonisch eingliedern will, obschon man die Besetzung zumindest in optischer Hinsicht erneut als gelungen bezeichnen darf.

Wie uninteressant die eigentliche Handlung ist, zeigt sich auch daran, dass die beiden „herausragenden“ Episoden, Four Months Later… und komplementär Four Months Ago, etwas losgelöst von dieser zu rezipieren sind. So ist der zweite Band mit seinen lediglich elf - und bisweilen extrem langatmigen - Folgen qualitativ an und für sich nicht wirklich schlecht, sondern durchaus noch leicht überdurchschnittlich. Im direkten Vergleich zum sehr viel spannenderen und vor allem stringenteren ersten Band jedoch als Enttäuschung anzusehen. Die Versprengung der vier Hauptfiguren Hiro, Peter, Claire und Sylar sprengt zugleich die Handlung und Harmonie von Heroes auf, sodass in diesem Falle weniger (Handlung, Figuren, Redundanzen) zweifelsohne mehr gewesen wäre.

7.5/10

Dexter - Season Two

This is so much better than a prison cell.

Langsam überschlägt sich alles, ich weiß, wenn man sich meinen Blog so ansieht, könnte man meinen, ich hab nix besseres zu tun als ständig irgendwelche Filme oder Serien zu schauen. Dem ist aber an sich nicht so, theoretisch hätte ich eine Menge zu tun – ich tue es einfach nicht, bzw. so sporadisch wie möglich. Außerdem ist da noch der falsche Ehrgeiz bzgl. des Jahresrückblicks, es wird also in der nächsten Woche noch fast täglich Berichte regnen, aber da die Semesterferien theoretisch schon eingeläutet und die Abschlussarbeit geschrieben ist…Zeit muss man ja auch irgendwie nutzen. Zum Beispiel mit Dexter, von dessen erster Staffel ich ja geradezu euphorisch geschwärmt hab. Demnächst läuft Dexter auch im deutschen Fernsehen, allerdings vorerst nur auf Premiere, ab Frühjahr 2008 kann man damit denke ich rechnen, auf Premiere dann wohl auch ungeschnitten und mit der Möglichkeit es in der OV zu hören – was ich ja generell jedem, der des Englischen mächtig ist, empfehle. Wenn ich ab und zu Montags in Lost reinschaue, läufts mir kalt den Rücken runter, wenn ich die Synchro dort höre, ähnlich bei Heroes auf RTL 2.

Gestern ging die zweite Staffel in den USA zu Ende und die positive Nachricht folgt zugleich, denn Showtimes hat eine dritte geordert. Wollen wir mal hoffen, dass die bis zum Sommer abgedreht ist, denn mit dem diesjährigen (und wohl bis ins nächste Jahr fortdauernden) Streik der Autoren, welcher wenns ganz dumm läuft fast direkt in den der Schauspielergewerkschaft im Sommer mündet, sehe ich schwarz für eine geordnete Serienlandschaft in den nächsten zwei Jahren. Schon jetzt sind The Office, Scrubs, Grey’s Anatomy, Heroes und Prison Break ins Stocken geraten, ob Lost überhaupt wie geplant gezeigt wird bleibt noch abzuwarten. Zum Glück konnte man sich da noch auf Dexter verlassen, der fertig abgedreht und geschrieben war und ohne großes Tramtram gezeigt wurde. Da bei oben genannten Serien erstmal Pustekuchen ist, wird gerade schon fleißig Dirty Sexy Money angegangen. Theoretisch ist mit Mad Men und/oder The Tudors auch noch Raum nach hinten offen. Da kann man schon mal dankend auf die Knie fallen und dem amerikanischen TV-Wesen danken – wenn sie jetzt nicht voll in den Streik geraten wären.

Gleich zu Beginn der zweiten Staffel muss Dexter (Michael C. Hall) eine unangenehme Überraschung erleben, als er dachte, dass alles nun seinen geordneten Lauf nehmen könnte. Taucher finden seine Leichendeponie im Meer und somit wird der Ice Truck Killer abgelöst vom Bay Harbour Butcher. Obwohl er nicht so ganz mit seinem neuen Spitznamen leben kann, fühlt sich Dexter in der Tat geschmeichelt, als ihn Presse und Bevölkerung zum Gaunerschreck erkoren. Dumm nur, dass nun seine eigene Abteilung, darunter seine Adoptivschwester Deborah (Jennifer Carpenter) gegen ihn ermittelt. Der auf ihm lastende Druck äußert sich schließlich auch in einer – nennen wir es – Mordblockade und als Dexters Freundin Rita (Julie Benz) ihm eine Drogensucht unterstellt, sucht Dexter eben ein Suchtprogramm auf. Dort erhält er die extrovertierte Lila (Jaime Murray) als Sponsor und lernt mit seiner Sucht besser umzugehen. Währenddessen droht der Konflikt zwischen Sergeant Doakes (Erik King) und Dexter allmählich zu eskalieren, als das FBI mit Agent Lundy (Keith Carradine) einen externen Ermittler auf den Bay Harbour Butcher ansetzt.

Die zweite Staffel, welche nicht wie die erste auf der Romanvorlage von Jeff Lindsay beruht - aber dennoch von diesem geschrieben wurde – spielt sich folglich ganz unter dem Motto „Vom Jäger zum Gejagten“ ab und ist damit große Bühne für ein packendes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Dexter und Agent Lundy. Dass er dabei auch nicht mit Doakes, Rita und Lila klarkommen muss, scheint ihn in manchen Momenten zu über-, dann aber auch wieder herauszufordern. Dexter lernt seine „Sucht“ besser kennen und besser zu verstehen, somit lernt er auch sich selbst besser kennen und Dinge aus seiner Vergangenheit. Hierbei spielt immer noch der Mord an seiner Mutter eine große Rolle und auch die Funktion die sein Adoptivvater Harry (James Remar) in der ganzen Sache gespielt hat. Gegen Ende der Staffel sieht sich Dexter mit einem Problem konfrontiert, aus dem es nur eine falsche und eine richtige Entscheidung gibt – damit auch unweigerlich der Frage, wie er sich entscheiden wird.

Die zweite Staffel weiß insbesondere durch das Psychoduell zwischen Doakes und Dexter zu begeistern, welches sich gegen Ende ins unermessliche steigert. Gerade Erik King spielt hier seine Rolle einfach nur wunderbar, aber auch die neu dazu gestoßene Jaime Murray – deren Vater zwar auch Bill Murray heißt, aber nicht der Bill Murray ist – weiß nicht nur mit nackten Tatsachen zu begeistern. Da sich die Staffel schon von Anfang an mit Dexter als Tatverdächtigen beschäftigt, bzw. seinen Sabotagen der Ermittlungen, dreht sich die eine oder andere Folge schon mal etwas im Kreis. Dafür nimmt die Serie besonders in den finalen Episoden an Intensität zu, wenn sich die Lage mehr und mehr zuspitzt. Im Vergleich zum Finale der ersten Staffel ist die letzte Folge dann jedoch ein mittleres Desaster und enttäuscht total. Hier wurde eine so immense Spannung aufgebaut, welche schließlich nicht mehr gehalten werden konnte und die Serie am Ende (da wieder einzeln bewertet) sogar einen halben Punkt runterzieht. In der Hoffnung, dass dies in der dritten Staffel wieder besser gemacht wird, zählt Dexter dennoch zu dem besten, was man im Fernsehen finden kann.

8/10

American Gangster

Either you're somebody, or you ain't nobody.

Kein Land steht so zu sich selbst, wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Und nichts liebt der Amerikaner mehr als seinen American Way of Life. Dass dieser nicht immer vom Tellerwäscher zum Millionär verlaufen muss ist dabei auch den Amerikanern bewusst. Während 1980 Richard Gere bereits als American Gigolo über die Leinwand spazierte, Christian Bale als American Psycho Menschen zerstückelte, Edward Norton in American History X eine Geschichtstunde erfährt, verlor Jason Biggs seine Jungfräulichkeit in American Pie an einen Apfelkuchen und Kevin Spacey sein Leben in American Beauty. Ingesamt gibt es über dreißig Filme mit dem Attribut „American“, der letzte von ihnen ist nunmehr der von Ridley Scott inszenierte American Gangster. Durch den Zusatz des „American“ ist bereits ersichtlich, dass es sich hier um eine Geschichte handeln soll, die so wohl nur explizit in America stattfinden könne, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Dabei basierte Autor Steven Zaillian sein Drehbuch auf eine wahre amerikanische Geschichte – die Geschichte von dem afro-amerikanischen Drogenbaron Frank Lucas.

Der 62jährige Bumpy Johnson ist so etwas wie der Robin Hood vom New Yorker schwarzen Stadtteil Harlem in den 60er Jahren. Als er seinem Fahrer und Leibwächter Frank Lucas (Denzel Washington) in einem Rabattladen eine Moralpredigt über die Verdrängung des Einzelhändlers durch günstigere asiatische Produkte hält, erleidet er einen Schlaganfall. Frank, für den Bumpy wie ein Vater war, übernimmt seine Geschäfte und sieht durch den Drogenkonsum amerikanischer Militärs in Vietnam seine Chance gekommen. Er fliegt nach Bangkok und schließt dort einen Vertrag mit einem vietnamesischen Heroinbauern ab. Zurück in Harlem verkauft sein absolut reines Heroin unter dem Markennamen „Blue Magic“ zum halben Preis und erregt damit Missgunst nicht nur beim Mafiapaten Cattano (Armand Assante) und dem Dealer Nicky Barnes (Cuba Gooding Jr.), sondern startet auch einen Privatkrieg mit dem korrupten Drogenermittler Trupo (Josh Brolin). – Währenddessen sieht sich Polizeiermittler Richie Roberts (Russell Crowe) durch seine Ehrlichkeit im Polizeiwesen allein auf weitere Flur, bekommt jedoch vom Polizeichef seine eigenen Männer und stößt dabei unweigerlich auf die neue Szenedroge „Blue Magic“.

Die Entstehungsgeschichte von American Gangster ist dabei schon wieder fast einen eigenen Film wert. Ursprünglich begannen die Planungen zum Projekt bereits im Jahre 2000, als in einem New Yorker Magazin ein Artikel über Frank Lucas erschien und die Universal Studios sich die Rechte sicherten. Zwei Jahre später präsentierte Autor Steven Zaillian Ridley Scott dann seinen 170seitigen Drehbuchentwurf, welchen Scott in zwei Filme umwandeln wollte. Da er sich jedoch nicht sofort zu dem Projekt bekannte, welches damals noch Tru Blu hieß, begannen ein Jahr später erfolglos gebliebene Verhandlungen mit Brian De Palma, ehe 2004 die Dreharbeiten beginnen sollten, mit Denzel Washington in der Hauptrolle und Antoine Fuqua als Regisseur. Nachdem Fuqua jedoch die Dreharbeiten nach Toronto verschieben wollte, stieg das Budget immer weiter an und am Ende wurd Tru Blu erst einmal auf Eis gelegt, was Hauptdarsteller Washington dank seines Play-or-Pay-Vertrages dennoch sein Geld einbrachte. Nachdem man 2005 erst Peter Berg und dann Terry George in Betracht gezogen und das Drehbuch umgeschrieben hatte, begannen die Dreharbeiten schließlich Anfang 2006 – mit dem ursprünglichen Drehbuch von Zaillian und Scott als Regisseur.

Big Trouble in Little Harlem also sozusagen und eigentlich interessanter wie der Film, ist dann doch irgendwie das sich drehende Personalkarussell. Dass Fuqua wegen seiner Arbeit an Training Day mit Washington zusammen geschmissen wurde, geschah allein aus dem Grund, da Fuqua Oscarpotential in der Geschichte für seine Wenigkeit und Washingtons sah. Zu der Zeit sollte Benicio del Toro noch Richie Roberts spielen, ehe Tru Blu kurzzeitig erstarb. Als man dann mit Terry George verhandelte, war dessen Hotel Rwanda Spezi Don Cheadle plötzlich als Frank Lucas im Gespräch, ehe man zu Washington zurückkehrte, den man ja ohnehin bezahlen musste. Dass es am Ende doch Ridley Scott wurde, der wiederum seinen Spezi Russell Crowe ins Boot holte (obwohl auch Brad Pitt im Gespräch war) und es bei einem Film blieb, erscheint für sich gesehen als ein typisches American Ending.

Dass Problem in American Gangster ist dabei nicht einmal sein Schwimmen in der Masse der Gangsterfilme und dass er sich bei jedwedem Klischee des Genre bedient, sondern wohl in dem Grund, aus welchem Scott an sich zwei Filme geplant hatte. Die Länge von fast zweieinhalb Stunden fällt dabei auch nicht weiter ins Gewicht, wenn man sie ähnlich gut genutzt hätte wie beispielsweise bei Scarface. Das Problem ist die doppelte Darstellung von Frank Lucas und Richie Roberts in ein und demselben Film. Scott, bzw. Zaillian, versucht beiden gleich viel Platz einzuräumen, die Geschichte von beiden Männern zu erzählen. Dadurch dass Scott jedoch alle fünf Minuten vom aufsteigenden Drogenbaron zum fürs Sorgerecht streitenden Polizisten schneidet kommt kein rechter Schwung in die Geschichte. Das Leben und die Ermittlungen von Richie Roberts, dessen größtes Laster seine Unkorrumpiertheit ist und der seinen Sohn nicht aus den Augen verlieren will, hätten mit etwaiger Ausarbeitung gut und gerne einen eigenen Film ausfüllen können – auch wenn für einen solchen del Toro sicherlich die bessere Wahl als Crowe gewesen wäre.

Wenn man seinen Film American Gangster nennt, dann muss man auch den Fokus auf diesen American Gangster legen und nicht auf die Jugendfreundschaften von Richie Roberts mit der Mafia. Äußerst ironisch verkommt es dabei, dass Lucas sich wie ein Brutus gegen seinen Oheim Bumpy stellt, wenn dieser seine letzten Worte gegen Sony und Toshiba und ihre Verdrängung amerikanischer Produkte durch billigeres asiatisches Material richtet. Kurz darauf wird Frank selber sein Heroin aus Asien einschmuggeln und es zu günstigen Preisen gegen seine amerikanischen Kollegen verkaufen. Was hätte Bumpy wohl dazu gesagt? Wie gesagt, kommt zu keinem Zeitpunkt Zug in die Geschichte, die sich auf zu vielen Nebenschauplätzen verliert, die für die eigentliche Handlung keine Rolle spielen. Dazu gehören neben Richie’s Freundschaft mit der Mafia die Streitigkeiten zwischen Frank mit Cattano und Nicky Barnes. Auch die zu Beginn eingesetzte Vielzahl von Rückblenden, die in kurzen Bildern zeigen sollen, dass das Leben als Gangster verdammt gefährlich ist – denn wer hätte das gedacht, mal ehrlich – sind so unnötig wie ein Kropf am Hals.

So schön das auch anzusehen ist, wenn man hier Cuba Gooding Jr. und dort Armand Assante und Carla Gugino sieht, für die Handlung sind sie unerheblich. Crowe spielt unter Wert, wahrscheinlich lediglich auf Wunsch von Scott bei dem Projekt überhaupt mit und Washington spult ebenfalls sein übliches Programm ab. Wie bei Al Pacino wirkt hier jede Rolle gleich, sei es nun Man on Fire, Training Day oder American Gangster, da zieht sich ein schauspielerischer roter Faden durch, der Mann scheint mit seinem Latein (sprich Talent) am Ende. Dass dabei eine Golden-Globe-Nominierung herausspringt, wie auch für Scott, Brian Glazer ist in der Traumfabrik nicht mehr verwunderlich, wenn man die letztjährige Verleihung gesehen hat. Immerhin hat es Zaillian nicht für eine Nominierung geschafft was wiederum bezeichnend ist. Dass Scott mit seinem Film einen Mörder und Drogendealer so positiv darstellt und dies in einem lahmen Ende auflöst, den Film mit Amerikas Hip Hop Elite (Rza, Common, T.I.) pfeffert, soll an dieser Stelle unkommentiert bleiben (auch wenn ich es nicht gutheiße). Was man mit American Gangster am Ende überhaupt wollte, lässt sich nicht genau sagen, da er wie mein Bloggerkollege Equilibrium so treffen sagte „spektakulär unspektakulär“ ist – vielleicht war es nur für die Oscars, wie Fuqua erkannt hatte.

5.5/10

16. Dezember 2007

Vorlage vs. Film: The Fellowship of the Ring

The Fellowship of the Ring (1954)

The Fellowship of the Ring, der Kürze halber ab hier nur noch Fellowship genannt, bildet das Expose zu J. R. R. Tolkiens Chronik von The Lord of the Rings, dem Buch aller Bücher. Hierbei ist insbesondere das erste Buch als allmähliche Hinführung zur Geschichte zu verstehen und Tolkien nimmt sich - die seinem Verständnis nach – gebührende Zeit das nahen des dunklen Zeitalters einzuläuten. Zwischen dem Beginn des ersten Buches und seinem Ende vergehen über zwanzig Jahre in Mittelerde, in welchen absolut gar nichts passiert. Eingeläutet wird die Handlung mit dem 111. Geburtstag von Bilbo Baggins, dem Helden aus Tolkiens erstem Roman The Hobbit, sowie seinen Planungen seines Wegzuges aus dem Auenland. Doch nicht nur seine Heimat, sondern auch seinen Großneffen Frodo lässt Bilbo zurück und setzt ihn als alleinigen Erben seines Hab und Gut ein. Zu diesem gehört auch Bilbos mysteriöser Ring, welchen er einst vor vielen Jahren dem Geschöpf Gollum abnehmen konnte und der seinen Träger unsichtbar macht. Gut zwanzig Jahre vergehen, als Frodo Besuch seines und Bilbos alten Freundes Gandalf dem Zauberer erhält.

Dieser offenbart Frodo dass es sich bei seinem Ring nicht nur um einen der zwanzig großen Ringe handelt, sondern gar um den Ring Saurons, des dunklen Herrschers von Mordor. Frodo ist nicht mehr sicher im Auenland und soll den Ring vorerst nach Bruchtal bringen, während Gandalf weitere Nachforschungen anstrebt. Doch Frodo ziert sich sein geliebtes Auenland zu verlassen und als er sich endlich entschließt, stellt er fest, dass ihm seine besten Freunde Meriadoc Brandybuck und sein Cousin Peregrin Tuck, sowie sein Gärtner Sam Gamgee auf seinem schweren Weg beistehen wollen. Und ihre Abreise beginnt nicht zu früh, da bereits schwarze Reiter durch das Auenland kreuzen, unheilvolle Untertanen Saurons, auf der Suche nach Frodo und dem Ring. Nachdem Frodo und die anderen Unterschlupf in der Stadt Bree suchen, stoßen sie auf allesamt neugieriges Gesindel, sowie auf den ominösen Streicher, welcher sich schließlich als Aragorn und Freund Gandalfs zu erkennen gibt. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg nach Bruchtal, werden aber auf der Wetterspitze von den Nazgûl, den Ringgeistern, angegriffen, Frodo dabei schwer verwundet.

Das zweite Buch schildert die Rettung nach Bruchtal und Frodos Überleben. Auch auf Gandalf treffen die Hobbits in Bruchtal wieder, welcher allen Beteiligten offenbart, dass der Vorsitzende der Zauberer, Saruman der Weiße, von der guten Seite abgefallen ist. Er sucht ebenso wie Sauron die Macht des einen Ringes, um die freien Völker Mittelerdes zu unterjochen. Auf einer Ratssitzung von Elrond debattieren alle Beteiligten unter Beisatz von Elfen, Menschen und Zwergen, wie mit dem Ring zu verfahren sein. Der einzige Ausweg scheint die Zerstörung des Ringes an dem Ort zu sein, wo er erschaffen wurde: Mordor. Frodo stellt sich dieser Prüfung zur Verfügung und erhält von Elrond mit Gandalf, Aragorn, Sam, Merry, Pippin, sowie dem Gondorianer Boromir, Elf Legolas und Zwerg Gimli neun Gefährten, welche ihn zumindest bis zur Gedenkstätte der Emyn Muil begleiten sollen. Die Gefährten brechen auf, doch Aragorns Plan über den Gebirgspass Caradhras in den Osten zu marschieren schlägt fehl. Widerstrebend folgt die Gemeinschaft Gandalf die Höhlen Morias, wo sie in der unterirdischen Zwergenstadt Khazad-Dûm auf eine Horde Orks und einen Feuerdämon treffen.

Als Gandalf seinen Freunden die Flucht ermöglicht, zahlt er mit seinem Tod Tribut, Aragorn kann die anderen sicher in die Wälder Loriéns retten. Dort werden sie nach Caras Galadhon, dem Sitz der Waldelfen Celeborn und Galadriel geführt. Unsicher wie der weitere Verlauf der Mission vonstatten gehen soll versucht Boromir die Gruppe davon zu überzeugen, dass zuerst Minas Tirith aufgesucht werden soll. Derweil verstehen Frodo und Sam die Bedeutung ihrer Aufgabe besser, als sie ein nächtliches Gespräch mit Galadriel führen. Die Gefährten werden zu Boot in den Fluss Anduin geleitet, auf welchem sie schließlich die Argonath passieren und die Emyn Muil erreichen. Während es weiterhin unklar ist, wohin die Reise weitergehen soll, will Boromir Frodo den Ring als Waffe Gondors abspenstig machen. Als Frodo erkennt, dass der Ring die Gemeinschaft zerstören wird und es an ihm ist, diese Aufgabe zu bestreiten, verlässt er seine Freunde und macht sich alleine auf den Weg nach Mordor, als ihn gerade noch Sam abfangen kann. Gemeinsam überschreiten sie die Gewässer Richtung Osten.

Tolkien erzählt in seinen ersten beiden von sechs Büchern, die beide mit rund 250 Seiten gleich lang sind, eine Geschichte voller Ungewissheit. Dazu nimmt er sich stets Zeit, die Figuren hadern stets mit ihren Entscheidungen und diskutieren diese aus. Während Boromir den Ring gegen den Feind einsetzen will, widerstrebt diese Idee Elrond und Gandalf. Doch wie genau verfahren werden soll weiß niemand und als Gandalf aufgrund seiner eigenen Fehlentscheidung sein Leben lassen muss, obliegt es an Aragorn den Weg zu wählen. Am Ende trifft Frodo, wie zuvor bei der Ratsversammlung, die Entscheidung selbst. Treu an seiner Seite dabei stets sein Vasall Sam. Beide erkennen, dass der einzige Weg zu einem friedlichen Zusammenleben in Mittelerde nur erreicht werden kann, wenn das Instrument des Bösen seine Kraft genommen wird. Mit seinen ersten beiden Büchern gelang Tolkien dabei ein Klassiker der Literatur und Meilenstein für das Fantasy-Genre. Seine Geschichte, die sich selber aus Mythen wie dem Ring des Gyges zusammensetzte, erzählt von Krieg und Frieden, von Gut und Böse – will dabei keine Analogie zu den Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges sein und ist es am Ende doch.

The Fellowship of the Ring - Extended Edition (2001)

Some things that should not have been forgotten…were lost.

Der Neuseeländer Peter Jackson offeriert viele kleinere Abwandlungen zur Buchvorlage, zum Beispiel wenn Gandalf zu Beginn für die Hobbitkinder ein Feuerwerk veranstaltet oder die Liebesgeschichte zwischen Sam und Rosa. Diese Szenen und Abänderungen dienen mit anderen dem Ziele der komödiantischen Unterhaltung. Wenn Gandalf (Ian McKellen) Bilbo besucht und sich in der kleinen Höhle ständig den Kopf stößt, ist dies nicht Teil der Geschichte, da er Bilbo seit über fünfzig Jahren besucht und mit dessen Höhle sicher bestens vertraut ist. Weshalb die Liebesgeschichte um Sam eingebaut worden ist, lässt sich für das Publikum nicht nachvollziehen, die einzige plausible Erklärung wäre den homoerotischen Charakter zwischen seiner Figur und Frodo (Elijah Wood) zu entschärfen (wobei jener vom Regisseur gewollt scheint). Die ersten beiden Bücher mit einer Länge von knapp fünfhundert Seiten werden in drei Stunden gut komprimiert, bedenkt man dass eine Minute etwa drei Seiten zusammenfasst und langatmige Teile um den Alten Wald und Tom Bombadil wegen ihrer Unerheblichkeit ausgespart werden.

Die meisten Abwandlungen zum ersten Buch fallen nicht weiter ins Gewicht und stellen meistens Ergänzungen für das Publikum dar, bebilderte Schilderungen oder nicht geschilderte Hintergründe. Die Erschaffung der Uruk-hai oder die vorausgehende Abholzung der Fangorn-Bäume werden ebenso wenig geschildert, wie die Auseinandersetzung von Saruman und Gandalf oder dessen Nachforschungen in Minas Tirith. Es sind lediglich Bilder zu Ereignissen, welche dem Leser nebenbei geschildert werden, sind daher an sich willkommene Ergänzung und unterstützen das visuelle Erlebnis. In opulenten Bildern präsentiert Jackson ein atemberaubendes Bild von Mittelerde, wie es Tolkien kaum besser hätte schildern können. Die gewählten Landschaften in Neuseeland passen dabei wie die Faust aufs Auge, seien es nun die Wetterspitze, Bruchtal, Caras Galadhon oder die Emyn Muil. Mit unglaublich viel Liebe zum Detail wurden hier sagenhafte Schauplätze ausgewählt, die einen als Teil Mittelerdes empfinden lassen. Unterstützt wird dies von den tollen Kostümen und der gelungenen musikalischen Untermalung.

Ebenjener Score von Howard Shore ist großartig komponiert und fügt sich nahtlos mit den Landschaften zu einem homogenen Bild. Das einzige Problem hierbei ist, dass Jackson zu viel Verwendung davon macht. Es gibt kaum eine Einstellung, die nicht musikalisch untermalt wurde, was bei einem Film von drei Stunden Länge nach einer Weile gehörig auf die Nerven gehen kann. In den ruhigen Momenten, den entscheidungsträchtigen klatscht Jackson Musik drunter dass es trieft, von den vielen Liedern, welche in der Vorlage auftauchen hört man aber zu keinem Zeitpunkt eins (dabei singen außer Gandalf alle Charaktere einmal ein Lied). Ins Auge fallen auch die vielen kleinen Änderungen, wenn Handlungen und Aussprüche die Träger wechseln, mehr Gewichtung auf die Liebesgeschichte zwischen Aragorn und Arwen fällt und Aragorn und Legolas sich scheinbar bekannt sind. Solche Abwandlungen sind nicht weiter schlimm, auch nicht die vielen dramaturgischen Kniffe von Jackson um die Geschichte dem Mainstream-Publikum näher zu bringen, Wenn sich die Anwesenden bei der Ratsversammlung plötzlich anschreien und Frodo den Weg des Ringes wählt da er das Antlitz des Bösen erblickt, ist dies ebenso vertretbar wie die Treppen in Khazad-Dûm. Es lässt sich lediglich fragen, warum er nicht einfach auf die von Tolkien geschilderten dramatischen Untertöne wie den nächtlichen Angriff der Wargs zurückgegriffen hat.

Durch seine Zufügung eigener Szenen fällt Jackson mitunter in einige Logiklöcher, zumindest verwundert es, wieso Gandalf nach seinem Kampf mit Saruman (Christopher Lee) in Bruchtal wieder seinen Zauberstab hat oder dass die Orks in Khazad-Dûm innerhalb von einer Minute die Gefährten angreifen. Natürlich muss er die Geschichte schneller machen, als die eine Woche, welche Frodo und die anderen in Moria verbringen, aber dies hätte man auch besser lösen können. Dinge wie die emotionsschwangere Musik, der am Ende einsetzende Pathos oder die oftmals komischen Szenen sind wie die dramatischen Einschübe Abnickungen an das Mainstream-Publikum, welches mit dem Film angesprochen werden sollte. Bei einem dermaßen teuren Projekt lässt sich dies auch nachvollziehen, wenn gerade die gute Kundschaft angesprochen und somit die eigene Investition geschützt wird. Insofern - auch wenn es beim Fan teilweise sauer aufstößt - lassen sich die angesprochenen Bemängelungen vertreten und rechtfertigen. Besonders Viggo Mortensen als Aragorn und Sean Bean als Boromir wissen nicht nur zu gefallen, sondern auch zu überzeugen, während Ian McKellen ein ums andere Mal negativ als Gandalf aufzufallen weiß.

Hauptkritikpunkt in dieser, wie in den anderen beiden Verfilmungen (wobei es dort noch schlimmer ist), sind die charakterlichen Veränderungen, die Jackson vorgenommen hat. In meinen Augen ein Kardinalsdelikt. Figuren wie Tom Bombadil oder Glorfindel wegzulassen ist in Ordnung, die Handlung zu komprimieren und zu ergänzen auch, aber die Darstellung des Charakters der Figuren sollte dem der Vorlage entsprechen. Dass die im Buch auf einer Seite auftauchende Figur von Arwen (Liv Tyler) im Film als elfenhafte Amazone dargestellt wird ist geradezu lächerlich. Liebesgeschichte hin oder her, aber da fragt man sich schon, was das soll, da der Film beim Publikum sicherlich genauso gut angekommen wäre, hätte man sie auf das reduziert was sie ist. Auch die Darstellung der Hobbits, wie auf der Wetterspitze, als naives, tölpelhaftes und schwächliches Volk schmerzt ebenso, wie die Inszenierung von Galadriel (Cate Blanchett), die völlig fehl am Platze ist, wenn sie als allwissendes Orakel sich bedrohlich präsentiert, sodass ihr vielmehr ein hexenhafter Charakter verliehen wird. Andere Dinge, wie die blinde Hörigkeit Frodos gegenüber Gandalf, dessen Fehlentscheidungen oder Aragorns zögerliches Verhalten werden überhaupt nicht thematisiert, obwohl sie für das Schicksal der Figuren entscheidend sind.

Am schlimmsten überwiegt jedoch die Zeichnung von Boromir, von Jackson als Judas skizziert. Galadriel riecht den Braten sofort, teilt dies Frodo mit und dieser ergibt sich schließlich am Fuße Amon Hens seinem Schicksal, dieses vorausahnend wie ein Jesus im Garten Gethsemane. Dass dabei bei der finalen Verabschiedung aus Lothlorién Boromir als einziger nicht gezeigt wird, wie er ein Geschenk von den Elfen bekommt stellt eine absurde Analogie zum letzten Abendmahl dar. Ebenso wie er es im zweiten Teil mit Faramir tut, scheint Jackson entweder die Bedeutung der beiden nicht verstanden zu haben oder dies dem Blockbuster-Charakter opfern zu wollen. Er versucht dies zwar in der Extended Version des zweiten Teiles in einer neu eingefügten Szene wieder gut zu machen, was die Darstellung Boromirs jedoch nicht besser macht. Hier wird er als Verräter von langer Hand gezeigt, der bereits seinem späteren Opfer bekannt war, während Tolkien ihn erst am scheinbaren Ende seiner Reise in eine Verzweiflungstat stürzen lässt. Die Einfügung des Anfanges des dritten Buches ans Ende des zweiten dient dann wieder dramaturgischen Zwecken, die eigentlich nicht notwendig gewesen wären. Am Ende bleibt The Fellowship of the Ring in seiner erweiterten Fassung abgesehen von der freigiebigen Verwendung der Musik und der Änderungen an den Charakteren eine großartige Adaption eines unverfilmbaren Romans.

8/10